Schon vor dem heißen Herbst: Kitas im Corona-Stress

Nach einem ruhigen Sommer herrscht in drei Kitas im Landkreis Ebersberg wieder Virus-Ausnahmezustand. Derweil gibt es eine Debatte über die Testpflicht fürs Personal.
Landkreis - Was für die Kleinen gilt, betrifft die Kleinsten bisher nicht. An den Schulen müssen sich Kinder und Lehrer regelmäßig auf das Coronavirus testen, sofern sie nicht dagegen geimpft sind. An den Kitas greift diese 3G-Regel nicht einmal beim Personal. Derweil herrscht in drei Einrichtungen im Landkreis Ebersberg nach einem ruhigen Sommer wieder Virus-Ausnahmezustand.
Weil etwa in der Kita Glockenturm in Kirchseeon ein Kind positiv auf Corona getestet ist, müssen laut Gesundheitsamt 25 Kinder in Quarantäne. Und drei aus dem Personal, die keinen Impfschutz haben. Für zehn Kinder gebe es eine Notbetreuung. Nur noch ein Kind könne diese derzeit in der Kita des Familienzentrums Poing beanspruchen – wegen eines Coronafalls unter den Kindern sind 21 weitere und zwei ungeimpfte Mitarbeitende in Quarantäne. In der „Wichtel Akademie“ Vaterstetten seien wegen zweier infizierter Kinder 20 weitere in Quarantäne – nur dort läuft der Betrieb laut Kreisbehörde für die restlichen Kinder regulär weiter. Einer Sprecherin des Trägers zufolge waren drei Betreuerinnen geimpft, die sonst als Kontaktpersonen gezählt hätten.
Betroffene können sich nach fünf Tagen „freitesten“
Immerhin: Entsprechend einer am Dienstag gelockerten Regelung können sich Betroffene laut Staatsregierung bereits nach fünf Tagen „freitesten“, statt zwei Wochen in Quarantäne zu verbringen.
Ein Rundruf bei Kita-Trägern aus dem Landkreis Ebersberg ergibt: Symptomatische Kinder müssen sich testen lassen, aber beim Personal steht und fällt das vorbeugende Testen und Impfen mit dessen guten Willen. Eine Impfpflicht gegen das Coronavirus gibt es bekanntlich nicht – und anders als an Schulen bei den Kitas keine Testpflicht. „Da habe ich überhaupt keine Handhabe“, sagt etwa Elisabeth Seibl-Kinzlmaier über die Durchsetzung einer 3G-Regelung. Sie ist Geschäftsführerin beim BRK-Kreisverband Ebersberg, der etwa ein Dutzend Kindergärten im Landkreis Ebersberg betreibt. Sie könne an ihre Mitarbeitenden nur appellieren, sich impfen zu lassen oder sich zu testen. Ein Großteil der Mitarbeiter sei geimpft, die BRK-Chefin beobachte zudem beim Testen eine „hohe Bereitschaft und Gewissenhaftigkeit“.
Mehr als 70 Prozent Impfquote nennt Gabriela Kemether, Geschäftsführerin bei „Kinderland Plus“, einem Kita-Träger aus Poing mit mehr als 15 Einrichtungen. Das wisse sie, weil die Immunisierung über die mobilen Teams des Impfzentrums in den Einrichtungen erfolgt sei. Eine offizielle Abfrage des Impfstatus ist Arbeitgebern bisher nicht erlaubt – die Bundesregierung plant aber eine entsprechende Regelung, unter die auch Kitas fallen würden. „Alles andere ist freiwillig“, sagt Kemether über das regelmäßige Testen.
Rauscher (SPD): Geltende Regelung unlogisch und fahrlässig
„Das ist nicht nur unlogisch, sondern auch fahrlässig“, findet die Ebersberger SPD-Abgeordnete Doris Rauscher. „An den Schulen geht es ja auch.“ Kleinkinder würden nicht geimpft. „Und gerade dort, wo wenig geimpft wird, muss umso dringender getestet werden“, argumentiert Rauscher. Die SPD fordere daher eine Testpflicht für das Personal in Krippen und Kitas. „Es ist wichtig, dass die Betreuung Vorfahrt hat“, sagt Rauscher. Dann gelte es aber, „außenrum die Sicherheit maximal hochzufahren“, sagt sie an die Adresse der Staatsregierung.
Eine an die 3G-Regelung angelehnte Testpflicht für ungeimpftes Kita-Personal würden BRK-Chefin Seibl-Kinzlmaier und „Kinderland Plus“-Geschäftsführerin Kemether mittragen genau wie Tanja Berghammer, Leiterin im derzeit betroffenen „Glockenturm“. Sie verweist darauf, dass sich ihr komplettes Personal ohnehin regelmäßig freiwillig teste. Eine Impfpflicht lehnen alle drei unisono ab – genau wie SPD-Politikerin Rauscher, die beim Impfen auf „Vernunft und Freiwilligkeit“ setze.
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Der EZ-Kommentar zum Thema: „Geiselhaft durch Egoismus“
Quarantänefälle in der Kita sind ein anschauliches Beispiel dafür, wie in der Coronakrise das Wohl vieler wegen des Egoismus weniger in Geiselhaft genommen wird. Weil wenige (ein Teil des Personals) sich nicht impfen lassen, müssen viele (Kinder und Eltern) mit Notbetreuung und Kitaschließung zurechtkommen.
Natürlich liegt die Impfentscheidung beim Einzelnen. Diejenigen, die nun ungeimpft in Quarantäne sitzen, sollten sich aber fragen, ob sie nicht den falschen Beruf gewählt haben. Denn ihre Verweigerungshaltung trifft diejenigen, die in der Pandemie ohnehin schon am meisten zurückstecken mussten: die Kinder. Eine Testpflicht für das Kitapersonal ist das Mindeste, um wenigstens einen grundlegenden Gesundheitsschutz für die ihnen Anvertrauten und deren Angehörige zu gewährleisten.
Aber gegen ständige Personalausfälle hilft nur Impfen – oder das Virus überstanden zu haben. Bis eins von beiden flächig eintritt, müsen Kinder und Eltern die ständige Ungewissheit aushalten, ob ihre Kita auch morgen wieder aufhat. Es könnte ein langer Winter werden.
Ein Meinungsbeitrag von Josef Ametsbichler