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„So geht das nicht weiter“: Öko-Pionier (86) und seine vielen kleinen Schritte gegen den Klimawandel

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Von: Robert Langer

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Er fuhr schon mit einem Elektroauto durch die Gegend, da wussten andere noch nicht einmal, dass es diese Art der Fortbewegung gibt: Peter Kutzschenbach mit E-Auto vor seinem Haus in Vaterstetten.
Er fuhr schon mit einem Elektroauto durch die Gegend, da wussten andere noch nicht einmal, dass es diese Art der Fortbewegung gibt: Peter Kutzschenbach mit E-Auto vor seinem Haus in Vaterstetten. © SteFan Rossmann

Die Energiewende beginnt im Kleinen. Bei Menschen, die ihren Beitrag dazu leisten, ihren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Zum Beispiel Peter von Kutzschenbach (86) aus Vaterstetten. Ein Besuch.

Vaterstetten – Hinter nahezu jeder Tür im Keller des Hauses in Vaterstetten wartet eine neue Überraschung. Manches an den Anlagen mit den großen Wasser-Speicherkesseln, Rohren, Stromleitungen und in kühlem Grün leuchtenden elektronischen Steuereinheiten wirkt verwinkelt und übersichtlich. Aber Peter von Kutzschenbach (86) kann alles genau erklären.

Er drückt hier auf einen Bedienungsknopf auf einem Display, die Anzeige ändert sich und zeigt neue Daten, er holt dort eine ausgedruckte Tabelle von einem Tisch, die die Effizienz belegt. Es geht um Strommengen, Temperaturen und Wirkungsgrade. Der Hausarzt im Ruhestand ist ein Pionier in Sachen Nachhaltigkeit und Solarenergie. Er war bereits mit einem Elektroauto unterwegs, als die aktuelle Debatte noch gar nicht Fahrt aufgenommen hatte.

Auslöser war der Bericht des Club of Rome 1972

Auslöser war der Bericht des Club of Rome 1972, wie er heute erzählt. Experten verschiedener Wissenschaftsrichtungen aus über 30 Ländern hatten sich zusammen getan. Die Studie beschrieb die Grenzen des Wachstums. „Ich habe mir das damals sofort bestellt. Das waren 400 Seiten.“ Ihm sei bei der Lektüre klar geworden: „Das könne wir der Erde nicht zumuten. So geht das nicht weiter.“

Der Mediziner begann mit kleinen Schritten. Auf das Dach kam zunächst Solarthermie, also Wärme aus Sonnenergie. Mobilität war von Anfang an ein Thema. „Ich hatte damals einen Mercedes, der braucht rund 13 Liter Super auf 100 Kilometer. Dann haben wir erst einmal auf einen VW-Bus umgestellt.“ Sein erstes E-Auto erwarb er 1989, einen Ligier. „Das war das erste Elektroauto in Kleinserie. Die Prospekte habe ich heute noch.“ Die Bleiakkus wogen damals rund 550 Kilogramm. Dazu war für das Auto noch ein spezieller Rahmen notwendig, um das Gewicht tragen zu können.

Geladen wurden die Batterien am Haus in Vaterstetten zunächst mit günstigem Nachtstrom. Dann kam die erste Photovoltaikanlage, die auch Strom für das Auto produzierte.

NIcht nur ein Energie-Thema, auch eine Frage der Gesundheit

Für den Mediziner war es nicht nur ein Energie-Thema, sondern auch eine Frage der Gesundheit. Ein Verbrennerauto komme auf Kurzstrecken, beispielsweise bei den für ihn üblichen und wichtigen Patienten-Hausbesuchen nicht auf Betriebstemperatur, stoße aber sehr viele Schadstoffe aus. „Ich hatte einen Patienten, der an Asthma litt. Besonders schlimm war es bei Nebel, wenn sich die Schadstoffe in der feuchten Luft lösen.“ Der Patient war Ingenieur. Gemeinsam hätten sie an Lösungen getüftelt.

Tüftler ist von Kutzschenbach geblieben. Er hat viele „Tricks“ in seinem Haus umgesetzt. An den Bad- und Toilettenfenstern hat er ein mechanisches Feder-Laufwerk eingebaut, das am Rahmen befestigt ein geöffnetes Fenster automatisch nach etwa fünf Minuten zuzieht – man muss sich nicht mehr darum kümmern. Vergessen kann man das Zumachen auch nicht. Da wird ausreichend gelüftet, es geht nicht zu viel Wärme verloren. „So ein Laufwerk kostet etwas 20 Euro.“ Die Sauna im Keller hat er umgebaut. Der elektrische Heizstrahler wurde durch einen kleinen Holzofen ersetzt. „Statt viel Strom sind jetzt nur ein paar Scheite notwendig.“ Das gesamte Heizsystem wird neben den Solareinheiten auf dem Hausdach auch mit einem effektiven Holzbrenner im Keller, exakter ein Holzvergaserkessel, ergänzt. Dazu kommen mehrere große Wasserspeicher.

