Grafing testet selbstfahrenden Bus für ÖPNV-Betrieb

Bis 2025 will Grafing seinen Nahverkehr um ein autonomes Angebot erweitern - um einen selbstfahrenden Bus. Der war nun in der Stadt.
Grafing – Ein prominenter Gast aus dem niederbayerischen Bad Birnbach hat viele Grafinger am Sonntag ins Schammacher Gewerbegebiet gelockt. Dort drehte zum „Tag der Inovation und Tradition“ der kastenförmige Shuttle-Bus „Nr. 41“ seine Runden. Das Besondere: Das von der DB Regio betriebene Elektro-Gefährt kann dank vorheriger digitaler Vermessung der Straße seine Route selbstständig bewerkstelligen und vor Hindernissen abbremsen und ausweichen – ein Fahrer ist zur Sicherheit dennoch an Bord, um bei unerwarteten Vorkommnissen der Technik auszuhelfen, die noch in der Entwicklungsphase steckt.
Im Thermen-Ort Bad Birnbach gehören die knuffigen, roten Gefährte mit den großen Scheiben, die einer Handvoll Leute Platz bieten, seit 2017 in wachsender Zahl und Geschwindigkeit zum Stadtbild. Und bis 2025 soll das in Grafing auch der Fall sein, hofft Bürgermeister Christian Bauer (CSU). Dann soll der autonome Bus auf App-Abruf und als Teil des Öffentlichen Nahverkehrs mit rund 20 Stundenkilometern Passagiere zwischen Grafing-Bahnhof, dem Gewerbegebiet Schammach und der Innenstadt transportieren. „Die letzte Meile erschließen“, nennt das Bauer, also die Strecke vom Bahnhof, die weit wird, in Zeiten, zu denen kein Bus fährt. „Da ergeben sich ungeahnte Möglichkeiten für Oktoberfest-Besucher“, sagt der Bürgermeister augenzwinkernd.

Grafing als „Musterfall und Blaupause“
Die autonomen Busse sollen den Grafingern aber nicht nur als Vorwand dienen, beim Volksfest die eine oder andere Mass Bier mehr zu stemmen. „Grafing soll „Musterfall und Blaupause“ für selbstfahrende Verkehrsverbindungen werden, so Stefan Trometer vom Unternehmen Virtual City Systems, Teil der Cadfem-Gruppe. Diese hat sich unter anderem mit Experten der DB Regio und der Technischen Universität München zu dem entsprechenden Projekt namens PLIMOS zusammengetan – das ausgeschrieben den sperrigen Namen „Planung intermodaler Mobilitätsangebote basierend auf 3D-Simulationsmodellen“ trägt und Grafing in ein digitales Testfeld verwandeln soll. 2025 soll dazu sogar eine Veranstaltung im Rahmen der Internationalen Automobilausstellung IAA in Grafing stattfinden, sagt Bürgermeister Bauer.
Digitalisierung: Cadfem als Vorreiter
In Sachen Simulieren macht der Grafinger Softwareschmiede Cadfem kaum jemand was vor. Eine Fähigkeit, die im Fußball und bei Arbeitsunlust keinen guten Ruf hat, ist auf technischer Ebene weltweit gefragtes Know-how. Und so ist es kein Zufall, dass die Vorstellung des Grafinger PLIMOS-Projekts im Festzelt vor dem frisch eingeweihten Firmensitz im Schammacher Gewerbegebiet stattfand. „Wir wollen das digital begleiten“, sagt Firmengründer Günter Müller, dessen Unternehmensgruppe für Geräte von der Klospülung bis zum Fusionsreaktor-Protoypen alle erdenklichen digitalen Berechnungen anstellen kann – um etwas Bauteile und ganze Maschinen schon zu untersuchen, bevor sie teuer gebaut werden. Als „berufliche Hobbys“ bezeichnet Müller die Themen autonomes Fahren und CO2-freie Stadt.
Mit der Cadfem-Gruppe hat sich dafür auch die Firma Inyo des Taglachingers Markus Zwick zusammengetan und einen Prototypen einer Art selbstfahrenden, futuristisch wirkenden Kutsche gebaut, die zumindest als Computersimulation auf der großen Leinwand beim „Tag der Innovation und Tradition“ schon vor dem Grandauer-Gebäude, ehemaliger Sitz der Cadfem-Gruppe, am Grafinger Marktplatz parkt.

Tatsächlich mitfahren konnten die Besucher am Sonntag bei dem DB-Shuttlebus, der sie geräuschlos von einer Haltestelle zur anderen brachte. Zahlreiche der laut Stadt knapp 50 Unternehmen, die mittlerweile in dem Gewerbegebiet ansässig sind, hatten ihre Türen für Besichtigungswillige geöffnet. Während sie bleiben, verabschiedet sich der Stargast aus Bad Birnbach wieder Richtung Heimat – per Lkw, wie ein Bahn-Mitarbeiter schmunzelnd anmerkte. Es könnte bald ein Wiedersehen geben.
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