Schöffen gesucht: Was Menschen bewegt, als Laienrichter zu arbeiten

Sie haben keine juristische Vorbildung, aber dürfen bei der Urteilsfindung mithelfen: die Schöffen. Momentan werden Laienrichter für die nächste Schöffenperiode gesucht. Zwei Laienrichter erzählen, wieso es ein Ehrenamt mit Sinn ist.
Ebersberg – Unvoreingenommen und neutral sollen sie sein: die Laienrichter. Im ersten Halbjahr dieses Jahres werden bundesweit Schöffen und Jugendschöffen für nächste Schöffenperiode von 2024 bis 2028 gewählt.
Auch im Landkreis kann sich jeder Ebersberger, der Interesse hat, bewerben. Voraussetzung: Zwischen 25 und 69 Jahre alt, deutsche Staatsangehörigkeit und ausreichende Deutschkenntnisse. Wer zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde oder gegen wen ein Ermittlungsverfahren wegen einer schweren Straftat schwebt, die zum Verlust der Übernahme von Ehrenämtern führen kann, ist von der Wahl ausgeschlossen.
Man nimmt auch für sich selbst was mit
Aber warum entscheidet man sich für dieses Ehrenamt? „Die Vorverurteilung von Straftätern in der Gesellschaft ist sehr groß“, erklärt Harald Winterling, 59 Jahre alt, der während dieser Periode als Jugendschöffe tätig ist. „Als Laienrichter hat man die Chance, die Taten objektiv zu sehen und kann auch Irrtümer, die in der Öffentlichkeit vielleicht bestehen, berichtigen.“ Ganz nach dem Motto: So wie du dir das vorstellst, ist es aber nicht!
„Und unterm Strich nimmt man auch für sich selber was mit“, stimmt ihm Maria Hackenberg, 35 und ebenfalls derzeit Jugendschöffin, zu. Sie selbst habe zwei Kinder, die seien zwar noch weit von der Strafmündigkeit entfernt – als Schöffin im Jugendgericht habe sie aber gelernt, wie wichtig es sei, dass Eltern für ihre Kinder da sind.
Keine Schulung vor der ersten Verhandlung
Eine Schulung, bevor sie 2019 ihr Laienrichteramt angetreten haben, bekamen die beiden nicht. Sonst wäre man ja nicht mehr unvoreingenommen. Nur die Lebensschule habe ihn auf das Amt vorbereitet, erklärt Winterling, der in Markt Schwaben zu Hause ist.

Etwa alle zwei Monate sind Schöffenverhandlungen angesetzt, dann meinst zwei oder drei direkt nacheinander. Vor jeder Verhandlung werden sie kurz vom Richter gebrieft, worum es eigentlich geht, sagt Hackenberg. Mehr erfahren sie nicht – schließlich sollen sie sich ihr eigenes Bild machen. Und im Anschluss bei der Urteilsfindung helfen.
Als Jugendschöffe steht der erzieherische Gedanke im Vordergrund
Da seien die beiden auch immer wieder überrascht, dass der Richter Vorschläge von ihnen in seine Überlegungen miteinbeziehe, die sie selbst fast verworfen hätten. „Ich habe das Gefühl, meine Meinung zählt wirklich“, sagt Winterling. Grade deswegen sei es eben auch so wichtig, unbefangen an die Sache heranzugehen. Sich in der Verhandlung eine Meinung zu bilden und dann zu versuchen, aus dem Leben heraus – ohne juristische Vorbildung – in die Urteilsfindung zu gehen. Dabei steht bei den Jugendschöffen vor allem der erzieherische Gedanke im Vordergrund.
„Man will niemandem was Schlechtes“, erklärt Hackenberg, die in Steinhöring wohnt und im Hauptberuf Verwaltungsfachangestelle ist. Angst davor, eine falsche Entscheidung zu treffen, hat sie deshalb auch nicht. Das Urteil solle unterstützend und begleitend auf die Jugendlichen einwirken.
Manche Fälle bleiben im Gedächtnis
Doch manche Fälle blieben bei diesem Ehrenamt einfach im Gedächtnis. Ein Vater, der seinen Sohn so in etwas hineinreitet, dass dieser schließlich vor Gericht landet: „Was jemand den eigenen Kindern antun kann“, sagt die Laienrichterin kopfschüttelnd.

Man müsse immer die Hintergründe betrachten, immer versuchen zu verstehen, was einen Menschen zu der Tat getrieben hat, die ihn schließlich vor Gericht brachte, sagt Winterling, im Hauptberuf Hauswirtschaftsleiter an einer Münchner Einrichtung. Es gehe ihm nicht um das Sensationelle, das eine Verhandlung vermeintlich zu bieten habe. „Es ist eher erschreckend, welche Perspektivlosigkeit oft schon in jungen Jahren herrscht“, erklärt Hackenberg und Winterling fügt hinzu: „Das sind die Dinge, die man eigentlich lieber ausblenden würde.“
Ein Ehrenamt mit Sinn
Trotzdem bewerben sich beide für die nächste Schöffenperiode wieder. Es ist ein Ehrenamt mit Sinn, zeigen sie sich überzeugt sie. Denn nur in der Zeitung davon zu lesen und ein besseres Urteil zu fällen, sei einfach, sagt Winterling und Hackenberg erklärt: „Jeder redt und koana wui doa.“
Info: Wer sich für ein Schöffenamt interessiert, kann sich bei ihrer Gemeinde bzw. dem für ihren Wohnsitz zuständigen Jugendamt melden.
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