Vor steigenden Holzpreisen hat von Kutzschenbach keine Angst. Schon vor Jahren hat er sich ein Stück Wald gekauft, macht seinen Brennstoff mit 86 Jahren zum Teil noch selbst. „Das ist ein weiteres Hobby von mir. Es ist natürlich schon auch Arbeit“ Inzwischen hilft ihm ein Enkel.

Der 86-Jährige ist kein Klima-Purist

Der Mediziner ist kein absoluter Klima-Purist. Für den Holztransport verwendet er nämlich eine Ape 250, ein italienischer Kleintransporter auf Mopedbasis mit Zweitaktermotor, einem Vorderrad, zwei Hinterrädern und einer erstaunlichen Zuladefähigkeit. Das Gefährt mit seinen 60 Stundenkilometern Spitzengeschwindigkeit sei zwar nicht unbedingt so umweltfreundlich wie ein Elektrofahrzeug, mache jedoch Spaß, sagt von Kutzschenbach. „Da kann man im Wald Slalom fahren.“ Und die wenigen Kilometer pro Jahr, die er damit unterwegs sei, fielen nicht so stark ins Gewicht. Mit Holz wird an kühlen Abenden oder in der Übergangszeit der Kachelofen im Wohnzimmer geheizt. Den hat der Hausherr selbst konstruiert und gebaut. „Mit Hilfe und wichtigen Tipps von einem Ofenbauer“, wie er schmunzelnd ergänzt.

Es sind die vielen kleinen Lösungen, die im Haus auffallen. Die Waschmaschine ist an das Warmwassersystem angeschlossen. Vorteil: Es muss nicht aufgeheizt werden. Für den Balkon und die Terrasse gibt es vorhängbare Fenster, die ab Herbst bis zum Frühjahr angebracht werden können. Spart deutlich Heizenergie. Das Haus kühlt nicht aus. Das Gebäude Baujahr 1971 wurde schon vor zwölf Jahren vollwärmeisoliert.

Auf dem Dach das Hauses und der Garage stehen Kollektoren für Solarthermie und Paneele für Photovoltaik aus verschiedenen Generationen. Sie haben unterschiedliche Kreisläufe und werden unterschiedlich abgerechnet, die Einspeisung wird unterschiedlich vergütet. „Als ich die ersten Anlagen installiert habe, wurde ich teilweise bewundert und teilweise belächelt. Das hat mich immer amüsiert.“ Einer der Kommentare sei gewesen: „Mensch, sind Sie blöd.“ Damals kostete der Liter Heizöl noch 15 Pfennig. Doch die Preise stiegen immer mehr an.

Am Anfang waren die Anlagen sehr teuer, wurden aber immer preiswerter. Ich habe einige auch aus Bausätzen selbst gebastelt.

Peter von Kutzschenbach

Im Rückblick betrachtet hätten sich die Investitionen finanziell gerechnet, mehrfach sogar, weil keine Brennstoffkosten anfallen und die Sonnenenergie gratis kommt. „Am Anfang waren die Anlagen sehr teuer, wurden aber immer preiswerter. Ich habe einige auch aus Bausätzen selbst gebastelt.“ Derzeit produziere er etwa fünfmal mehr Strom, als er brauche. „Ich bin unabhängig.“ Das gebe ein gutes Gefühl. Mit der Abhängigkeit von externen Energielieferanten mache sich das Land erpressbar. Die Alternative sei dann unter anderem Atomstrom. Und das wolle doch kaum jemand.

In Bezug auf Elektromobilität ist der Pionier überzeugt, dass dies eine perfekte Lösung für kurze Strecken ist, bei längern Entfernungen ist er jedoch noch skeptisch, auch wegen der Umweltbilanz der Batterien. Er könnte sich eine Lösung mit Methan vorstellen.

Peter von Kutzschenbach hat viele Veränderungen kommen und gehen gesehen. Ihm sei klar, dass er mit einem eigenen Haus in einer hervorgehobenen Situation sei. „Ich kann in vielen Bereichen machen, was ich will.“ Für Menschen in einer Wohnung in München sei dies nicht so einfach.

Gefragt, warum so viele Entwicklungen immer noch so langsam liefen, obwohl die Bedrohung der Welt schon seit Jahrzehnten deutlich sei, meint er philosophisch und ironisch: „Der Überfluss macht träge. Der Einkaufswagen im Supermarkt ist voll, der Urlaub passt. Was soll man da ändern.“ Er jedoch ist immer noch am Überlegen und am Tüfteln. „Zufrieden mit dem Erreichten bin ich nie ganz.“

Zum Themenkomplex Energiewende im Kleinen finden Sie hier einen weiteren Artikel. Oder: Lukas Höger betreibt in Ingelsberg eine Mikrofarm. Noch mehr aus der Region Ebersberg lesen Sie hier. Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem neuen, regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.

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