Gutachten, Anlieger, Ämter: Kleine Gemeinde kämpft seit sechs Jahren um kleines Baugebiet

Die Gemeinde Frauenneuharting plant seit 2017 an einem kleinen Wohngebiet - noch immer mit ungewissem Ausgang. Denn die Zahl der Bedenkenträger ist Legion.
Frauenneuharting – Eigentlich sollten auf der grünen Wiese, die rechter Hand am Ortsschild von Jakobneuharting liegt, schon längst die neuen Häuser stehen. Seit 2017 plant die Gemeinde Frauenneuharting dort vor sich hin. Mit dem Ergebnis, dass nach fast sechs Jahren die Wiese im Osten des Ortes so grün ist wie seit jeher. Nicht, dass seitdem nichts passiert wäre. Aber es ist eben auch viel passiert, was dem Vorhaben in die Quere gekommen ist. Das liegt auch an einem Landwirt dort, der um seine Existenz fürchtet, aber nicht nur. Das Ringen der kleinen Gemeinde um etwas Wohnbauland zeigt Planungshürden auf, die für eine Dorfverwaltung schwer zu stemmen sind.
„Vereinfachtes Verfahren“ - das heißt noch lang nicht, dass es einfach geht
Fünf Einfamilien- und sieben Doppelhäuser sollen am Ortsrand, im Baugebiet „Wirtsland II“, entstehen. Die Dimension ist klein genug, dass im „vereinfachten Verfahren“ geplant werden kann, erläutert der verantwortliche Architekt, Michael Haas. Also ohne Ausgleichsflächen, Umweltbericht und Änderung des Flächennutzungsplans. Vereinfacht heißt aber nicht einfach, so viel vorweg. Bei der Planauslegung können sich alle beteiligten Behörden, Bürger und sonstige Interessensparteien einschalten. In jüngster Gemeinderatssitzung mussten sich deshalb Bürgermeister Eduard Koch und sein Sitzungsbeistand Quirin Maas von der Verwaltung abwechseln, um beim pflichtgemäßen Vorlesen von 25 Din-A4-Seiten an Stellungnahmen keinen Knoten in der Zunge zu bekommen.
So weist etwa die Kreisbranddirektion auf die notwendige Belastbarkeit des Hydrantennetzes hin und die Abteilung Abfallwirtschaft im Landratsamt auf genügend Stellfläche auch für die Grüne Tonne. Der Denkmalschutz betont, dass ohne vorherige geologische Untersuchung kein Spaten in die Erde kommt, da sich in Jakobneuharting Siedlungsspuren aus dem Frühmittelalter befinden könnten. Ein Handynetzbetreiber fordert, dass kein Bau höher als 46 Meter ragen darf, weil sonst eine Richtmobilfunk-Strecke gestört werden könnte.

Straßenbauamt verhindert Wertstoffinsel - und droht bei mehr Verkehr mit Ungemach
Das Straßenbauamt verhindert mit seinen Mindestabstandsflächen zur Kreisstraße EBE 9 die am Rand des Wohngebiets geplante Wertstoffinsel. Und es lässt die Gemeinde gleich wissen, dass bei künftig erhöhtem Verkehrsaufkommen eine Linksabbiegerspur in das Wohngebiet fällig werden könnte, die die Gemeinde vor neue Planungsprobleme stellen dürfte. Das Wasserwirtschaftsamt warnt vor einer Schmelzwasserschotterrinne, die den Neu-Häuslbauern in Jakobneuharting die Keller fluten könnte. Vorangegangen war den ganzen Planungen übrigens schon eine neue Regenwasserableitung für den Ortskern, die die Gemeinde Hunderttausende Euro kostete.
Die genannten Eingaben und noch viele mehr nickte das Frauenneuhartinger Gremium in jüngster Sitzung mit dem einen oder anderen Kompromiss ab. Zäh lief es lediglich bei zwei Stellungnahmen des Bayerischen Bauernverbands, die zeilenmäßig gefühlt ein Drittel der Schriftsatz-Masse ausmachten. Der Verband tritt auf als Verteidiger eines seiner Mitglieder und wirft der Gemeinde unter anderem „Etikettenschwindel“ vor, weil das Areal als „allgemeines Wohngebiet“ deklariert ist, aber in Wirklichkeit ein „reines Wohngebiet“ sei. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, erläuterte der Planer, der das bis hierhin beschriebene „vereinfachte Verfahren“ überhaupt möglich mache.
Landwirt fürchtet um seinen Betrieb
Zäh machte das die Diskussion, auch weil der betroffene Landwirt, Josef Lenz, Bruder des Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz, mit im Gemeinderat sitzt. Dort machte er von seinem Stimm- und Rederecht ausgiebig Gebrauch, ohne dass die persönliche Betroffenheit als Hindernis aufkam. „Mir geht es nicht darum, das Wohngebiet zu verhindern, sondern um die Zukunft für meinen Betrieb“, sagte er. Der Immissionsschutz sei so auf Kante genäht, dass bei der kleinsten Änderung seines landwirtschaftlichen Konzepts der zu den Wohnhäusern ziehende Stallgeruch das Aus bedeuten könne.
Auch bei den blockierten Plänen zur Erweiterung der Holperstrecke EBE 9 ist Lenz einer der bremsenden Anlieger, weil seine landwirtschaftlichen Flächen betroffen wären. Auch diese Planung verzögerte das angrenzende Wohngebiet, dazu kam 2020 ein neuer Gemeinderat mit anderen Vorstellungen und es holperte bei den Grundstückskäufen – und vor allem setzte es Gutachten über Gutachten. Das alles dauert.
Weitermachen oder ganz von vorn anfangen? „Wir haben Feuer unterm Hintern!“
Jetzt wieder umzuplanen würde den kompletten Neuanfang bedeuten, warnte Planer Michael Haas in der Sitzung. Er sagt: „Wir sind auf der Zielgeraden.“ Der Gemeinderat überstimmte Lenz’ Bedenken, die die wenigsten im Gremium so recht nachvollziehen wollten. „Entweder, wir machen heute weiter, oder es passiert wieder fünf bis zehn Jahre gar nix“, plädierte CSU-Rat Franz Gschwendtner. Elke Hauser von der Wählergemeinschaft blickte auf die Kassenlage der Gemeinde und das Geld, das mit dem Baugrund zu verdienen ist. „Wir haben Feuer unterm Hintern“, sagte sie. „Wir müssen ja auch wieder mal was reinkriegen.“
Im Optimalfall, so Bürgermeister Koch, könnten die ersten Haus-Baustellen im kommenden Jahr 2024 starten. Es könne aber auch noch zu einer dritten Auslegung oder einen „Hammer beim Immissionsschutz“ kommen. Dann schmoren die Frauenneuhartinger wohl noch Jahre im Planungs-Fegefeuer.
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