„Ich finde überall etwas, das mir gut tut“

Kräuter liegen im Trend. Warum ist das so? Wir sprachen mit der Dorfener Kräuterpädagogin Claudia Bauer über Heilpflanzen, Sammel-Tipps und Superfoods.
Dorfen – Kräuter sind in. Immer mehr vermeintliches „Unkraut“ findet den Weg in die heimische Küche – und in die Hausapotheke. Sucht und sammelt man die kleinen Wunderwaffen der Natur auch noch selbst, wird daraus ein richtiges Erlebnis. Aber welche Kräuter gibt’s jetzt zur Zeit im Frühling? Was muss man beim Sammeln beachten? Wie können sich Kräuter auf die Gesundheit auswirken? Und warum liegen Heilkräuter eigentlich so im Trend?
Darüber sprachen wir mit Kräuterpädagogin Claudia Bauer. Die 60-Jährige arbeitet Teilzeit bei der Stadt Dorfen, ihre Leidenschaft aber sind die Kräuter. Das ganz Jahr über bietet sie Kräuterwanderungen an, die fünf Euro Teilnahmegebühr pro Person wird in Weiterbildungen investiert. Daneben veranstaltet Bauer Workshops zur Herstellung von Tinkturen, Salben oder Tees sowie individuelle Kurse und Seminare (Infos: www.facebook.com/kraeuterfuehrungdorfen).
Frau Bauer, warum sind Kräuter derzeit im Trend?
Ich glaube, bei den Leuten ist eine Art Umdenken da. Wildkräuter waren früher ja enorm wichtig für die Gesundheit, bis die moderne Medizin Einzug gehalten hat. Ich finde es toll, welche Fortschritte es da gibt. Aber vielleicht ist der Mensch gerade deshalb so phlegmatisch geworden und sagt sich: „Wenn ich was habe, gehe ich halt zum Doktor, der richtet das schon.“ Früher waren die Leute mehr auf ihre Gesundheit bedacht, und ich hoffe, dass sie darauf auch wieder mehr einen Fokus legen.
Apropos – auch sogenanntes Superfood wie Goji-Beeren und Chia-Samen liegen voll im Trend. Was halten Sie davon?
Das sind Sachen, die gibt es bei mir nicht. Für diese exotischen Lebensmittel, die derart hochgepriesen werden, haben wir doch hier regionale Alternativen, die oft viel günstiger und gesünder sind.
So kurz nach dem Winter: Welche Kräuter kann unser Körper gerade jetzt besonders gut brauchen?
Der Körper setzt im Winter Schlacken an, er „vermüllt“ über die kalten Monate. Deshalb brauchen wir im Frühjahr Kräuter, die uns bei der Reinigung helfen. Löwenzahn zum Beispiel ist ein Bitterkraut, das die Galle anregt und den Körper regelrecht putzt, die Verdauung funktioniert besser. Verwendet wird die ganze Pflanze – Wurzeln, Blätter, Stengel, Blüten.
Was eignet sich noch?
Auch Knoblauchsrauke, Bärlauch oder Schafgarbe kann man gerade jetzt sehr gut brauchen, damit der Stoffwechsel angeregt wird und wir wieder fitter werden. So treiben wir den Winterschlaf aus dem Körper.
Welche Kräuter kann man in der aktuellen Jahreszeit noch sammeln?
Scharbockskraut zum Beispiel, das ist eine Vitamin-C-Bombe, aber man nimmt es nur solange es noch nicht blüht, dann wird es unverträglich. Oder Brennnessel: Sie ist ideal für Frauen, weil sie das Eisendepot auffüllt und den Körper in die Lage versetzt, Eisen aus der Nahrung aufzunehmen. Man kann sie als Tee trinken, ich habe sie schon als Tarte gemacht und, mit dem Nudelholz bearbeitet, kann man sie ohne Weiteres im Salat essen.
Kann man nur im Frühjahr Wildkräuter sammeln?
Viele Kräuter sind jetzt ideal zum Sammeln. Aber eigentlich gibt es das ganze Jahr über Kräuter, denn nicht alles blüht schon. Auf manches wartet man auch regelrecht, dass es endlich blüht. Inzwischen hält auch mein Mann ständig die Augen offen, wenn er unterwegs ist (lacht).
Wie sind Sie zu den Kräutern gekommen?
Das ist gar nicht lange her. Ich hatte schon immer einen Garten; mit Bäumen, Gemüse und Blumen war ich vertraut. Aber außer Gänseblümchen und Löwenzahn kannte ich keine Wiesenkräuter. Irgendwann bin ich auf die Ausbildung zur Kräuterpädagogin gestoßen. Und dann wollte ich immer mehr wissen – von Volks- bis Frauenheilkunde.
