Cannabis: Legalisierung trifft auf Gegenwind durch Experten - „Trägt zur Verelendung bei“

Die Ampel-Koalition will Cannabis legalisieren. Das stößt sowohl auf Lob als auch auf Kritik. Einige Experten beziehen nun Stellung.
Erding – Vor fünf Jahren wurde Cannabis zu medizinischen Zwecken freigegeben. Nun planen die Ampelkoalitionäre in Berlin die Legalisierung als Genussmittel für Erwachsene. Noch ist der Verkauf nicht legal. In der Drogen-Statistik spielt Cannabis die Hauptrolle. Ist es Zeit, Konsum und Handel mit der Droge nicht mehr zu bestrafen? Wir haben Experten aus dem Landkreis um eine Stellungnahme gebeten.
Legalisierung von Cannabis: Hanfverkäufer zufrieden mit Entwicklung
Ich kämpfe seit 2013 für die Legalisierung von Cannabis. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass es von allen uns bekannten Drogen – auch Alkohol, Nikotin oder Zucker – den Körper am wenigsten schädigt. Die größten Gefahren, die von Cannabis ausgehen, sind der Schwarzmarkt und die Illegalität – beides Folgen der aktuellen Rechtssprechung. Beim illegalen Anbau werden künstliche Dünger verwendet. Um Gewicht zu gewinnen, wird die Ware mit Haarspray eingesprüht. Diese Verunreinigungen sind gesundheitsschädigend. Die Legalisierung könnte mehr Kontrolle bringen. Bei den offiziell angebauten Nutzpflanzen sieht es ja ganz anders aus, da lässt sich ein Qualitätsstandard halten.
Wenn wir Cannabis für den Freizeitkonsum legal in lizenzierten Fachgeschäften kaufen, können wir uns umfassend beraten lassen und die Gefahr einer Falsch- oder Überdosierung minimieren. Der Dealer dagegen berät mich nicht vernünftig.
Ein Problem ist die Kriminalisierung der Konsumenten. Natürlich gibt es wie beim Alkohol Leute, die zu viel konsumieren. Die Junkies werden ins Gefängnis gesperrt, brauchen aber eigentlich Ärzte und Psychologen, die ihnen helfen. Wie auch die Alkoholiker in der Entzugsklinik. (Jerry Cerveny, Inhaber von „Hanf – Bioladen“ in Erding mit legalen Hanfprodukten)
Legalisierung von Cannabis: Polizei befürchtet sinkende Hemmschwelle zum Drogenkonsum
Eine Freigabe entfaltet eine fatale Signalwirkung von Erwachsenen auf Jugendliche. Es kann der Eindruck entstehen, die Droge sei gar nicht so gefährlich, da sie legal zu erwerben ist. Eine sinkende Hemmschwelle ist anzunehmen. Die Beschaffung über Volljährige, wie zum Beispiel bei Alkohol, wird für Jugendliche erleichtert.
Es besteht die Gefahr, dass sich zertifizierte Cannabis-Verkaufsstellen und deren Umfeld als Anlauf- und Kontaktanbahnungsstelle für Drogenabhängige entwickeln könnten. Der Konsum von Cannabis kann sich auch negativ im Straßenverkehr auswirken. Die Zahl der Drogenunfälle stieg in den vergangenen zehn Jahren um knapp 70 Prozent an. (Rainer Kroschwald, Polizeioberrat und Leiter der Polizeiinspektion Erding)
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Die Teil-Legalisierung von Cannabis ist der absolut falsche Weg. Ich warne davor, Cannabis „weich“ zu reden, da die gesundheitlichen Gefahren und die durch den Drogenkonsum entstehenden sozialen Konflikte ein unkontrollierbares Risiko darstellen. Cannabis macht abhängig und ist eine Einstiegsdroge.
