Panama gibt's auch in Bayern: Die Steueroase im Forst

Ebersberg - Warum nach Panama gehen? Briefkästen gibt es schließlich auch im Ebersberger Forst. Mittendrin, zwischen Fichtenmonokulturen und strammen Eichen, hat sich ein knappes Dutzend Firmen angesiedelt, um Geld zu sparen. Der Wald, eine bayerische Steueroase?
Bäume, Bäume, Waldwege, noch mehr Bäume. Die Weiten des Ebersberger Forsts sind dunkel und geheimnisvoll. Ein Rotkäppchenwald – nur dass hier nicht der Wolf lauert, sondern das Finanzwesen.
Die Hinweise sind dünn gesät, der entscheidende hängt mitten im Forst, an einem alten Stadl – ein Briefkasten. Darauf stehen kryptische Firmennamen wie „H.F.S. Leasingfonds GmbH“, drüber hat jemand mit Tesa einen Zettel geklebt. Bürozeiten: Mittwoch und Freitag. Nur Eingeweihte wissen, dass das Büro hinten im Stadl ist. Ob es mittwochs und freitags auch besetzt ist, weiß niemand so genau.
Leasingfonds im dunklen Wald, die Sache kann einem durchaus dubios vorkommen. Brigitte Keller sagt aber, alles sei „absolut seriös“. Man dürfe das nicht mit Panama in einen Topf werfen. Im Landratsamt Ebersberg hat Keller die meiste Ahnung von dem, was da im Wald vor sich geht.
Die Geschichte der Briefkastenfirmen im Ebersberger Forst beginnt im Jahr 2004. Schon damals war man knapp bei Kasse, aber eine findige Kreisrätin hatte da eine Idee. Große Teile des Waldes sind „außermärkisches Gebiet“, das heißt, sie gehören dem Landkreis. Warum nicht Unternehmen dort ansiedeln und Gewerbesteuer kassieren? Einziges Problem: Der Forst ist auch Landschaftsschutzgebiet, hier darf nicht gebaut werden. Die Lösung: ein Briefkasten. Für den muss man nicht bauen, den muss man nur hinhängen. Und der Stadl, der stand ja schon.
Finanzexpertin Keller war 2004 dabei. „Die Verwaltung hat die Idee damals sehr genau geprüft“, sagt sie. Auch mit dem Finanzministerium sei alles abgesprochen worden. Der Clou: Im Forst gilt der geringste Steuersatz, den man rechtlich erheben darf, nämlich 200 Prozent. Das heißt: Von 100 Euro Gewinn muss ein Unternehmen sieben Euro Gewerbesteuer zahlen. In München können es bis zu 17 Euro sein.
Die Briefkasten-Adresse St. Hubertus 2 ist seitdem ziemlich beliebt. Im Moment haben etwa

zehn Firmen hier ihren Sitz angemeldet, mitten im Wald, neben dem Forsthaus Hubertus. Es waren mal bis zu 16. Ein bisschen erinnert das Ganze an Panama – mit einem großen Unterschied: „Die Firmen zahlen ganz normal ihre Steuern“, sagt Keller. Halt nur sehr wenig. Immerhin schafft es der Forst regelmäßig in einen bekannten Ratgeber für Steuerschlupflöcher.
Ein bisschen Verschwiegenheit herrscht dann aber doch im Forst. Welche Firmen hinter dem Breifkasten stecken, will Keller nämlich nicht sagen. Aber googeln hilft. Wer im Internet nach der Adresse sucht, kommt relativ schnell auf einen Münchner Anbieter für Anlagefonds, der wiederum zur italienischen „UniCredit“-Gruppe gehört. In besagtem Schlupfloch-Buch steht, die Münchner Firma biete Beteiligungen an Flugzeugen oder Einkaufszentren. Für jeden Fonds wurde eine eigene Gesellschaft gegründet. Vorteil laut Ratgeber: „Diese Gesellschaften sind äußerst mobil, brauchen kaum Intrastruktur und können dorthin gehen, wo wenig Steuern zu zahlen sind.“
Wie gesagt, das alles ist legal. Auch für den Landkreis ging die Rechnung für einige Jahre auf. Keller sagt, von 2008 bis 2011 habe man 15 Millionen Euro an Steuern eingenommen. Allerdings ist dem Kreis davon nur ein Viertel geblieben – der Rest floss in Ausgleichstöpfe, zum Beispiel die Bezirksumlage. Seit 2012 ist die Geldquelle versiegt.
Nicht dass das dauerhaft so bleiben würde. Brigitte Keller ist jedenfalls zuversichtlich. Gewerbesteuern fallen nämlich nur an, wenn so ein Fonds ausläuft und das Flugzeug oder das Einkaufzentrum verkauft wird. Keller sagt: „Wir rechnen fest damit, dass irgendwann mal wieder Geld fließt.“ Der Wald, er bleibt eine Oase.