Lehrermangel und digitale Ungerechtigkeit an den Gymnasien

Bei einem großen Treffen von Elternbeiräten aus ganz Bayern muss sich Kultusminister Michael Piazolo Kritik anhören.
Dorfen – Kritik an der bayerischen Bildungspolitik musste sich Kultusminister Michael Piazolo am Samstag im Gymnasium Dorfen anhören. Dort trafen sich weit über 100 Elternbeiräte aus Bayern zu einem Workshop über Bildungsgerechtigkeit, um „zukunftsweisende Wege am Gymnasium“ und über den Stand der Digitalisierung sowie über den wachsenden Lehrermangel zu diskutieren. Eingeladen hatte die Landes-Eltern-Vereinigung an Gymnasien in Bayern (LEV).
Nicht jede Schule stehe so gut da wie die Gymnasien im Speckgürtel großer Städte, bemängelte LEV-Vorsitzende Birgitt Bretthauer. Das fange bei den Schulsozialarbeitern an, die immens wichtig seien: „Wegen der Pandemie brauchen viele Kinder und Jugendliche mehr Unterstützung, andererseits gibt es auch Schüler aus der Ukraine, die mittlerweile in Brückenklassen gehen.“
Auch das Reisekosten-Budget der Schulen müsse überdacht werden, so die Elternvertreterin des Gymnasiums bei St. Stephan in Augsburg. Ausflüge und Klassenfahrten könnten oft nicht mehr gestemmt werden. Viele Schulen hätten keine zahlungskräftigen Fördervereine, die Drittmittel zuschießen.

Ein weiteres Thema war der Lehrermangel. Die Qualität des Unterrichts müsse erhalten bleiben, keine Stunden dürften gekürzt werden, forderte Bretthauer und setzt auf zusätzliche qualifizierte Quer- und Seiteneinsteiger im gymnasialen Betrieb.
Nicht zuletzt stand die Digitalisierung auf der Agenda. „Hier herrscht nach wie vor eine ganz große Ungerechtigkeit – die Diskrepanz in den einzelnen Gymnasien ist immens.“ Das bestätigte der Kultusminister: „Wir sind digital nicht dort, wo wir sein wollen, haben vieles verschlafen. Aber es lag an Corona, dass sich in diesem Bereich seither viel bewegt hat.“
Die Zahl von Laptops und Tablets an den Schulen werde sukzessive aufgerüstet, allein 1000 Stellen seien für die Rückkehr zum G9 reserviert. Schließlich geht das neue Abi-Modell in die Zielgerade, die ersten Schüler wechseln 2024 in die zwölfte Klasse. „Unser Ziel sind gerechte Bedingungen – politische und digitale Bildung stehen gleichermaßen wie Wissenschaft auf dem Lehrplan“, erklärte der FW-Politiker.
Der Minister stellte sich der anschließenden Diskussion. Einem der Elternvertreter fehlte Demut im Statement von Piazolo, denn die Politik habe während der Pandemie große Fehler gemacht, die Schüler und deren Familien bis heute ausbaden müssten.
Diesen Vorwurf wies der Kultusminister zurück, denn die Regierung sei sich ihrer Verantwortung stets bewusst gewesen, habe als „Team Vorsicht“ aber der Gesundheit statt der Bildung den Vorrang gegeben. Für die Argumentation gab es viel Zustimmung im Publikum.
Das bayerische Abitur, die bayerischen Standards seien ein Begriff, erklärte der Staatsminister. „Ich bin zutiefst beeindruckt, was an den Gymnasien geleistet wird.“ Er sei ein Verfechter des Bildungsföderalismus, auch wenn in anderen Bundesländern die Schüler das Abitur leichter bekämen: „Wir machen beim bayerischen Qualifikationsniveau keine Abstriche“, versprach der FW-Politiker.
Den Begriff „verlorene Generation“, der in der Pandemie geprägt wurde, lehne er schlichtweg ab, sagte Piazolo. „Nichts ist verloren. Es geht ja bei den Schülern nicht nur um Wissen, sondern auch um Kompetenzen.“ Beispielsweise die Fähigkeiten, die eigene Arbeit zu präsentieren: „Das haben die Schüler früherer Generationen nicht geschafft, ich erlebe Jugendliche, auf die wir sehr stolz sein können.“
Dieses Gefühl mag auch Schulleiter Markus Höß gehabt haben, als er das Dorfener Gymnasium den Gästen vorstellte, darunter viele Politiker und Honoratioren aus dem Landkreis. Zuvor zeigten nämlich Bigband und Bayerische Bläsergruppe unter der Leitung der Musiklehrer Wolfram Heinzmann und Irmgard Bauer, wie gewohnt eine perfekte Performance ihres Könnens.
Höß verwies auf das immens große Angebot an der Schule, sei es im künstlerischen, musikalischen aber auch sprachlichen und naturwissenschaftlichen Bereich, darunter auch eine „Forscherklasse“, in der in enger Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München gerade Schülerinnen gefördert werden.
Das Gymnasium Dorfen sei Inklusionsschule, es gebe zudem Schulsozialarbeit, betonte der Oberstudiendirektor. Auch lege man Wert auf Teamarbeit, in enger Zusammenarbeit mit dem Lehrkörper, den Eltern und Schülern. Das konnte Simon Dörr, Vorstitzender des Elternbeirats, nur bestätigen. „Aber“, fügte er an, „nur zehn Elternbeiräte haben sich zur Wahl gestellt. Und das bei 950 Schülern, die das Gymnasium derzeit besuchen.“ Dabei sei die offene Kommunikation ein wichtiges Element, um den Bildungsstandard zu erhalten. Dafür gab es Applaus.
„Das war eine sehr konstruktive Veranstaltung“, fasste Wolfgang Lanzinger, stellvertretender Schulleiter des Dorfener Gymnasiums, abschließend zusammen.