Musik ohne digitale Schminke
Dominique Klatte hat sich einen Traum erfüllt. Der Tonmeister hat mit alter Technik ein Jazz-Album produziert, bei dem klangliche Perfektion und Spontaneität gleichermaßen wichtig waren. Veröffentlicht wird die Musik als Vinyl-Schallplatte.




Erding – Schon jetzt hat Dominique Klatte Bestellungen aus Hamburg, Berlin, Freiburg und Köln. Sein Herzensprojekt schlägt ein in der Szene. Die von dem Erdinger Tonmeister produzierte Schallplatte „Jazz on Vinyl“ überzeugt Fans dieser Musikrichtung wie auch Sound-Puristen. Aus der Fachwelt gibt es bereits Jubel. „Ich bin so baff“, freut sich Klatte.
Dabei war „Jazz on Vinyl“ am Anfang ein kleines Abenteuer: Der Soundtüftler und Jazz-Enthusiast bat Musiker an unterschiedliche Aufnahmeorte – Stadtbücherei, Proberaum, von Musik erfüllte Wohnzimmer. Dort nahm er live auf, ohne Netz und doppelten Boden. Es gab keine Schnitte, nachträgliche Soundkorrekturen oder zusätzliche Tonspuren. Nur das, was die Mikros aufnahmen. Das war für die Instrumentalisten ebenso ein Wagnis wie für den Toningenieur. Doch genau das wollte Klatte: eine Rückkehr zum Echten – „A return to the real“, wie er auf seiner Homepage schreibt.
Für jeden Raum das richtige Mikro
Der 53-jährige wollte seine Leidenschaften für Musik und perfekten Sound auf Vinyl pressen. Ohne Gewinnabsichten, dafür aber mit musikalischer Neugier und unendlichem technischen Spieltrieb suchte er Musiker und Aufnahmeorte. „Ich hatte meine Vorstellungen vom Klang und vom Workflow. Ich wollte, dass mir keiner in meine Arbeit reinredet“, sagt der selbstständige Tonmeister, der sonst bei Film- und Musikaufnahmen die Ideen der Kunden zum Klingen bringt.
Dennoch wollte er den Musikern nichts diktieren. Auch die umfangreiche Besetzung der Gnadenkapelle galt es, schnell zu mikrofonieren und abzumischen. Diese Arbeitsweise war auch für den Produzenten aufregend. „Das hat mir das Gefühl gegeben, als würde ich mitspielen.“
Herausgekommen ist eine halbe Stunde Musik mit vielen vollkommenen Augenblicken. Kristallklar kommt die Jazz-Gitarre von Reimo Oberth in der Stadtbücherei Erding zur Geltung. Im Johannes-Saal Erding ergeben Oberths Spiel und das von Johannes Rothenaicher am Klavier eine schillernde Einheit. Dieter Knirschs Flügel, aufgenommen in seinem Wohnzimmer, klingt raumgreifend.
Die Band Tenor Steps konzertierte für die Aufnahme zuhause bei Geraldine Frisch und Sebastian Kruppa in Isen und entwickelte dort einen warmen Sound, den Klatte gleichzeitig ausdifferenziert und organisch klingen lässt.
Spontane Musik ohne Klang-Korrekturen
Eine solche Herangehensweise ist mittlerweile ungewohnt für Musiker und Tontechniker. Denn perfekter Sound ist heutzutage das Ergebnis einer langen Kette der digitalen Nachbearbeitung. Was nicht passt, wird am Computer passend gemacht. Falsche Töne und verpasste Einsätze biegt ein Produzent mit wenigen Mouse-Klicks gerade. Der Klang wird durch Effektgeräte und Frequenzkorrekturen gejagt.
Bei „Jazz on Vinyl“ wollte Klatte genau das Gegenteil. „So wenig Eingriffe in den klanglichen Fluss, wie’s nur geht“, kein Computer, nur ein Tonbandgerät mit einer Stereospur und optimal positionierte Mikrofone. „Das ist nix, was jemand anderes macht – schon gar nicht mobil, schon gar nicht alle Musiker in einem Raum“, erzählt der Erdinger.
