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Gesellschaft und Politik sind gefordert

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Kompetenz beim Thema Demenz (v.l.): Die Experten Dieter Käufer, Christine Deyle, Renate Zorn-Traving, Anita Ptok und Hans Gnahn. © Ina Berwanger

Wie ein „Lebensende in Würde – trotz Demenz“ gelingen kann, betrifft in Zeiten des demographischen Wandels mit immer mehr alten Menschen und damit steigenden Zahlen Demenzerkrankter so gut wie jeden.

Ebersberg – Gesellschaft und Politik sind aufgerufen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, lautete am „Welt-Alzheimertag“ der Tenor einer Podiumsdiskussion im Landratsamt. Dringend nötig ist eine dem Bedarf angepasste palliative Versorgung in den Pflegeheimen, so die Expertenrunde.

Sehr viel könnten Angehörige, Pflegekräfte und Ärzte aber schon für demenziell erkrankte Menschen tun, wenn sie bis zuletzt achtsam mit ihnen in Kommunikation blieben. Elfi Melbert, Leiterin der Betreuungsstelle im Landratsamt, konnte sich bei der Eröffnung der Kooperationsveranstaltung der Alzheimergesellschaft Ebersberg, des Sozialpsychiatrischen Dienstes Ebersberg, der Caritas Ebersberg, des Katholischen Kreisbildungswerkes Ebersberg und der Betreuungsstelle über einen gut besetzten Hermann-Beham-Saal freuen. Das Thema des Abends habe „in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen“, so Melbert. „Rund siebzig Prozent der Bewohner in Pflegeheimen sind dementiell erkrankt.“ Menschen mit einer Demenz seien leicht in ihrer Würde zu verletzen, gab die Sozialpädagogin zu bedenken. Wie immens wichtig ein wertschätzender Umgang mit Demenzkranken bis zum Schluss ist, betonten die fünf Teilnehmer der Podiumsdiskussion unter der Leitung der Journalistin Johanna Feckl im Laufe der Veranstaltung dann auch immer wieder. Zwei Vorträge stimmten das Publikum auf die Runde ein.

„Das Ziel ist ein menschenwürdiges Sterben ohne Schmerzen, das Ziel für die Praxis ist eine angemessene Palliativversorgung“, so Dieter Käufer. Er leitet mit dem AWO-Seniorenzentrums Wolfratshausen eine Spezialeinrichtung ausschließlich für 68 demenziell veränderte Menschen. „Schmerzen sind in der palliativen Geriatrie eine ethische Herausforderung“, stellte Anita Ptok vom Zentrum für ambulante Hospiz- und Palliativversorgung der Caritas München fest. „Man denkt bei Dementen viel zu selten daran, dass sie Schmerzen haben könnten.“ Außerdem sei es „ganz wichtig, den Patienten bei Therapieentscheidungen mit einzubeziehen, immer wieder nachzufragen.“ Diese wertschätzende Kommunikation sei auch in der letzten der drei Phasen einer Demenzerkrankung möglich. Selbst, wenn die Menschen nicht mehr sprechen könnten, sei anhand ihrer Mimik oder schon kleinsten Gesten noch immer ihr Willen abzulesen. „Man kann in jeder Phase Kontakt aufnehmen, dies ist so wichtig, dass wir es nie vergessen dürfen“, so Ptok.

„Immer versuchen zu fragen, auch vor Berührungen“, lautete auch der Rat von Pfarrerin Renate Zorn-Traving von der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Ebersberg. „Demenzkranke fordern unser Menschenbild heraus, sie sind verletzlich, ihr Leben ist bruchstückhaft.“ Dabei „sind wir alle so.“ Dies zu erkennen und zuzulassen, sei für manche Menschen ein schmerzlicher Prozess, der ihnen die Begegnung mit den Kranken erst einmal schwer mache. Auch pflegende Angehörige hätten zumeist viele dringliche Fragen wie die nach dem Umgang mit dem Kranken und seinen Bedürfnissen, berichtete Christine Deyle. Die Sozialpädagogin ist im Caritas Zentrum Ebersberg für die Soziale Beratung und die Beratung pflegender Angehöriger zuständig. „Nach unseren Angehörigen-Schulungen besteht eine hohe Nachfrage“, so Deyle. Auch Angebote zur Entlastung pflegender Angehöriger würden gerne angenommen. Für die Sterbephase eines an Demenz erkrankten Menschen gelte: „Ob zuhause oder im Pflegeheim, wichtig ist eine vertrauensvolle Atmosphäre.“

„Wesentlich ist, dass vermeidbare Verlegungen am Lebensende vermieden werden“, waren sich alle Diskussionsteilnehmer mit Hans Gnahn einig. Der Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft im Landkreis ist niedergelassener Neurologe in Ebersberg. Er weiß, dass Ortswechsel für Menschen mit Demenz eine ungeheure Belastung sind und sie schnell in einen akuten Verwirrtheitszustand, das Delir, kommen können. Spontanen Beifall bekam Gnahn vom Publikum für seine Forderung nach „einer viel besseren Bezahlung der sehr, sehr anstrengenden und belastenden Pflegeberufe“ und für seinen Wunsch, diese „viel mehr wertzuschätzen.“ Ohne mehr und darüber hinaus auch palliativ geschultes Personal in den Pflegeeinrichtungen sei ein Sterben in Würde für die steigende Zahl von Menschen mit Demenz in den Heimen nicht zu stemmen, war sich die Expertenrunde einig. „Natürlich kostet das Geld, aber das muss es der Gesellschaft wert sein“, so Gnahn. „Wir brauchen Zeit für die Menschen, Geld, Informationen und Netzwerke“, zog Elfi Melbert Bilanz. „Dies hier war ein erster Schritt.“ 

Von Ina Berwanger

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