Heime atmen auf: Endlich keine Maskenpflicht mehr

Große Erleichterung: In den Pflegeeinrichtungen herrscht keine Masken- und Testpflicht mehr.
Erding– Schon nach den ersten Takten ist die Freude vielen ins Gesicht geschrieben. Freude und Erleichterung. Lange haben die Senioren im Heiliggeist-Stift Erding darauf gewartet, wieder in geselliger Runde sitzen zu dürfen – Corona hatte das noch bis vor kurzem verboten. Jetzt ist der Saal gut gefüllt mit Senioren ohne Maske. Ein paar der Fitteren hält es nicht mehr auf den Stühlen. Sie treten in die Mitte und tanzen einen vergnügten Walzer zur Musik von Stefan Draxler und seiner Ziehharmonika. Die anderen Bewohner klatschen im Takt.
Gabriela Rieß vom Heiliggeist-Stift ist noch immer ergriffen, wenn sie sich an den ersten Musiknachmittag nach drei Jahren Pandemie erinnert. „Das ganze Foyer war voll. Und die Stimmung war so gelöst. Das war richtig rührend“, berichtet sie.
Während die Pandemie in den vergangenen Monaten immer unsichtbarer geworden ist, herrschten in Pflegeeinrichtungen noch strenge Kontakt- und Hygieneregeln mit Test- und Maskenpflicht und strikter Besuchsordnung. Erst seit Anfang März schreibt der Staat Bewohnern und Personal nicht mehr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und regelmäßiges Testen vor. Besucher müssen weiterhin Masken tragen. Aber Beschäftigte und Bewohner können wieder richtig durchatmen.
„Hier geht die Post ab“, erzählt Angelina Di Vergilio, Leiterin des Heiliggeist-Stifts. „Die Leute nehmen alle Angebote wahr, die sie besuchen können. Es ist wunderbar, alle sind froh und fröhlich.“
„Das ist eine unglaubliche Befreiung“, erlebt Gabriele Rohrer vom Pichlmayr-Seniorenzentrum in Isen den Wegfall der Maskenpflicht. „Die Atmosphäre hat sich im ganzen Haus spürbar verbessert“, sagt sie. Die Senioren würden es lieben, sich wieder in größerer Gruppe zu sehen, und auch die Besuchszahlen seien deutlich gestiegen. Angehörige müssen nun ihr Kommen nicht mehr im Voraus anmelden. Die wiedergewonnene Spontaneität sorgt offenbar für mehr Besuche.
„Endlich wieder unbeschwert“ leben auch die Bewohner des Pflegestern-Seniorenzentrums in Oberding, beobachtet Heimleiterin Silke Stauber. Bis vor kurzem noch habe die ständige Angst vor einer drohenden Isolation den Alltag der Senioren überschattet. Wie ein Damoklesschwert hing die Gefahr über ihnen, dass ein positives Testergebnis sie wieder in ihre Zimmer fesseln würde.
„Die Isolation war für viele Bewohner ganz, ganz schrecklich, das war richtig gruselig“, erinnert sich Di Virgilio. Besonders schlimm sei es für demente Senioren gewesen, die gar nicht verstehen konnten, was da mit ihnen geschieht. Für sie gelte ebenso wie für Kleinkinder: „Sie brauchen ein Gesicht, in das sie blicken können.“
Auch Stauber sind gerade die Anfänge der Pandemie als furchtbare Zeiten im Gedächtnis. Sie spricht von „teilweise unmenschlichen“ Momenten. „Als wir einen ersten Verdachtsfall hatten und Leute hier aufgetaucht sind, die wie Marsmenschen aussahen, haben wir versucht, für die Bewohner Späßchen daraus zu machen und von Fasching geredet“, erzählt sie.
Immer die Stimmung retten, dafür sorgen, dass keine Panik aufkeimt – eine Herkulesaufgabe für das Personal. „Auch wir genießen die wiedergewonnenen Freiheiten sehr“, sagt Rohrer. Die ersten Tage ohne FFP2-Maske nach drei Jahren hätten sich richtig seltsam angefühlt – „da war alles so nackig am Kopf“.
Doch ein wenig verwundert sei sie schon, dass jetzt der Schalter so plötzlich umgelegt wurde von strikten Regeln auf quasi gar keine mehr. „Das geht von einem Extrem ins andere“, kritisiert sie. Sie befürchtet eine Erkrankungswelle im Haus.
Ein Lied davon singen kann Marion Prey, Leiterin des Marienstifts Dorfen. „Es kam, wie es kommen musste“, berichtet sie, „am 2. März hatten wir schon den ersten Corona-Fall im Haus“. Das Marienstift war lange Corona-frei geblieben. Nach dem Fall der Maskenpflicht hätten sich nun aber ungefähr 70 Prozent der Bewohner und Beschäftigten infiziert.
Sollte es zu Erkrankungen kommen, könnte das eine oder andere Haus auch wieder dicht machen. Denn das Hausrecht regelt, dass sie jederzeit eigene Infektionsschutzmaßnahmen aufstellen dürfen. „Es tut gut, dass jetzt wieder mehr Verantwortung bei dem Einzelnen liegt“, kommentiert das Di Vergilio. Sie gibt sich aber zuversichtlich, auch aufgrund der sehr hohen Impfquote von Bewohnern und Personal. Jetzt sei auf jeden Fall erst einmal Zeit für Geselligkeit – und fürs Walzertanzen.