Steueroase im Forst droht Millionen-Debakel: Landkreis Ebersberg soll Horror-Summe an Stadt München zahlen

An Briefkastenfirmen im Ebersberger Forst hat der Landkreis Ebersberg Millionen Euro an Gewerbesteuer verdient. Nun könnte daraus ein finanzielles Debakel werden, denn das Geld könnte, samt Zinsen, nach München abfließen.
- Seit 15 Jahren gibt es im Ebersberger Forst eine Steueroase in Form von Briefkastenfirmen mehrerer Investmentfonds.
- Plötzlich sollen 23,52 Millionen Euro Steuereinnahmen und Zinsen nicht dem Landkreis Ebersberg, sondern der Stadt München zustehen.
- Der Landrat will notfalls vor Gericht um das Geld streiten - kündigt aber gleichzeitig alle Mietverträge.
Ebersberg - Jahrelang haben die Firmen, die sich im „Steuerparadies Ebersberger Forst“ angesiedelt hatten, dem Landkreis fette Gewerbesteuer beschert. Jetzt droht den Ebersbergern ein finanzielles Debakel. Es geht um rund 23,5 Millionen Euro, die im schlimmsten Fall zurückgezahlt werden müssen.
Finanzamt ändert Meinung: Steuermillionen aus Briefkastenfirmen im Forst gehören München, nicht Ebersberg
Die Bombe platzte am Donnerstag, keine 24 Stunden nachdem die Ebersberger Zeitung aufgrund ihrer Recherchen zu dem Thema eine entsprechende Anfrage an die Kreisbehörde gestellt hatte. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) verbreitete die Hiobsbotschaft um 16.01 Uhr per E-Mail. In Kurzform: Das Finanzamt Ebersberg ist zu der Auffassung gekommen, dass die im „Gewerbegebiet am Seegrasstadel“ nahe dem Forsthaus Hubertus erwirtschaftete Gewerbesteuer nicht dem Landkreis Ebersberg zusteht, sondern der Landeshauptstadt München.
Steueroase im gemeindefreien Forst: Vermeintlich clevere Idee könnte Landkreis nun Millionen kosten

Die Geschichte der Steueroase zwischen Fichtenmonokulturen und strammen Eichen ist schnell erzählt. Sie beginnt unter Landrat Gottlieb Fauth (CSU) im Jahr 2004, die Ebersberger Zeitung machte sie damals publik. Warum nach Panama gehen, wenn es Steuerparadiese auch vor der Haustüre gibt: Große Teile vom Ebersberger Forst sind „außermärkisches Gebiet“, das heißt, sie gehören dem Landkreis Ebersberg. Die Idee war geboren: Warum nicht Unternehmen dort ansiedeln und Gewerbesteuer kassieren?
Der Clou: Im Forst gilt der geringste Steuer-Hebesatz, den man rechtlich erheben darf, nämlich 200 Prozent. Einziges Problem: Der Forst ist auch Landschaftsschutzgebiet, hier darf nicht gebaut werden. Die Lösung: Briefkastenfirmen. Für sie muss man nicht bauen, den Briefkasten muss man nur hinhängen. Und der Seegrasstadl bei Hubertus, der stand ja schon. In der Folge siedelten sich mehrere Investmentfonds an diesem Standort an.
Landrat zur Steueroase im Ebersberger Forst: „Sache war zu jedem Zeitpunkt transparent“
Landrat Niedergesäß, der das Gewerbegebiet quasi von seinem Vorgänger geerbt hat, legt heute Wert auf die Feststellung, dass die Sache „zu jedem Zeitpunkt transparent“ gewesen sei. So habe das Finanzamt Ebersberg selbst bekundet, seit der Ansiedelung der Firmen mehr als ein Dutzend Betriebsprüfungen vor Ort durchgeführt zu haben. Im Ergebnis habe keine Betriebsprüfung zu einer veränderten Einschätzung geführt. Und über das kleine Gewerbegebiet hätten zudem nahezu alle Medien immer wieder berichtet.
Kreis Ebersberg droht Finanz-Debakel: München fordert 14,25 Millionen Euro Steuern plus 9,27 Millionen Euro Zinsen
Nun, 15 Jahre später, habe das Finanzamt Ebersberg seine Rechtsauffassung geändert. Nun soll die Gewerbesteuer plötzlich der Stadt München zustehen. Niedergesäß: „Durch kürzlich erlassene Bescheide verfügte es die Zuteilung der Gewerbesteuermessbeträge für 2007 bis 2010 zugunsten der Landeshauptstadt München. Insgesamt geht es dabei um Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 14,25 Millionen Euro, die der Landkreis Ebersberg erhalten hat und die nun – zuzüglich mittlerweile aufgelaufener Zinsen in Höhe von ca. 9,27 Milllionen Euro – der Landeshauptstadt München zustehen sollen.“
Der Sachverhalt bedarf höchstrichterlicher Klärung.
Der Landkreis habe gegen diese Zuteilungsbescheide Einspruch eingelegt und werde im Fall einer abschlägigen Entscheidung Klage erheben. Niedergesäß: „Wir bestehen auf einer gerichtlichen Klärung dieser Rechtsfrage.“ Der Landkreis stelle sich auf einen mehrjährigen Rechtsstreit ein. „Ein Sachverhalt von dieser Komplexität, von dieser singulären Vorgeschichte und von dieser finanziellen Bedeutung bedarf einer höchstrichterlichen Klärung.“
Erste Konsequenz: Alle Mietverträge für die Briefkastenfirmen im Ebersberger Forst gekündigt
Der Landrat hat bereits gehandelt. Die bestehenden Mietverträge mit dem Freistaat und den ansässigen Firmen seien nun mit Bestätigung der zuständigen politischen Gremien des Kreises gekündigt worden, das Kapitel Gewerbegebiet im Ebersberger Forst sei damit „für die Zukunft geschlossen“, sagt Niedergesäß.
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