Über eine halbe Milliarde Euro für Neubauten

Viele Wirtschaftszweige verzeichneten im Corona-Jahr 2020 Umsatzeinbrüche. Immobilien erweisen sich nicht nur als stabile und ertragreiche Geldanlage, sondern auch als pandemieresistent.
Erding – Viele Wirtschaftszweige verzeichneten im Corona-Jahr 2020 Umsatzeinbrüche. Immobilien erweisen sich nicht nur als stabile und ertragreiche Geldanlage, sondern auch als pandemieresistent. Das zeigt die Statistik der Unteren Bauaufsichtsbehörde. Sie bekam in den ersten elf Monaten 2200 Anträge auf den Tisch, ein Zuwachs im Vergleich zum (ebenfalls starken) Vorjahr um 13 Prozent. Diese Zahlen nannte Landrat Martin Bayerstorfer in einer Pressekonferenz.
Dabei handelte es sich um Genehmigungs- und Freistellungsverfahren, denkmalrechtliche Erlaubnisse und Grundstücksverkehrsangelegenheiten. Die Gesamtzahl für den Landkreis liegt sogar noch höher, da die Kreisverwaltung nicht für die Bautätigkeit in der Großen Kreisstadt Erding zuständig ist.
Auffällig ist laut Bayerstorfer die hohe Zahl an Sonderbauten, die auf einen Höchststand von 100 Großprojekten angestiegen sei. Darunter fallen alle Bauvorhaben mit mehr als 1600 Quadratmeter Fläche, aber auch Verkaufsstätten mit über 800 Quadratmetern, Hotels, Pensionen, Wohnheime und Versammlungsstätten. Hier spielt regelmäßig der Flughafen eine entscheidende Rolle.
Was in der Baubehörde – sie musste immer wieder wochenweise für den Publikumsverkehr schließen, um die hohe Zahl an Anträge bearbeiten zu können – über die Schreibtische geht, ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Bayerstorfer sprach von „exorbitanten Baukosten beziehungsweise genehmigten Bausummen“. Von Januar bis November wurden seinen Angaben zufolge rund 542 Millionen Euro umgesetzt, mehr als eine halbe Milliarde. In dieser Summe sind sämtliche Ausgaben enthalten, nicht nur die für den Bau, sondern auch für die Genehmigung, die Außenanlagen sowie Anschlüsse an Wasserversorgung und Kanal.
Wer bauen will, braucht Geduld. Die durchschnittliche Genehmigungsdauer im vereinfachten Verfahren bezifferte Bayerstorfer mit 82 Tagen. Sind alle Unterlagen vollständig, seien es nur noch 33 Tage. Im regulären Verfahren seien es 128 beziehungsweise 53 Tage. „Hier liegen wir bayernweit in der Spitzengruppe“, betonte Bayerstorfer.
Eine hohe Planungsfreudigkeit attestiert der Landrat auch den Gemeinden. 2020 seien es rund 100 Flächennutzungs-, Bebauungsplan- und andere Satzungsverfahren gewesen. Das ist allerdings auch ein Indiz für den voranschreitenden Flächenverbrauch im Landkreis.
Den einzudämmen, ist ein Ziel der Novellierung der Bayerischen Bauordnung, die zum 1. Februar dieses Jahres in Kraft tritt (wir berichteten). Vor allem die Genehmigungsverfahren wollte der Landtag beschleunigen. Erteilt ein Rathaus bei Vollständigkeit der Unterlagen nicht binnen drei Monaten die Baugenehmigung, erfolgt dies automatisch. Dachgeschosse dürfen im unbeplanten Innenbereich genehmigungsfrei in Wohnraum umgewandelt werden.
Kummer bereitet vielen Gemeinden die Reduzierung der Abstandsflächen von 1 auf 0,4. Das heißt: Bei einem zehn Meter hohen Haus müssen nicht mehr zehn, sondern nur noch vier Meter Abstand zum Nachbarn eingehalten werden. Diese Verdichtung soll zu mehr Wohnraum führen. In der Kommunalpolitik sorgt man sich um das Ortsbild und nachbarschaftlichen Zwist. Deswegen dürfen sie Satzungen erlassen, die die bisherigen Abstandsflächen festschreiben.
Allerdings schließt sich das Zeitfenster bereits Ende des Monats. In Forstern etwa ringt man mit sich, eine solche Satzung zu erlassen. Juristisch ist es eine knifflige Angelegenheit, weil die Ausnahme gut begründet sein muss. Nur der Verweis auf das Ortsbild reicht nach Expertenmeinung nicht. Hohenlinden (Kreis Ebersberg) hat die Satzung schon, in Fahrenzhausen (Kreis Freising) erließ der Gemeinderat eine Eilhandlung. Das Zeitfenster noch nutzen wollen im Großraum München unter anderem Murnau (Kreis Garmisch-Partenkirchen), Lenggries (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen), Putzbrunn (Kreis München) und Maisach (Kreis Fürstenfeldbruck).
Das Problem: Kommt die Satzung später, drohen Klagen von Bauherren, die den vorhandenen Raum weniger intensiv nutzen konnten, als die, die nach dem neuen Abstandsflächenrecht gebaut haben. Im Landkreis wird darüber noch wenig diskutiert.
Hans Moritz