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Geschichtswerkstatt Dorfen jetzt ein Verein

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Von: Michaele Heske

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Der Vorstand des neuen Vereins Geschichtswerkstatt Dorfen (v.l.): Hans Elas, Doris Minet, Schorsch Wiesmaier, Monika Schwarzenböck, Peter Willim und Heidi Oberhofer-Franz. Lernen aus der lokalen Geschichte
Der Vorstand des neuen Vereins Geschichtswerkstatt Dorfen (v.l.): Hans Elas, Doris Minet, Schorsch Wiesmaier, Monika Schwarzenböck, Peter Willim und Heidi Oberhofer-Franz. Lernen aus der lokalen Geschichte © Michaele Heske

Dorfen - Schorsch Wiesmaier ist Vorsitzender des neuen Vereins. Er ärgert sich über Montagsspaziergänger, die einen Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ tragen. Das sei eine „eine haarsträubende Dummheit, damit werden Millionen ermordeter Menschen verhöhnt“.

Dorfen – Aus einer Interessengemeinschaft hat sich jetzt ein gemeinnütziger Verein konstituiert: Die Mitglieder der Geschichtswerkstatt Dorfen wollen künftig auf bereiter Basis forschen – im Zentrum steht dabei, wie gehabt, die Zeit des Nationalsozialismus.

Was geschah, kann wieder passieren – vor allem dann, wenn Geschichte nicht aufgearbeitet, vergessen oder bagatellisiert werde, sagt Schorsch Wiesmaier, Vorsitzender des neuen Vereins „Geschichtswerkstatt Dorfen.“ Der pensionierte Lehrer und Lokalhistoriker ärgert sich über die „Montagsspaziergänger“, von denen etliche einen Button mit der Aufschrift „ungeimpft“ tragen, ähnlich des Judensterns. „Das heißt, es gibt Impfgegner, die sich verfolgt fühlen, so wie damals die Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit. Das ist eine haarsträubende Dummheit, damit werden Millionen ermordeter Menschen verhöhnt.“

Lernen aus der lokalen Geschichte

Ein Beispiel, das zeige, wie wichtig der Blick zurück sei – aber auch der Blick nach vorn. Schließlich spiegele sich Weltgeschichte stets auch vor der eigenen Haustüre wider – aktuell, sowie historisch gesehen: „Wir wollen von Menschen erzählen, die sich tatsächlich gegen Unterdrückung und Unfreiheit gewehrt haben. Es gab sie zu allen Zeiten, auch hier in unserer Nähe“, erklärt Schorsch Wiesmaier.

Dabei stehe bei der Forschung nicht die Perspektive der Herrschenden im Mittelpunkt, sondern die der hiesigen Opfer, die sich gegen das NS-Regime stellten. Aber auch auf den Mitläufern und Profiteuren, deren Taten nach wie vor tabuisiert werden und nach denen sogar Straßen benannt wurden, liege der Fokus der Dorfener Geschichtswerkstatt. Wiesmaier verweist dabei auf den Schriftsteller Josef Martin Bauer oder den Nazi-Bürgermeister Georg Erhard: „Vieles aus der Zeit zwischen 1933 bis 1945 wird verfälscht dargestellt.“

Die Vereinsgründer Wiesmaier, Hans Elas und Heidi Oberhofer-Franz, ebenfalls Vorsitzende der Geschichtswerkstatt, sind studierte Pädagogen und interessieren sich sozusagen schon von Berufswegen für historische Themen. Doris Minet, Monika Schwarzenböck sowie Bettina Kronseder hingegen hatten einen ganz anderen Zugang zur lokalen Geschichte Dorfens. „Wir haben nach Vorbildern gesucht, nach Männern und Frauen, die hier für Toleranz gekämpft und Zivilcourage bewiesen haben“, erklären die drei Dorfenerinnen, Gründungsmitglieder des Aktionsbündnisses „Dorfen ist bunt“.

Dabei stieß das Trio auf die „Displaced Persons“. „Jahrzehnte lang wurde geschwiegen, fast schon ein Geheimnis daraus gemacht, dass nach dem Krieg Juden in Dorfen gelebt haben“, sagt Doris Minet. Immerhin haben zeitweise 300 osteuropäische Juden als DPs, also Flüchtlinge, nach dem Zweiten Weltkrieg im damaligen Markt Dorfen gelebt. Ihre Forschung veröffentlichten sie in dem Buch: „Wie kam der Davidstern nach Dorfen?“

Seither ist Schwarzenböck auf Spurensuche: „Wir haben gehobelt, und dabei sind Späne abgefallen“, erklärt die ehemalige Krankenhausseelsorgerin. Daraus resultieren immer wieder neue Ansätze, die auch für die Zukunft von Bedeutung sind. Denn aus der lokalen Geschichte könne man lernen, wie „Konflikte entstehen, warum Minderheiten unterdrückt werden.“ Erschreckende Tendenzen, die Schwarzenböck auch heute wieder sieht.

Der Verein, der Mitglieder sucht, hat seine „Werkstatt“ nun im der ehemaligen „Soafa“ eingerichtet. Hier werden künftig Filme gezeigt, Veranstaltung abgehalten, und vor allem wird weiter geforscht. Etwa über „Verbotene Liebe“, dem Schicksal von Frauen, die Beziehungen zu Zwangsarbeitern hatten, oder nach Euthanasie-Opfern und KZ-Häftlingen aus Dorfen, die während der Nazizeit ermordet wurden. Weiter Infos: https://geschichtswerkstatt-dorfen.de

(Michaele Heske)

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