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Sternenkind-Mama: „Dachte, ich habe meinen eigenen Sohn umgebracht“

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Von: Anna Liebelt

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Erinnerungen an ihr Sternenkind Luca hat Andrea Hefner mit Blumen an der Wand hängend: Sein Mützchen, eine Tafel und sein Geburtsarmband
Erinnerungen an ihr Sternenkind Luca hat Andrea Hefner mit Blumen an der Wand hängend: Sein Mützchen, eine Tafel und sein Geburtsarmband © Privat

Keine 24 Stunden war Sternenkind Luca auf der Welt. Das ist nun beinahe 18 Jahre her. Für Mutter Andrea Hefner (49) ein sehr schwerer Schicksalsschlag. Nun will sie anderen Betroffenen Mut machen und das Tabuthema Sternenkind endlich brechen.

Vaterstetten – Rundum glücklich saß Andrea Hefner (49) vor bald 18 Jahren beim Frühstück in einem Krankenhaus in Paris. Glücklich, weil sie in der Nacht zuvor ihren kleinen Sohn Luca auf der Welt willkommen heißen durfte. Alles schien perfekt, das Familienglück zum Greifen nahe. Doch ein Anruf änderte alles: Luca ist ein Sternenkind, er stirbt keine 24 Stunden nach der Geburt.

„Es war wirklich ein Schock“, erzählt die Vaterstettenerin heute von ihrem Schicksalsschlag. „Ich konnte es nicht fassen.“ Sternenkinder wie Luca, sind Kinder, die vor, während oder kurz nach der Entbindung sterben. In der Gesellschaft sind sie noch immer ein Tabuthema. Denn über Kinder, die direkt im Körper der Mutter oder so kurz nach der Geburt sterben, wird nicht gern geredet. Auch innerhalb der Familie nicht, sagt Hefner, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen Kreis zu brechen.

Andrea Hefner, Mutter eines Sternenkindes
„Ich sage, dass ich drei Kinder habe“, betont Andrea Hefner, deren erstgeborenes Kind kurz nach der Geburt verstarb. © Privat

Schwangerschaft und Geburt verliefen normal

Während ihrer Schwangerschaft mit Luca hätte nichts auf mögliche Probleme hingedeutet. Auch die Geburt sei gut verlaufen. „Er ist zwar ein bisschen zu früh gekommen, aber nicht dramatisch“, erinnert sich die 49-Jährige. Die Mitteilung, dass sich ihr neugeborener Sohn mit B-Streptokokken infiziert hat, sei für sie daher sehr überraschend gekommen. „Die Ärzte haben wirklich alles getan“, erzählt Hefner. Doch von der Diagnose bis zum Tod des Kindes vergingen nur wenige Stunden. „Wir haben ihn schweren Herzens bis zum Ende begleitet“, sagt die Frau, die später noch zwei Töchter zur Welt brachte.

Mutter war Überträgerin

Dass sich Luca gerade bei ihr angesteckt hat, verzieh sich Andrea Hefner lange nicht. „Ich habe gedacht, ich habe meinen eigenen Sohn umgebracht“, betont sie. Die Selbstvorwürfe, für den Tod ihres Kindes verantwortlich zu sein, zermürbten die junge Frau. Vor lauter Verzweiflung wandte sich Hefner an ihren Gynäkologen. Doch der habe sich nicht mit ihr und ihrem Schicksal befassen wollen. „So schnell wie ich in der Praxis war, war ich auch wieder draußen“, erinnert sich die Vaterstettenerin. Und auch im Rückbildungskurs erfuhr sie, umrundet von glücklichen Müttern mit gesunden Kindern, wenig Hilfe. „Ich hätte mir mehr Unterstützung gewünscht“, resümiert die 49-Jährige heute. „Die Ärzte haben mich einfach nach Hause geschickt, Kontakte zu Anlaufstellen oder Psychologen habe ich nicht bekommen.“

Wieder glücklich sein war eine bewusste Entscheidung

Kraft zog Hefner in dieser schweren Zeit vor allem aus ihrer Familie in Deutschland und einem Schlüsselerlebnis: Gut ein dreiviertel Jahr nach dem Tod von Luca hatte Hefner einen Lachanfall. „Im ersten Moment dachte ich mir: Oh Gott, ich darf nicht lachen“, erinnert sie sich. „Aber das tat gut, das hat mich glücklich gemacht, endlich wieder lachen zu können.“ So entschließt sie ganz bewusst, sich mit ihrer traumatischen Erfahrung auseinanderzusetzen. „Eine Trauerphase ist sehr wichtig“, erklärt Hefner. Genauso wichtig sei es jedoch, sich wieder zurück zu erinnern: Was hat mich davor erfüllt? Was hat mich glücklich gemacht? Während Andrea Hefner diesen Weg allein meistern musste, helfen Betroffenen heute bestimmte Anlaufstellen, wie die Klinikseelsorge der Kreisklinik Ebersberg, Selbsthilfegruppen oder die Sternenkindersprechstunde in München. Letztere unterstützt Hefner, damit Sternenkinder keine Tabuthemen bleiben.

Zur Erinnerung ließ sich Andrea Hefner ein Tattoo auf den Unterarm stechen

„Ich selbst gehe offen damit um und sage auch, dass ich drei Kinder habe.“ Für sie ist Luca ein Teil ihres Lebens und somit auch ein Teil der Familie. Die Erinnerung an ihn bleibt. Ob in Form von Bildern, dem Geburtsarmband oder dem Tattoo, das sich die 49-Jährige extra hat stechen lassen.

Für jedes ihrer drei Kinder hat sich Andrea Hefner einen Schmetterling auf den Unterarm stechen lassen. Der große Schmetterling steht für ihren verstorbenen Luca.
Für jedes ihrer drei Kinder hat sich Andrea Hefner einen Schmetterling auf den Unterarm stechen lassen. Der große Schmetterling steht für ihren verstorbenen Luca.  © Privat

Damit Sternenkinder keine Tabuthemen mehr sind: 49-Jährige nimmt an „Mammutmarsch“ teil

Und zu Lucas kommenden 18. Geburtstag am 30. März möchte Andrea Hefner am „Mammutmarsch“ in München teilnehmen. Ihm zu Ehren will die 49-Jährige 30 Kilometer laufen und so die Öffentlichkeit auf das Thema Sternenkinder aufmerksam machen und betroffenen Eltern zu zeigen, „sie sind nicht allein“.

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