Steueroase im Forst: Landkreis zahlt wohl vorsorglich 23,5 Millionen Euro an München

Die plötzliche, teure Rückforderung aus der Steueroase im Ebersberger Forst sorgt für Katerstimmung in der Kreispolitik. Der Landkreis wird die 23,5 Millionen Euro zunächst wohl überweisen müssen.
- Millionen an Steuereinnahmen flossen bis vor rund 10 Jahren aus einer Steueroase im Ebersberger Forst an den Landkreis.
- Laut neuen Informationen aus dem Finanzamt steht das Geld aus den Briefkastenfirmen eigentlich der Stadt München zu.
- Nun ist der Ärger groß, vorsorglich zahlen wird der Landkreis aber die geforderten 23,5 Millionen Euro aber wohl dennoch.
Landkreis – Entsetzen brodelt schon einige Zeit in den nicht-öffentlichen Beratungen des Kreistags: Den eben erst festgezurrten Finanzplan des Landkreises Ebersberg droht ein 23,5-Millionen-Euro-Blitz zu sprengen. Einnahmen aus der seit Anfang der 2000er-Jahre bestehenden Steueroase „Seegrasstadel“ bei St. Hubertus im Ebersberger Forst stehen laut den Finanzbehörden nicht dem Kreis, sondern der Stadt München zu.
Angst vor teuren Zinsen: Landkreis wird wohl bald bezahlen
Wer sich in informierten politischen Kreisen umhört, bekommt Ratlosigkeit und Verärgerung zu hören. Und es dringt durch, dass der Landkreis die geforderte Millionensumme wohl früher berappen wird, als es den Entscheidungsträgern lieb ist: Aus der jüngsten nicht-öffentlichen Sitzung des Kreisausschusses hallt nach Informationen der Ebersberger Zeitung die Warnung vor ansonsten steigender Zinslast nach.
Von den geforderten 23,5 Millionen Euro beträgt der Zinsanteil jetzt schon 9,3 Millionen. Offenbar gilt ein Satz von sechs Prozent – und da die offene Rechnung auf die Jahre 2007 bis 2010 zurückgeht, tickt die Zins-Uhr lange schon. Die offenbar avisierte Lösung: zahlen unter Vorbehalt – und der vom Landrat angekündigte Gang vor Gericht. Robert Niedergesäß (CSU) selbst äußerte sich zu der im Raum stehenden Sofortzahlung auf Anfrage nicht. Doch er verspricht: Auf geplante Investitionen des Landkreises wirke sich die Millionen-Forderung nicht aus.
Stillschweigen, „bis die Presse davon Wind kriegt“
Stillschweigen über die drohende Nachzahlung hatten die eingeweihten Kreispolitiker vereinbart, „bis die Presse davon Wind kriegt“, sagt einer, der es wissen muss. Nach einer Anfrage der EZ war der Landrat an die Öffentlichkeit gegangen.
Anlass für das ganze Drama ist, dass die Finanzbehörden offenbar zu dem Schluss gekommen sind, dass ein Briefkasten an einem Stadel tief im Forst kein legitimer Firmensitz ist – und die dort niedergelassenen Leasingfonds, die unter anderem mit Anteilen an Flugzeugen handelten, ihre Steuern in Wirklichkeit der Stadt München geschuldet hätten, wo die eigentliche Betriebsstätte liege. Das hat die Politik nach all den Jahren kalt erwischt. Die Enttäuschung und Verwunderung über diese Kehrtwende eint die Fraktionen. „Man muss sich auf die Behörden verlassen können“, wettert etwa Martin Wagner, Sprecher der CSU-Fraktion im Kreistag. Schließlich sei das Modell schon bei seiner Einrichtung ausführlich geprüft und trotz Betriebsprüfungen behördlich nie beanstandet worden. Wagner hofft auf einen Sieg vor Gericht: „Mein Glaube an das Rechtssystem ist noch nicht ganz erschüttert.“
Das kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Erschüttert sind aber die Zukunftsaussichten. „Das kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt“, sagt der Ebersberger Wilfried Seidelmann, Fraktionssprecher der Freien Wähler. Jetzt gelte es, „zu retten, was zu retten ist“, um Schaden vom Landkreis abzuwenden. „Es hilft wenig, jetzt einen Schuldigen zu suchen“, sagt Seidelmann.
Angesichts der Coronakrise ist der Landkreis dabei, Investitionen zu verschieben und zu stornieren. 23,5 Millionen extra müsste die Kreiskasse wohl per Kredit stemmen. Dafür argumentiert Albert Hingerl, Fraktionssprecher der SPD im Kreistag. Sollte das mögliche Finanzloch weitere Auswirkungen auf wichtige Infrastrukturprojekte wie den „Masterplan Schulen“ haben, brocke sich der Kreis Folgekosten ein, die gravierender sein könnten als der jetzt drohende Schaden.
Grüne kündigen Prüfung an
Eine Mischung aus Verwunderung, Entsetzen und Angriffslust kommuniziert die Grüne Waltraud Gruber, Sprecherin der zweitstärksten Kreistagsfraktion. „Ganz seltsam“ nennt sie das Gebaren des Finanzamts. Momentan hätten die Kreistagsfraktionen noch zu wenig Informationen, um den Vorgang zu bewerten. „Wir müssen erst mal herausfinden, wo wir Akteneinsicht nehmen können“, sagt Gruber. Ihre Fraktion werde prüfen, ob und wo Landrat und Verwaltung das Kreisgremium korrekt informiert haben: „Seit dem Sparkassenskandal sind wir da vorsichtiger.“
Es ist übrigens keine rauschende Steuerquelle, die im Ebersberger Forst nun mit dem Beschluss, alle noch laufenden Verträge zu kündigen, versiegt. In den vergangenen zehn Jahren, so heißt es übereinstimmend, seien keine nennenswerten Einnahmen mehr geflossen.
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