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Fast jede zweite Asylunterkunft ohne WLAN: Landratsamt fordert Ehrenamtliche auf, Verträge abzuschließen

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Von: Katrin Woitsch

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Ein Mädchen lernt von zu Hause aus per Homeschooling über ein Handy
Viele Kinder in Flüchtlingsunterkünften haben kein Wlan - und sind damit vom Homeschooling ausgeschlossen. © Roland Weihrauch

Im Kreis Erding gibt es in vielen dezentralen Asylunterkünften kein Internet. Die Flüchtlinge dürfen keine Verträge abschließen, das Landratsamt tut es nicht. Es fordert die Ehrenamtlichen dazu auf. In anderen Regionen funktioniert es unkomplizierter.

Maria Brand kämpft für etwas, das – wie sie findet – im Jahr 2021 zu einem Haushalt gehört wie Strom oder fließendes Wasser: Internet. Als ehrenamtliche Asylhelferin weiß sie aber, dass das nicht für Asylbewerberheime gilt. Zumindest nicht für die dezentralen Unterkünfte im Kreis Erding. Die meisten von ihnen haben keinen WLan-Anschluss – obwohl die Menschen ihn besonders jetzt, in der Pandemie, dringend brauchen würden.

Brand diskutiert seit drei Jahren mit dem Landratsamt über dieses Thema. „Es gibt viele Kinder und Jugendliche, die nicht die Möglichkeit haben, für Referate oder Hausaufgaben zu recherchieren“, sagt sie. Dann kam das Homeschooling dazu. Einige Kinder waren vom Unterricht ausgeschlossen, weil sie in einer Unterkunft ohne WLan lebten oder das mobile Handynetz ihrer Eltern nicht für den Unterricht ausreichte. Ähnliche Probleme hätten viele erwachsene Flüchtlinge, berichtet sie. Ihre Sprachkurse finden teils online statt. Ach viele Integrationskurse sind wieder online. Sie weiß von einem Flüchtling, der vom Jobcenter eine Weiterbildung finanziert bekam. „Er musste jeden Tag zu einem Asylhelfer fahren, um dessen Internet für den Online-Kurs nutzen zu können.“

Maria Brand kann nicht verstehen, warum die WLan-Bereitstellung in ihrem Landkreis so kompliziert sein muss. Flüchtlinge dürfen keine Verträge mit den Anbietern abschließen – das gibt die Regierung von Oberbayern vor. Das Risiko sei zu groß, dass die Verträge wegen Abschiebung oder Umzug nicht eingehalten werden können. In anderen Regionen schließen Landratsämter die Verträge trotz des Risikos ab. In Erding nicht. Die Behörde überlässt diese Aufgabe den Ehrenamtlichen. Und die weigern sich. „Das ist eine staatliche Aufgabe“, sagt Brand. Mit dieser Meinung ist sie nicht allein. Es gibt nur wenige Fälle, in denen Ehrenamtliche den Vertrag mit einen Anbieter abgeschlossen haben. Nur 16 der insgesamt 60 dezentralen Unterkünfte im Landkreis haben einen Internetanschluss. Im Nachbarlandkreis Freising hingegen sind von 55 dezentralen Unterkünften 53 mit Internet versorgt.

Nicht nur Maria Brand treibt das Thema um. Auch Alexandra Hiersemann, die asylpolitische Sprecherin der Landtags-SPD, hat eine Anfrage an die Staatsregierung zur Internetversorgung der bayerischen Asylunterkünfte gestellt. Das Ergebnis: Fast jede zweite Gemeinschaftsunterkunft besitzt keinen WLan-Anschluss. Es gibt auch vier Anker-Einrichtungen, die nicht mit Internet versorgt sind. Und bei denen, die WLan haben, verfügen die Verbindungen teils über Geschwindigkeiten von nur 6 Mbit pro Sekunde. Die Staatsregierung signalisiere zwar den Willen zum Ausbau, sagt Hiersemann. „Die Umsetzung bleibt aber oft mangelhaft.“ Sie kritisiert auch, dass für die Internetnutzung bei den Flüchtlingen unterschiedliche Kosten anfallen: Einige müssen nichts dafür zahlen, anderen werden die Leistungen gekürzt. „Die Situation ist chaotisch.“ Hiersemann geht nicht davon aus, dass die WLan-Versorgung absichtlich so schlecht sei. „Es wäre ja furchtbar dumm, den Menschen den Zugang zu Schule und Kursen so schwer zu machen.“ Das Thema habe für die Staatsregierung einfach keine Priorität, betont sie.

Es gibt unkomplizierte Lösungen. Nur nicht in Erding.

Asylhelferin Maria Brand

Bayernweit haben etwa die Hälfte der Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralen Unterkünfte WLan. Bei einigen sei der Zugang technisch nicht zu realisieren, erklärt das Innenministerium, bei anderen dauere die Umsetzung lange, weil die Firmen ausgelastet sind. Zuständig seien die Träger – also die Regierungen für die Gemeinschaftsunterkünfte, und die Landkreise und kreisfreien Städte für die dezentralen. Deshalb gibt es auch von Kreis zu Kreis große Unterschiede.

Das Erdinger Landratsamt weist darauf hin, dass es nur dazu verpflichtet sei, die Internetanschlussfähigkeit herzustellen. Das sei in fast allen Unterkünften passiert. Maria Brand hat auf ihre jüngste Anfrage wieder nur die Auskunft bekommen, es stehe den Ehrenamtlichen frei, Verträge abzuschließen. „Das Landratsamt setzt darauf, dass wir Ehrenamtliche irgendwann müde werden“, glaubt sie. Das wird sie nicht, verspricht sie. Vor Kurzem hat sie von einem Helfer aus Aichach erfahren, dass das Landratsamt dort in allen Unterkünften WLan bereitstellt. „Es gibt unkomplizierte Lösungen“, betont sie. „Nur nicht bei uns in Erding.“

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