An diesem Punkt war Klattes Suche nach Perfektion aber nicht zu Ende. Die Vorlage fürs Plattenpressen musste unbedingt in einem bestimmten Frankfurter Studio gefertigt werden. Und: „Aus klanglichen Gründen wollte ich, dass nicht mehr als 15 Minuten auf einer Seite sind“, erzählt der Tonmeister. Denn wenn man 25 Minuten Musik auf eine Seite quetsche, „dann kann man die Rille nicht so groß schneiden“. Das führe zu Einbußen beim Klang.
Und das wäre für Dominique Klatte feine Ohren ein Graus gewesen. Der edle Klang ist der Beruf des Erdinger Tontechnikers, ob bei Werbe-, Film- oder Musikproduktionen. Als Sohn einer Sängerin und eines Kunstmalers sei er bereits als Kind von Jazz umgeben gewesen. „Die Instrumente von einem Jazz-Quartett sind immer in meinem Kopf“, sagt er.
Künstlerisches Freunde-Netzwerk
Nach einer unsteten Kindheit in den elterlichen Künstlerkommunen zwischen Straßburg und Tegernsee wollte der junge Dominique Klatte ein Handwerk erlernen. Er wurde Schreiner, musste das aber acht Jahre später beenden: Holzstauballergie. Es war ein bekannter Erdinger Musiker, der den jungen Mann zur Ausbildung im Markt Schwabener Tonstudio Intersound brachte. „Michael Benker war mein Lehrmeister“, erzählt Klatte.
Diese Verbindung und viele weitere finden sich bei „Jazz on Vinyl“ wieder. „Es sind viele Geschenke passiert in dieser Produktion“, erzählt der 53-Jährige. Benker übernahm das Webdesign, der Erdinger Künstler Harry S. gestaltete das Label auf der Platte. Oder der Moment, als Eva Metz-Klatte, die Frau des Tonmeisters, merkte: Die Sängerin der Gnadenkapelle, Kathrin Nagy, kennt sie doch. Die beiden waren früher gemeinsam auf der Schule.
Eine erste kleine Präsentation der Scheibe war beim Auftakt-Konzert der Jazz Tage Erding. Autorin Vroni Vogel machte Klattes Expedition ins Klang-Reich zu einer der Jazz Stories, die sie erzählte. Über 20 Besucher waren so begeistert, dass sie erste Platten kauften.
Die Auflage ist mit 500 Stück klein und das Ganze schon deswegen ein echtes Liebhaberprojekt. Mit Liebe haben der Tonmeister und seine Frau wenige Tage noch Hand angelegt an jeder der 500 Platten. Jede der vom Pressen noch warmen Scheiben nummerierten sie handschriftlich und packten sie in Zellophan ein. Bei den Jazz Tagen musste Klatte einige der Platten wieder auswickeln. Um sie zu signieren. Das hat er als Tontechniker auch noch nicht erlebt.
Die LP „Jazz on Vinyl“
Präsentationskonzert am Donnerstag, 23. November, ab 20.30 Uhr im Duchesse in Erding. Dort kann die Platte erworben werden, ansonsten im Erdinger Lesezeichen, im Gewandhaus Gruber und im Weins sowie über www.dominiqueklatte.de.
Musiker: Reimo Oberth (Gitarre) und Johannes Rothenaicher (Klavier), Tenor Steps unter anderem mit Michael Außerbauer (Sax) und Stephan Glaubitz (Kontrabass), Gnadenkapelle unter anderem mit Val Dasch und Kathrin Nagy.
Aufnahmeorte: Stadtbücherei Erding, Johannes-Saal Erding, Schwarzbrennerei Eschlbach, KnirschVogel-Haus Walpertskirchen, Wohnzimmer Frisch/Kruppa Architekten Isen.
Artwork: Harry S. (Label), Heinz Hechtl (Cover), Michael Benker (Webdesign)