Geschichten, die unter die Haut gehen

Dass die Menschen und die Dinge nicht immer so sind, wie sie im ersten Moment erscheinen mögen, hat Bernhard Horwatitsch bei der Lesung aus seinem Buch „Das Herz der Dings“ deutlich gemacht. Der Autor war auf Einladung der Alzheimer-Gesellschaft Landkreis Ebersberg ins AWO-Seniorenzentrum Kirchseeon gekommen.
Kirchseeon – Mit seinen mal heiter, meist aber nachdenklich stimmenden Geschichten führte er dem Publikum vor Augen, dass natürlich auch Menschen mit einer Demenzerkrankung ihre Würde wahren möchten – und dies auch bis zuletzt verdient haben. Bernhard Horwatitsch, gelernter Fachpfleger für Gerontopsychiatrie, war nicht zum ersten Mal im AWO-Seniorenzentrum Kirchseeon. „In den Jahren 1985 und 1986 hat er hier als Zivildienstleistender gearbeitet“, stellte Dr. Hans Gnahn, Vorsitzender der Alzheimer-Gesellschaft Landkreis Ebersberg den heute als Schriftsteller, Lehrer für Pflegehelfer und Betreuungskräfte und Berater von Rechtsbetreuern tätigen Münchner vor.
Geboren 1964, hat Horwatitsch 25 Jahre in der Pflege gearbeitet. Seine bewegenden und berührenden Geschichten gehen auf seine persönlichen Erfahrungen zurück, für sein Buch hat der Autor sie etwas entfremdet und Fantasienamen vergeben.
Als „Herr Konrad“ gewährt der Autor ganz unterschiedliche, oft unter die Haut gehende Einblicke in den Alltag der Menschen mit einer Demenzerkrankung. Ob sich der „Heilige Geist“ als Küchenschabe herausstellt, die in einer kleinen, schwarzen, herzförmigen Schachtel im fünften Stock einer Giesinger Stadtwohnung wohnt oder die inkontinente Frau Assmann beim Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung unerwartete Fähigkeiten entwickelt: Bernhard Horwatitsch schildert die Menschen mit Respekt und liebevoller Zuneigung, ohne sie bloßzustellen, nimmt er sie an, wie sie sind. Und er nimmt sie ernst.
Er habe viel von ihnen gelernt, sagte Horwatitsch. Etwa, auch im Alltag genauer hinzuschauen, auch auf Kleinigkeiten zu achten und sich an ihnen zu freuen. Der Faktor Zeit spiele ebenfalls eine ganz andere Rolle für Menschen mit Demenz, so seine Erfahrung. „Ich habe gelernt, sie nicht etwa als ‚Kranke‘ wahrzunehmen, sondern als Individuen“, stellte der Autor zusammenfassend fest.
Mit seiner ruhigen, freundlichen Art nahm der Autor das Publikum der Lesung sofort für sich ein. Horwatitsch lud auch zwischen den Zeilen immer wieder zum Nachdenken darüber ein, wie ein Leben in Würde auch bei schwersten Erkrankungen und im Sterben gelingen kann.
„Lebensende in Würde – trotz Demenz“ wird auch das Thema einer öffentlichen Podiumsdiskussion sein, die am Abend des Welt-Alzheimertages, dem 21. September, im Landratsamt stattfindet. Dies beschlossen Organisatorin Elfie Melbert, Leiterin der Betreuungsstelle im Landratsamt, sowie Vertreter von Caritas, Sozialpsychiatrischem Dienst, Kreisbildungswerk und die Alzheimer-Gesellschaft Landkreis Ebersberg auf deren gleich im Anschluss an die Lesung durchgeführter Mitgliederversammlung.
Bei der Zusammenkunft wurden bei der turnusgemäßen Neuwahl Hans Gnahn als Vorsitzender, Willi Daniels als sein Stellvertreter und Waltraud Graf-Kellberger als Kassier in ihren Ämtern bestätigt. Als Schriftführerin wurde Irma Demmel gewählt.
Vorrangige Aufgabe der Alzheimer-Gesellschaft Landkreis Ebersberg, so Hans Gnahn, sei es, sich dafür einzusetzen, dass „durch bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit der Pflegeberufe auch die Lebensqualität der zu Pflegenden verbessern werden kann und muss.“ Dies bedeute „bessere Bezahlung der Pflegekräfte, bessere Stellenschlüssel, höhere gesellschaftliche Anerkennung der Pflegeberufe“, erklärte er. „Davon würden insbesondere auch Demenz-Betroffene am Lebensende profitieren“, so der Neurologe.
Von Ina Berwanger