Dressurpferd „Werni“ nach fünf Spritzen „wertlos“: 800.000-Euro-Klage gegen Klinik

Das Dressurpferd „Werni“ war nach einer Behandlung in der Parsdorf nicht mehr einsatzfähig. Nun folgt vor dem Landgericht München II.
Parsdorf – Vier bis fünf Mal in der Woche fährt Julia Lebe (28) zu ihrem geliebten braunen Wallach „Sanwero 2“, den sie liebevoll „Werni“ nennt, nach Brunnthal. Sie füttert ihn, pflegt ihn, reitet mit ihm aus. Doch wenn sie sieht, wie die anderen Reiterinnen mit ihren Pferden trainieren, dann geht es ihr schlecht, erzählt sie. Denn die bekannte Dressurreiterin, die gerade in Literaturwissenschaft promoviert, kann selbst nicht mehr mit ihrem Werni trainieren – weil er nicht mehr belastbar ist, seit er an einer Sehnenscheidenentzündung am rechten Vorderbein leidet.
Vorbei ist die Zeit, in der sie auf Turnieren in der höchsten Klasse mit dem Wallach erfolgreich war. Die Schuld daran gibt sie der Pferdeklinik in Parsdorf (Gemeinde Vaterstetten). Diese habe das Dressurpferd falsch und zu spät behandelt. Deshalb sei der 13 Jahre alte Wallach nicht mehr einsatzfähig. Und damit habe er auch seinen Wert verloren.
Dressurpferd „Werni“ hatte 2017 einen Marktwert von bis zu 900 000 Euro
Laut Julia Lebe hatte das Tier im November 2017 einen Marktwert von 850 000 bis 900 000 Euro. Deshalb fordern Lebe und ihr Vater, der offiziell der Kläger ist, vor dem Landgericht München II Schadenersatz in Höhe von rund 820 000 Euro von der Pferdeklinik in Parsdorf. Die Klinik weist die Vorwürfe zurück.
„Sanwero 2“ hat einen in Reiterkreisen bekannten Stammbaum vorzuweisen. Väterlicherseits geht es auf den international bekannten Dressurvererber „Sandro Hit“ zurück, mütterlicherseits auf den Dressurstempelhengst „Donnerhall“. Und diesem Stammbaum machte er alle Ehre.
Nach Injektionen in Pferdeklinik: Tier nun „unbrauchbar und mithin wertlos“
Doch irgendwann begann er zu lahmen. Die Ursache ist bis heute nicht genau bekannt. Nach ersten Untersuchungen im Stall brachte Julia Lebe das Tier 2018 in die Pferdeklinik in Parsdorf. Dort bekam es fünf Injektionen, sogenannte Stauungsantibiosen. Dabei wird ein Antibiotikum direkt in die betroffene Stelle eingespritzt und verbleibt dort eine Weile.
In der Klageschrift heißt es nun, die Klinik habe die Injektionen ohne tiermedizinische Indikation vorgenommen. Die angewendete Stauungsantibiose habe nicht dem tierärztlichen Standard entsprochen. Infolge der fehlerhaften Behandlung habe sich eine Sehnenscheidenentzündung entwickelt, sodass das Pferd nun „unbrauchbar und mithin wertlos“ sei.
Verhandlung am Landgericht: Professorin für Pferdemedizin sorgt mit Gutachten für Klarheit
Um der Sache auf den Grund zu gehen. hat der Vorsitzende Richter Johannes Brose ein Gutachten in Auftrag gegeben. Bei der Verhandlung am Landgericht wird die Gutachterin, eine Professorin für Pferdemedizin, per Video zugeschaltet – ebenso wie der Anwalt der Klinik. Sie widerspricht der Klageschrift – und entlastet damit die Klinik. Die Stauungsantibiose sei durchaus indiziert gewesen. Die Methode sei auch anerkannt und werde an Universitäten angewandt, etwa in der tiermedizinischen Fakultät in München.
„Die Methode ist die am wenigsten invasive“, sagt die Professorin. Und sie sei auch „lege artis“, also nach den Regeln der Kunst, durchgeführt worden. Eine orale Gabe von Antibiotikum wirke in schlecht durchbluteten Regionen wie den Pferdefüßen nur schlecht. Der Zusammenhang der Behandlung mit der Infektion ist derweil klar: „Ohne Behandlung wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Infektion entstanden.“
Verhandlung um Dressurpferd: Reiterin will nur, dass es Pferd „Werni“ gut geht
Deshalb geht es auch noch um die Frage der Aufklärung, sprich darum, ob der Besitzerin klar gemacht wurde, dass es zu einer Infektion kommen kann. Allerdings ist es laut Richter so, dass es zu diesem Thema in der Pferdemedizin – anders als in der Humanmedizin – keine Aufklärungspflicht gibt.
Der Klägeranwalt Burkhard Oexmann kann sich nun noch einmal schriftlich zu dem Gutachten der Medizinerin äußern. Doch es geht um mehr als das Geld: „Julia Lebe ist ein Pferdemädel, eine bekannte Dressurreiterin. Da hängt die Seele dran“, sagt er. Lebe nickt. Ihr geht es nun darum, dass Werni keine Schmerzen hat und sich wohlfühlt. „Wir waren lang genug Sportpartner. Jetzt hat er es verdient, dass er’s gut hat.“ Der Richter entscheidet im November, wie es im Prozess weitergeht.
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