Zwei Heilige seit über 50 Jahren vermisst - Diese Männer geben die Hoffnung nicht auf

Vor über 50 Jahren wurde in die Kirche zu Traxl bei Ebersberg eingebrochen: Seitdem fehlen die Flügel des wertvollen Altars. Doch nun regt sich Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Traxl - Ein schändlicher Einbruch ereignet sich 1969 in der Filialkirche zu Traxl bei Ebersberg: Das von außen unscheinbare Gotteshaus beherbergt einen Altar aus dem Jahr 1499. Diesem raubten die Diebe damals die Flügel. Mehr als ein halbes Jahrhundert später macht ein Fund Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Für einen Moment sieht es in der Traxler Kirche St. Anna so aus wie einst mehr als 450 Jahre lang. Dann verlassen Christian Doerr die Kräfte in den Fingern. „Langt bitte einer her!“, ruft er – und Kirchenpfleger Benno Dickl und sein Vorgänger Johann Hilger eilen dem Verwaltungsleiter des Pfarrverbands Ebersberg-Steinhöring zu Hilfe. Sie nehmen die Heilige Maria und die Heilige Elisabeth wieder vom Seitenaltar herunter, wo Christian Doerrs Hände für den Moment als Scharnier-Ersatz herhalten mussten.

In dem unscheinbaren, grauen Kirchlein ein paar Kilometer südöstlich von Ebersberg steht ein echtes sakrales Kleinod: ein hölzerner gotischer Kreuzaltar mit aufwendig gestaltetem, bunten Schnitzwerk aus dem Jahr 1499. Doch seit der Nacht zum Sonntag, 12. Oktober 1969, steht er dort wie amputiert. Unbekannte drangen damals vermutlich mit einem nachgemachten Schlüssel oder Dietrich in das Kirchlein ein und nahmen die beiden klappbaren Seitenflügel an sich. Verschwunden sind sie bis heute.
An die Öffentlichkeit gekommen sind nun, mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Raub, dafür zwei Repliken: die auf Karton gemalten Bildnisse der Heiligen Maria und Elisabeth, die auf den originalen Holzflügeln die sogenannte „Werktagsseite“ geziert hatten. Gemeint sind damit die Flügel-Rückseiten, die nur bei geschlossenem Altarbild sichtbar waren – sonn- und feiertags war das Innenbild mit Kreuzigungsszenen aufgeklappt.

Die beiden Heiligen waren in den vergangenen Jahren nicht untätig: Sie spendeten ihrer Besitzerin, einer Frau aus der Nähe von Straußdorf, Trost in ihren letzten Lebensjahren. Das erzählt Fridolin Gruber, Restaurator aus Katzenreuth bei Grafing. Er war zufällig mit der Frau in Kontakt gekommen, als diese bereits im Grafinger Seniorenheim lebte. Die 1937 von der Kunstmalerin Elisabeth Wetzler geschaffenen Kopien des Altarbildes seien bis zum Tod der Frau über ihrem Pflegebett gehangen. Als die Besitzerin im Februar 2022 starb, gingen die beiden Gemälde gemäß ihrem Willen an die Kirche in Traxl über.

Für die Ortsansässigen um Kirchenpfleger Benno Dickl ist dieser Fund mehr als ein Trostpreis. „Wir haben damit die Chance, den Fall noch einmal ins Bewusstsein zu rufen“, sagt Pfarrverwaltungsleiter Christian Doerr. „Wir hoffen immer noch, dass die Heilige Maria und die Heilige Elisabeth wieder auftauchen“, sagt Dickl.
Wenigstens ein Abbild der Flügel-Außenseiten haben die Traxler wieder
Bis dahin haben die Traxler wenigstens ein Abbild der Flügel-Außenseiten wieder. Wie Christian Doerr ankündigt, soll eine Kopie von der Kopie in Traxl neben dem amputierten Altar angebracht werden. Die „Original-Kopien“ auf Karton sind dafür zu empfindlich. Sie sollen im Grafinger Heimatmuseum bei verträglicheren klimatischen Bedingungen für jedermann zugänglich sein. Dann nicht das erste Mal: Die verstorbene Besitzerin hatte die beiden Bilder vor ihrem Umzug ins Altenheim aus Furcht vor Dieben mehr als 40 Jahre lang an das Grafinger Museum ausgeliehen – damals noch ohne dass die Verbindung zum Traxler Kirchenraub aufgefallen wäre.

Der Deutung von 1969, es habe sich bei den Dieben um ausgebuffte Profi-Ganoven mit internationalen Beziehungen gehandelt, wollen sich die Traxler heute nicht mehr vorbehaltlos anschließen. Zwar seien damals wiederholt Votivtafeln in der Region gestohlen worden – doch von einer echten Diebstahlsserie ist nicht die Rede. Vielleicht, so die Hoffnung, verstauben die Altarflügel auch auf einem Dachboden in der Nähe – und mit dem Fund der Kopien erwacht bei einem gealterten Gelegenheitsdieb das schlechte Gewissen. Oder nichts ahnende Erben beherbergen den wertvollen, aber wohl unverkäuflichen Schatz aus dem Traxler Kriminalfall. So oder so sieht etwa Kreisheimatpfleger Josef Huber augenzwinkernd den richtigen Zeitpunkt für eine gute Tat gekommen. Und sei es anonym. Vergelt’s Gott.
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