Weihnachtsmann: Kopf ab!

Zorneding - Hinter jedem großen Wort stecken unzählige Geschichten. Martin Bauer kämpft für die Tradition. Sein Feind: pausbäckige Weihnachtsmänner aus Schokolade. Sein Freund: der ehrwürdige Schoko-Nikolaus. Seine Mission: Supermärkte von der Witzfigur mit Zipfelmütze befreien.
Eigentlich ist Martin Bauer ein friedliebender Mensch, aber alle Jahre wieder ärgert er sich. Jedes Mal, wenn er in der Vorweihnachtszeit einkaufen geht, muss er sehen, wie sie in Reih und Glied die Supermarktregale bevölkern: kleine Weihnachtsmänner in roten Mäntelchen, süße Schokolade in buntem Papier. Und jedes Mal, wenn Bauer an diesen Schoko-Weihnachtsmännern vorbei geht, muss er sich ganz schön zusammen reißen. „Ein lächerlicher Wicht“, schnaubt er verächtlich, „ein verkleideter Gartenzwerg! Hässlich und absolut inflationär!“
Bauer ist ein gemütlicher Bayer mit Bart und weichem Akzent, und außerdem ist der Zornedinger der Vorsitzende des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte. Als solcher sorgt er sich nicht nur um den Erhalt der bayrischen Mundart, sondern der christlichen Tradition ganz überhaupt. Durch und durch unchristlich aber, sagt Bauer, sei dieser pausbackige Weihnachtsmann, dieser – und hier wird sein Tonfall noch ein bisschen schärfer –, „dieser Santa Claus“, diese Witzfigur mit Zipfelmütze, die amerikanische Wurzeln hat und mit dem altehrwürdigen Nikolaus nicht mehr viel zu tun. Eine Werbefigur, die hier im katholischen Bayern, bittschön, nichts zu suchen habe. Denn der echte Nikolaus war ein Mann Gottes.
Bischof Nikolaus von Myra lebte im 4. Jahrhundert in der heutigen Türkei: Ein Mann der Gerechtigkeit, der in Not Geratenen zu Hilfe kam und mit der Zeit als einer der wichtigsten Heiligen angesehen wurde. Ein starker Schutzpatron, der auch mal strafen konnte und dem noch heute, findet Bauer, ein gewisser Respekt gebührt. Doch seinen Anfang nahm das Unglück schon mit der Reformation: Martin Luther höchstselbst schuf für die Protestanten die Bescherung am Nikolausabend ab, um dem katholischen Heiligenkult einen Riegel vorzuschieben. Einmal angekratzt, waren die alten Vorstellungen anfällig geworden. Und als die Werbung Weihnachten für sich entdeckte, wirkte der alte Nikolaus plötzlich zu streng, zu seriös für das fröhliche Fest. Statt dessen schlich sich über die Jahre der amerikanische Weihnachtsmann ein, der, so Bauer, „vom Coca Cola abstammt“ – und der sich besser vermarkten ließ, weil er bunter, niedlicher und obendrein säkular war: „Mit dem kann halt einer aus dem Norden genauso was anfangen wie einer aus dem Süden.“
Schuld an dem Schlamassel, sagt Bauer, seien deshalb ein bisschen die Evangelen, vor allem aber die Werbeunternehmen – und außerdem die Schokoladenindustrie, die sich partout weigert, Rücksicht auf die besonderen bayrischen Befindlichkeiten zu nehmen. Dabei liegt das Gute so nah: „In Österreich wird der klassische Nikolaus viel stärker nachgefragt als bei uns“, sagt Bauer. Mittlerweile habe sich gar ein regelrechter Handel entwickelt: „Es gibt Leute, die fahren rüber und kaufen die Nikoläuse kistenweise, um sie dann auf bayrischen Adventsmärkten zu verkaufen.“ Aber die großen Schoko-Unternehmen unterschieden halt noch immer zwischen einem deutschen – „und da gehört Bayern leider Gottes auch dazu“ – und einem österreichischen Markt. Dennoch ist Bauer optimistisch. „Wir haben interveniert und Aufklärungsarbeit geleistet“, sagt er, „und die Proteste nehmen zu.“ Mittlerweile seien schon wieder vermehrt Nikoläuse in den Supermärkten zu finden. Vermehrt, doch lange nicht genug: Die Brauchtumsschützer wollen so schnell keine Ruhe geben, sie schreiben Artikel, Rundbriefe und klären weiter auf.
Bauer ist zufrieden mit dem bisherigen Erfolg. Dem Wicht, sagt er, blase inzwischen ein gehöriger Wind ins Gesicht.
Von Carina Braun