Wahlverdruss? Nein danke!

Über 130 Jugendliche aus dem Landkreis Ebersberg haben eine Wahldebatte mit allen acht Direktkandidaten besucht - und sich ordentlich eingemischt.
Markt Schwaben – Rote, gelbe und grüne Karten, ähnlich wie beim Fußball (ein „Grün“ gibt es da aber noch nicht) liegen auf den 150 Stühlen im katholischen Pfarrheim in der Webergasse in Markt Schwaben. Welche Bewandtnis es damit hat, wird gleich erklärt. Mit „Rot“ signalisiert jeder Besucher dem Auditorium insgesamt, dass er mit der gerade eben gehörte Aussage am Podium nicht einverstanden ist. „Grün“ steht für Zustimmung. Und „Gelb“ bedeutet so viel wie: „Du nervst mich mit dem, was ich da gerade höre. Bitte jetzt das Thema wechseln“.
Keine schlechte Idee, die der Bund der Katholischen Jugend (BDKJ) da hatte, als er am Mittwoch gezielt junge Leute, vorwiegend Erstwähler, in den Pfarrsaal einlud zu einer politischen Debatte, die es in dieser Konstellation in diesem Wahlkampf wohl nur einmal gegeben haben dürfte: Alle acht Direktkandidaten des Wahlkreises Ebersberg/Erding auf einem–- ohne Frage. Besonders dann wäre es eines gewesen, wenn das gestimmt hätte, was viele Erwachsene der jungen Generation von heute leichtfertig unterstellen; nämlich dass deren Interessen an Computer-Games, Tweets und Posts einer direkten Von-Mensch-zu-Mensch-Auseinandersetzung mit Argumenten bei Weitem übersteige.
Rund 150 politisch Interessierte sitzen und stehen im Saal, davon gut 130 Jugendliche aus dem gesamten Landkreis; die allermeisten Erstwähler. Desinteresse ist was anderes. Insbesondere, weil sie, die jungen Besucher, auch noch recht fragefreudig sind, ab und an direkt mit aufs Podium klettern oder aber munter weiße Zettelchen schreiben mit ihren ganz speziellen Wünschen und Anregungen. Es sind so viele, dass nur ein Bruchteil zur Sprache kommt.
Ein Erfolg für alle wird der Abend trotzdem. Weil Moderator Sebastian Appolt, BDKJ-Diözesanvorsitzender von München und Freising, den Ablauf recht souverän im Griff hat, betont auf Ausgewogenheit achtet und rigoros den Kandidaten ins Wort fällt, wenn das gesteckte Zeitlimit erreicht ist. Wann es mit den Statements und der oft genormt erscheinenden Politikersprache zu viel wird, signalisiert das Auditorium gerne mal mit den gelben Karten.
Die zur Sprache gekommenen Themen sind trotz der Kürze der Zeit vielfältig: Diesel-Skandal, öffentlicher Personennahverkehr, Europa, Renten, sogar die Pflege, soziale Ungerechtigkeiten, Flüchtlinge und Obergrenzen, Mieten oder die Situation im Ausbildungssektor. Alles sicherlich nur kurz angeschnitten, aber doch so weit besprochen, dass sich die jungen Wählerinnen und Wähler schon ein Bild davon machen können, wer wofür zu stehen scheint und wofür nicht.
Ach ja: Eine der gestellten Fragen der Jugendlichen sollte man dann doch als Beispiel noch mal nennen, weil alleine sie schon für Erheiterung im Saal sorgt. Jemand will sich speziell vom „Titelverteidiger“ Andi Lenz erklären lassen, was der unter Leitkultur versteht und ob es wirklich für alle erstrebenswert ist, so zu werden, wie wir sind.