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Zwischen Dorfener Patienten und Dr. Google

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Von: Timo Aichele

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Unzählige Magenspiegelungen hat Dr. Emil Rudolf in seiner Karriere durchgeführt. Für unser Pressefoto assistiert ihm Irmi Kobeck.
Unzählige Magenspiegelungen hat Dr. Ludwig Rudolf in seiner Karriere durchgeführt. Für unser Pressefoto assistiert ihm Irmi Kobeck. © Aichele

Dr. Ludwig Rudolf hat viel erlebt in seiner beruflichen Laufbahn. Am MVZ in Dorfen geht er nun in Ruhestand. Ein Interview.

Dorfen – „Dr. Rudolf“ ist quasi eine Traditionsmarke in Dorfen. Nach Dr. Emil Rudolf sen. ist die Eishalle benannt. Der Anfang 2009 verstorbene ESC-Gründer war Tierarzt, seine beiden Söhne haben sich der Humanmedizin verschrieben. Im Team mit weiteren Ärzten führen Dr. Rudolf und Dr. Rudolf gemeinsam das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) am Dorfener Krankenhaus. Nun geht der ältere Bruder, Dr. Ludwig Rudolf, in den Ruhestand – zumindest teilweise.

Der 68-Jährige ist seit 1979 Arzt, die längste Zeit davon in seiner Geburtsstadt Dorfen. Hier kennt man ihn auch als Kommunalpolitiker, seit der Wahl 2020 ist er Vize-Bürgermeister. In seinem Geburtskrankenhaus arbeitet Rudolf weiter als Chefarzt für Gastroenterologie. Diesen Posten wird er weiter in Teilzeit ausfüllen. Er begleitet die Klinik in einem vom Landkreis angestoßenen Umstrukturierungsprozess, der unter anderem den Aufbau einer Geriatrie zum Ziel hat.

An den Nagel hängt Rudolf hingegen seinen Job als einer von sechs Gesellschaftern des MVZ Dorfen. Dieses war 2005 aus einer Praxisgemeinschaft hervorgegangen, die ihren Ursprung in der Allgemeinarztpraxis des jüngeren Bruders Dr. Emil Rudolf jun. (heute 67) am Rathausplatz hat. Dort stieg Dr. Ludwig Rudolf 1992 nach ärztlichen Tätigkeiten in Bremerhaven, Burghausen und Erding ein – die Heimkehr nach Dorfen.

Ludwig Rudolf ist seit 1976 verheiratet mit seiner Frau Monika. Gemeinsam haben sie die Kinder Christine, Florian und Hannah sowie vier Enkel. Tochter Hannah tritt in die medizinischen Fußstapfen ihres Vaters. Sie arbeitet als Assistenzärztin in der Neurologie des Klinikums in Großhadern.

Im Interview spricht Dr. Ludwig Rudolf über seinen Werdegang und darüber, wie sich der Beruf des Mediziners verändert hat.

Herr Dr. Rudolf, Sie arbeiten in Ihrer Geburtsstadt. Wie ist es im Alltag mit Nähe und Distanz zu Ihren Patienten?

Man kann sich im Privaten nicht so abschotten. Aber das ist auch gut so. In der Facharzt-Medizin ist das sowieso nicht so stark ausgeprägt. Als Hausarzt ist man da sicher viel stärker im Fokus. Bereut habe ich es nie, nach Dorfen zurückzukommen. Es war schon ein Vorteil, dass man wieder zu den Ursprüngen zurückkehrt und man an Verbindungen anknüpfen kann. Außerdem bin ich ja auch im Dorfener Krankenhaus geboren. Da hat man auch eine emotionale Bindung zu diesem Haus.

Hat sich in all den Jahren etwas im Verhältnis zwischen Medizinern, Mitarbeitern und Patienten geändert?

Man muss grundsätzlich sehr kooperativ arbeiten, gegenüber den Mitarbeitern wertschätzend sein und den Patienten als selbstständig entscheidendes Individuum annehmen. Die nicht hinterfragte Autorität früherer Ärzte gibt es heute nicht mehr.

Haben Sie das noch erlebt?

In meiner Anfangszeit als Arzt war das gerade bei älteren Patienten eher der Fall. Jetzt muss man sein Handeln stärker erklären.

Heutzutage befragen ja viele Patienten Dr. Google und kommen dann mit einer Diagnose im Kopf in die Praxis. Müssen Sie oft gegen vorgefasste Laien-Meinungen ankämpfen?