Wie wird man Kräuterpädagoge?
Dafür gibt es spezielle Lehrgänge. Ich habe die Ausbildung an der Gundermannschule absolviert. Ein Jahr lang bin ich regelmäßig nach Bad Abbach gefahren und habe die Pflanzen, ihre Inhaltsstoffe, ihr Vorkommen und ihre Heilkräfte kennen gelernt. Außerdem gehört zur Ausbildung eine praktische Prüfung – da habe ich eine Kräuterspirale angelegt.
Sie haben das Gänseblümchen angesprochen. Das dürfte zu den bekanntesten Wildkräutern gehören.
Ja, die meisten haben wohl schon mal Gänseblümchen gegessen. Aber nur die wenigsten wissen, dass sie mit den darin enthaltenen Saponinen und Schleimstoffen ein richtig gutes Kraut für Kinder sind. Gänseblümchentee zum Beispiel hilft gut bei Husten. Dafür übergießt man die Blüten mit lauwarmem Wasser und lässt den Tee zehn Minuten lang ziehen.
Sie sind eine richtige Expertin in Sachen Heilkräuter. Gehen Sie überhaupt noch zum Arzt?
Natürlich. Wenn ich zum Beispiel eine Angina oder Herzkrankheiten habe, brauche ich freilich einen Arzt, und ich bin auch froh, dass ich ihn habe. Aber leichten Husten oder eine kleine Entzündung im Finger kann ich mit meinen Kräutern selbst behandeln – etwa mit pflanzlichen Antibiotika wie Meerrettich, Kapuzinerkresse oder Thymian. Für mich ist es immer wieder faszinierend, zu wissen: Ich brauche nur rauszugehen und finde überall etwas, das mir gut tut. Es gibt gegen alles ein Kraut. Und wenn man weiß, welches, ist das auch ganz einfach.
Was sollte man beim Kräutersammeln beachten?
Auf keinen Fall sollte man an viel befahrenen Straßen sammeln. Ideal sind Wiesen, die nicht gedüngt sind. Das erkennt man daran, dass viele verschiedene Wildpflanzen wachsen, nicht nur Gras. Gut sind auch Feldstreifen, wo nicht viele Fahrzeuge unterwegs sind. Momentan sammle ich gerne im Bereich an der neuen Autobahn, wo noch kein Verkehr ist. Grundsätzlich sollte man aber immer vorher mit dem Bauern reden, dem die Wiese gehört.
Ist es für Laien nicht gefährlich, Kräuter zu sammeln? Da könnten doch auch giftige Pflanzen dabei sind.
Ganz wichtig ist: Die Leute müssen unbedingt kennen, was sie pflücken. Entsprechende Bücher helfen dabei, die habe ich auch immer bei meinen Wanderungen dabei, um den Leuten zu zeigen, wie sich das Aussehen der Kräuter im Laufe der Monate verändert. Wenn man die Pflanzen immer wieder genau anschaut, wird man sich im Laufe der Zeit ganz sicher. Und dann gibt es noch Eselsbrücken, zum Beispiel beim Giersch, der gerne mit dem giftigen Schierling oder Bärenklau verwechselt wird. Hier lautet die Regel „Mit drei bist beim Giersch dabei“ – der Blattstiel ist dreikantig, das Blatt selbst ist dreigeteilt, ebenso die Einzelblätter.
Außer die Fähigkeit, Pflanzen zu erkennen – was wollen Sie den Teilnehmern Ihrer Kräuterwanderungen vermitteln?
Mir ist es ein großes Anliegen, den Leuten zu vermitteln, dass sie auf ihre Gesundheit schauen sollen. Leider ist es meist so, dass man erst dann den Fokus auf die eigene Gesundheit legt, wenn man Probleme damit hat. Das Schönste für mich ist, wenn die Teilnehmer meiner Seminare und Wanderungen hernach zu mir kommen und mir berichten, dass sie etwas ausprobiert haben und es ihnen geholfen hat.
Wildpflanzen sind stark von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Das Thema ist durch das Volksbegehren jüngst stark in den Fokus gerückt.
Ja, und ich finde es gut, dass jetzt mehr Bewusstsein dafür da ist. Die Menschen sollten im eigenen Garten wieder mehr Wert darauf legen, etwas zu pflanzen, was für die Insekten gut ist. Die Kornelkirsche etwa ist eine der ersten Bienennahrungen im Frühjahr. Da summt es dann richtig. In meinem Garten zum Beispiel habe ich gar keinen Rasen, sondern ganz viele Blumen. Arbeit macht das kaum. Ich muss so gut wie nie gießen, auch nicht in sehr heißen Sommern wie voriges Jahr. Und es reicht, wenn man zweimal im Jahr Unkraut entfernt und den Garten herrichtet.