Engel mit Sahnetorte: Diese Frauen backen seit 48 Jahren ehrenamtlich für Senioren im Heim

Die Glonner Donnerstagsdamen backen seit fast einem halben Jahrhundert Torten für die Bewohner im Marienheim. Im Ort und in der Einrichtung sind sie eine Institution.
Glonn – Wie in der Einflugschneise eines Bienenstocks herrscht plötzlich Betrieb vor dem Eingang des Marienheims in Glonn. „Grüß dich, Helga!“ schallt es über den Weg. „Grüß dich, Astrid!“, schallt es zurück. Binnen weniger Minuten eilt mehr als ein Dutzend Frauen in die Senioreneinrichtung. Es sind die Donnerstagsdamen. Ihr Erkennungszeichen: die Tortenhaube in der Hand. Ihre Mission: einmal im Monat Gebäck und gute Laune auf die Stationen mitzubringen, für etwas Abwechslung und Ansprache im Heimalltag.
Donnerstagsdamen Glonn: Zigtausende Torten über die Jahre
Lächelnd beobachtet Helga Berninger – violette Jacke, violett gestreiftem Pulli und passender Lippenstift – wie Donauwellen, Himbeerrouladen und Käsekuchen an ihr vorbeiziehen. Dann zieht sie sich die FFP2-Maske auf und folgt den einschwärmenden Kuchenbäckerinnen ins Gebäude. Die 76-Jährige fungiert seit fast acht Jahren als Koordinatorin der Gruppe. Donnerstagsdame ist Berninger seit 46 Jahren. Fast solange, wie es die ehrenamtlichen Abwechslungsbringerinnen schon gibt, seit 1975, also runde 48 Jahre. In dieser Zeit haben sie, selbst konservativ gerechnet, zigtausende Torten und Kuchen in das Seniorenheim geschleppt. Die Gruppe, die neben den monatlichen Besuchen auch bei Ausflugsfahrten mithilft, ist eine Glonner Institution.
Kuchen fürs Marienheim: Auch die Besucherinnen werden nicht jünger
26 Donnerstagsdamen zählt Berninger derzeit zu ihrer Truppe. Verändert hat sich über die Jahrzehnte das Durchschnittsalter. „Viele von uns könnten selber schon herin sein“, sagt sie über das Marienheim. Manche aus ihren Reihen ist von der Besucherin zur Besuchten gealtert. Mit dem Nachwuchs fürs Ehrenamt ist es so eine Sache. Berninger fing mit 30 an. Zusätzlich zu einem Halbtagsjob. „Heute arbeiten viele Frauen ganz“, sagt sie. Die typische Donnerstagsdame ist nun 65 plus.

Eine Gruppe von rund zehn Seniorinnen sitzt im Gemeinschaftsraum an den Tischen und wartet, bis es der Kuchenwagen zu ihnen geschafft hat. Helga Gatterer, Maria Fuchs, Anneliese Gruber und Astrid Senckenberg bugsieren ihn, Kaffeekannen und -Geschirr oben, Maracuja-Torte und Käse-Sahne-Himbeer unten, den Flur entlang. Wer Bett oder Zimmer nicht verlassen kann oder will, bekommt Kalorien, Koffein und Endorphin per Lieferservice.
Es geht nicht nur um Zucker und Sahne, sondern vor allem um kleine Glücksmomente
Das Glückshormon, davon ist Chef-Donnerstagsdame Helga Berninger überzeugt, ist in diesem Dreiklang das Wichtigste – und der Grund, warum sie so für ihr Ehrenamt brennt. Zehn Minuten Ansprache und frischer Wind von draußen heben die Laune für den Tag und darüber hinaus. Sie werde manchmal gefragt, ob diese Zuwendung bei Demenzpatienten überhaupt einen Sinn habe. Und sagt: „Die Leute können zehn Minuten lang lachen. Das ist unser Lohn. Und wenn sie es wieder vergessen – ja mei.“ Die Donnerstagsdamen kommen ja wieder.
Die Senioren freuen sich über den Besuch der Donnerstagsdamen Glonn
Im Gemeinschaftsraum ist die Kuchenlieferung angekommen. Die Besucherinnen schwirren mit Tortenhebern und Kaffeekannen bewaffnet die Tische, Gesprächslärm und Lachen füllen den Raum. In der Ecke sitzt im lila Karohemd Theresia Aner, 82, und gabelt davon unbeeindruckt an einem Stück Donauwelle. „Eigentlich bin ich keine Siaße“, sagt sie. Und gabelt weiter. Aner hat früher in der Waschküche des Marienheims gearbeitet, erzählt sie. Den Wohnbereich habe sie nicht von innen gesehen, bis sie selber eingezogen ist. „Ich bin hier reingekommen und war daheim.“
Einen Tisch weiter hat Emma Tutschka, 93, die Himbeerroulade in der Reißn. „Sehr gut!“, lobt sie den Kuchen und die Donnerstagsdamen: „Schön, dass sie da sind.“ Und dann lässt die Rollstuhlfahrerin mit der schmucken, bernsteinfarbenen Kette das wohl schönste Kompliment an diesem Tag vom Stapel: „Eigentlich will ich ein bisserl abnehmen und esse überhaupt keinen Kuchen.“ Für die Donnerstagsdamen macht sie eine Ausnahme.

Ehrenamt im Marienheim Glonn: „Mir hat das viel gegeben“
„Mir hat das viel gegeben“, sagt Helga Berninger über ihr Ehrenamt und die Freude, die sie bei den Senioren erlebt. Sie erinnert sich noch an ihren ersten Besuch im Marienheim, vor 46 Jahren, als es auf den Gängen noch nach Urin roch. „Mir sind die Tränen in den Augen gestanden“, sagt sie. Seitdem hat sich viel verbessert – die Räume sind hell und sauber, die Pfleger freundlich, es gibt Veranstaltungen und W-Lan im ganzen Haus. Der Pflegebedarf bei den Bewohnern ist gleichzeitig höher geworden, weil die Menschen länger daheim wohnen bleiben und oft erst ins Heim gehen, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Die älteste Donnerstagsdame in Glonn wird bald 90 - und ist die Kaffeebeauftragte
Sie könne es sich schon vorstellen, einmal ins Heim zu gehen, sagt Helga Berninger. „Bevor ich allein daheimhocke und die Wand anschaue!“ Da pflichtet ihr die älteste Donnerstagsdame bei. Elisabeth Decker wird dieser Tage 90 Jahre alt, lebt aber ganz fidel für sich. Sie hat bei den Donnerstagsdamen eine Spezialaufgabe, das Kaffeemachen. „Das ist guter Kaffee, schon im Eigeninteresse!“, sagt sie, während sie das Pulver in den Filter löffelt. Mit 30 Tassen versorgt sie so zügig die Kolleginnen mit dem Servierwagen. „Und wenn es nicht reicht, mache ich einen nach.“
Vor einem Jahr starb die „Grande Dame der Donnerstagsdamen“, Bundesverdienstkreuz-Trägerin Brigitte Lehmann

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