Dadurch, dass ich eine solche Spezial-Disziplin vertrete, kann man als Facharzt schon einen Informationsvorsprung halten. Auf der anderen Seite gibt es ja auch sehr viele sinnvolle Informationen im Internet. Und ich verweise die Patienten auch selber auf bestimmte Seiten.

Beschäftigen sich Patienten auch zu viel mit solchen Internet-Informationen, so dass sie dann übermäßig nervös werden?

Ja. Das Problem ist, dass im Internet manchmal die sehr schweren und dramatischen Verläufe im Vordergrund stehen. Patienten, die auf solche Seiten gehen, sind dann verunsichert. Da muss man die Leute halt beruhigen und informieren.

Hat das in der Corona- Pandemie eine neue Qualität erreicht?

Sehr unterschiedlich. Es gibt auf der einen Seite sehr ängstliche Menschen und auf der anderen Seite Leute, die das bagatellisieren. Organisatorisch müssen wir dem mit Schutzmaßnahmen begegnen – Isolation, Masken, Abstand. Das macht das Arbeiten sehr viel umständlicher und langwieriger.

Sie sind jetzt schon seit Jahrzehnten Arzt. Was waren Höhepunkte dieser Laufbahn?

Medizinisch war das sicher die Gründung des MVZ und die Übernahme der Chefarzt-Tätigkeit der Klinik Dorfen. Und im beruflichen Alltag freut man sich halt, wenn man den Menschen helfen kann. Wir haben sehr viel Diagnostik, was Tumorerkrankung anbelangt. Da freut es einen natürlich sehr, wenn Patienten so schwere Erkrankungen ohne Schaden überstehen. Wir arbeiten ja nah am Menschen.

War das auch ein Grund, diesen Beruf zu ergreifen?

Sicher geht es darum, Menschen zu helfen. Zudem ist es ein sehr interessantes und vielfältiges Fach mit großen Herausforderungen. Es fordert einen sehr intensiv –emotional und auch zeitlich. Man muss sehr viel Zeit und Energie investieren.

Gab es Momente, in denen diese Beanspruchung zu viel wurde?

So eine Krise, in der ich gesagt hätte, ich will jetzt alles hinschmeißen, habe ich nie gehabt. Ich bin ja auch noch groß geworden in einer Zeit, in der die Arbeitszeiten sehr viel länger waren. Wir waren Tag und Nacht, das ganze Wochenende nur im Krankenhaus – das waren schon grenzwertige Belastungen. Das schafft man nur, wenn man jung und hochmotiviert ist. Auf die Dauer ist das nicht leistbar.

Welche Eigenschaften muss man neben der Belastbarkeit für diesen Beruf noch mitbringen?

Das ist eine Mischung aus Empathie und Distanz. Man muss ein gewisses Verständnis für die Menschen haben, aber auch eine professionelle Distanz, damit einem die Sachen nicht zu nahe gehen. Sonst verschleißt man sich.

Sie bleiben Chefarzt. Werden Sie dann tatsächlich auch weniger arbeiten?

Ich bin ja jetzt schon Teilzeit-Chefarzt. Meine Vollzeitstelle ergibt sich dann zusammen mit der Tätigkeit am MVZ.

Was heißt für Sie momentan mit ihren zwei Jobs „Vollzeit“ in Stunden?

Mei, 50 bis 60 Stunden.

Das ist im Alter von 68 Jahren durchaus anstrengend, oder?

Na ja... Es ist Gewohnheitssache. Aber für die Familie ist natürlich immer die Zeit knapp gewesen. Immerhin sind unsere Kinder mittlerweile außer Haus. Jetzt bin ich schon froh, wenn’s a bisserl weniger wird, damit ich auch Zeit für andere Dinge habe.

Für welche Dinge?

Für die Familie natürlich – meine Frau Monika, die Kinder und die Enkelkinder. Mein zeitintensiver Job ist ja ohnehin nur durch die Unterstützung durch meine Familie und meine Frau möglich. Dann beschäftigt mich die Kommunalpolitik als Vize-Bürgermeister, Stadt- und Kreisrat. Und ich habe auch Hobbys.

Die da wären...?

Ich bin sehr an Kunst und Kultur interessiert. Wir gehen oft in die Oper, Theater, Konzerte. Da geht ja gerade leider gar nichts. Ich lese viel, und wir reisen sehr gerne. Darauf freue ich mich in der Zeit nach Corona.

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