Die Aufgaben der Polizei werden durch die Cannabis-Legalisierung nicht weniger werden, auch wenn das in diesem Zusammenhang fälschlicherweise immer wieder geäußert wird. Vielmehr ist sogar von einer Zunahme der Konsumenten auszugehen, mit allen damit einhergehenden gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen. Die Annahme, dadurch den Schwarzmarkt zu bekämpfen, ist schlichtweg falsch, denn auch weiterhin werden Drogen wie Cannabis an Minderjährige verkauft. Zudem sind durch die Freigabe eine vermehrte Einnahme von Cannabis und damit auch vermehrte Straftaten und Verkehrsunfälle unter Drogeneinfluss zu erwarten. Schon jetzt nehmen Übergriffe unter Alkohol- und Drogeneinfluss auf Polizeibeamte stetig zu. (Florian Leitner, Vize-Landesvorsitzender der Polizei-Gewerkschaft und Hauptkommissar in Erding)
Legalisierung von Cannabis: Mediziner warnt vor Fehler - „Falsches Signal“
Die Legalisierung von Cannabis halte ich als Suchtmediziner ebenso für einen Fehler wie die eingeschränkte Zulassung als Medikament durch den Bundestag 2017. Die Legalisierung setzt ein falsches Signal in Richtung Verharmlosung.
Cannabis ist nicht gesund. Cannabis-Konsum fördert viel mehr Krankheiten wie Depressionen, Schizophrenien, Suchterkrankungen und Suizidalität und ist embryotoxisch. In Staaten, die Cannabis legalisiert haben, liegt die Neuerkrankung von Jugendlichen mit problematischem Cannabis-Konsum um ein Viertel höher als in Staaten ohne Legalisierung. Die Legalisierung von Cannabis gefährdet die Jugend und trägt zur Verelendung bei.
Der illegale Cannabis-Markt wird zudem durch eine Legalisierung nicht ausgetrocknet. Vielmehr bestehen dann legaler und illegaler Markt nebeneinander weiter fort, das Angebot wird also erweitert. Vorstellen könnte ich mir eine Entkriminalisierung von Cannabis-Besitz, um die Kosten für die Strafverfolgung zu senken. Das entspricht aber nicht einer Legalisierung und geschieht aus ordnungspolitischen, nicht aus medizinischen Gründen. Und um es gleich zu sagen: Auch Alkohol ist eine gefährliche Droge. Aber auch das ist kein Argument zur Legalisierung. (Dr. Bertram Schneeweiß, Chefarzt kbo-Klinik Taufkirchen)
Legalisierung von Cannabis: Apotheker sollten nicht zum Kauf verpflichtet werden
Durch das Gesetz zur medizinischen Anwendung von Cannabis von 2017 wurden die rechtlichen Voraussetzungen zur Verschreibung und Abgabe von cannabinoidhaltigen Arzneimittel geschaffen. Die Abgabe erfordert jedoch ein spezialisiertes Fachwissen und die individuelle Beratung und Begleitung des Patienten in der Apotheke. In unseren drei Apotheken in Erding, Ebersberg und München beraten wir monatlich mehr als 100 Patienten zum Thema medizinisches Cannabis und den Aspekten Indikation, Anwendung, Dosierung, Produktauswahl, Lagerung und Nebenwirkungen.
Wenn die Politik hierzulande nun die Apotheken bittet, die Abgabe zu übernehmen, da diese flächendeckend vertreten sind, Labore und Tresore für problematische Substanzen besitzen, Erfahrung in der Abgabe von Cannabis vorweisen und die Menschen entsprechend beraten, dann wird es für Apotheken schwer, sich diesem Anliegen zu entziehen. Der legalisierte Verkauf von Cannabis über lizenzierte und interessierte Apotheken wäre zu befürworten. Da es jedoch auch berechtigte Bedenken gibt, sollte keine Apotheke zum Verkauf verpflichtet werden. (Dr. Bernd Grünberg, Inhaber der Apotheke im West Erding Park). Noch mehr aktuelle Nachrichten aus dem Landkreis Erding finden Sie hier.
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