Die Frau mit dem Helfer-Gen

Die Geschichte der Nachbarschaftshilfe Isen-Lengdorf-Pemmering (NBH) ist eng verbunden mit der ihrer heutigen Einsatzleiterin Patrizia Brambring (57).
VON HENRY DINGER
Isen/Lengdorf –Vor einem Vierteljahrhundert, im Frühjahr 1994, wurden im Pfarrverband Isen-Lengdorf-Pemmering Überlegungen laut, wie man eine Nachbarschaftshilfe auf die Beine stellen könnte. Federführend war Pfarrer Robert Hlawitschka, der die ehrenamtliche Hilfe organisierte.
„Damals war an einen Verein noch nicht zu denken“, erinnert sich Brambing an die Anfänge. Als Einsatzleiter der ersten Stunde waren in Isen Konrad Kesenheimer und in Lengdorf Hilda Rübensaal aktiv. Sie agierten damals noch von zu Hause aus und versuchten, freiwillige Helfer zu akquirieren. „Daraufhin habe ich mich gemeldet“, erzählt Brambring.
Die damals 32-jährige lebte mit ihrem Mann Willi und ihren zwei Kindern in Lengdorf. Anderen zu helfen, war für sie eine Selbstverständlichkeit. „Zu der Zeit habe ich auch noch meine Schwiegereltern gepflegt“, erzählt die heute 57-Jährige, die aus der Krankenpflege kommt und „wohl ein Helfer-Gen“ in sich trägt, wie sie betont.
Die Hilfsbereitschaft der engagierten Frau wird schon damals sehr geschätzt. Mehrmals pro Woche übernimmt sie Einsätze, kümmert sich um Senioren, besucht alleinstehende Patienten im Krankenhaus oder unterstützt Familien, die kurzfristig Hilfe brauchen. Auch besonders schwere Aufgaben muss die junge Mutter meistern: Sie begleitet Sterbende auf dem letzten Weg. „Ein Palliativ Team gab es damals noch nicht“, blickt sie zurück. Bei der Sterbebegleitung nutzt Brambring ihre Erfahrungen aus dem Krankenhaus.
Etwa 25 Helfer hat die NBH zu der Zeit. Sie unterstützen wie heute Menschen im Alltag, helfen bei den Hausaufgaben, übernehmen Fahrdienste zu Ärzten und Ämtern, gehen für andere einkaufen oder liefern Mittagessen aus. Mitte 2005 übernahm Patrizia Brambring die Einsatzleitung in Isen.
Einige Monate später war es wiederum Pfarrer Hlawitschka, der die NBH auf die soliden Beine eines eingetragenen, gemeinnützigen Vereins stellen wollte. Etwa 70 Mitglieder verabschiedeten im Januar 2006 eine Satzung und wählten Franz Stangl zum Vorsitzenden. An seiner Seite standen Heidi Moser, die auch heute noch Zweite Vorsitzende ist, und Kassier Matthias Brenner, der diesen Posten ebenfalls noch inne hat. Schriftführerin war Barbara Bernauer, Beisitzer Franz Fischer, Josef Irl und Barbara Obermaier. Pfarrer Hlawitschka sowie die drei Einsatzleiterinnen wurden zu geborenen Mitgliedern erklärt und zählten automatisch zur Führungsriege.
Dem Verein gehörten damals etwa 100 Mitglieder an, der Jahresbeitrag liegt bis heute bei zwölf Euro. Ziemlich rasch bezog die NBH einen Sitz im Brunauerhaus am Isener St.-Zeno-Platz. Auf Brambring kam nun mehr Arbeit zu. Seit Mitte 2006 hatte sie die Einsatzleitung für Isen und Lengdorf allein inne, später übernahm sie noch Pemmering. Sie kümmert sich um Organisatorisches, koordiniert Helfer, schreibt Einsatzpläne. Das hindert die engagierte Frau nicht daran, selbst täglich vor Ort unbürokratisch zu unterstützen.
Die 57-jährige ist selbst oft bei den Hilfebedürftigen vor Ort, pflegt, berät bei der Pflege, gibt Kranken und Angehörigen Halt, spendet Trost, unterstützt bei Anträgen und Formularen. Um in allen Belangen fit zu sein, steht auch Weiterbildung auf dem Programm der Lengdorferin. Ihre Palliativ-Care-Ausbildung wird um jahrelang erworbene Kompetenz als Demenz-Expertin ergänzt.
Dass ihre Einsätze nicht immer glatt laufen, zeigen Erlebnisse, die sie schmunzelnd erzählt. So musste sie schon mal über einen Zaun klettern, als ein Betreuter aufs Klingeln nicht gehört hatte. Oder sie hat im Winter mit den Widrigkeiten des bergigen Isens und abgelegener Weiler gekämpft und ist mit dem Familien-Golf stecken geblieben. Seit die NBH ein eigenes Allrad-Auto hat, ist diese Gefahr gebannt.
2013 kam ein neuer Bereich hinzu. Vor allem Brambrings Initiative ist es zu verdanken, dass an der Bischof-Josef-Straße 14 der Nachbarschaftstreff „Hand in Hand“ eröffnen konnte. Dort treffen sich mehrmals pro Woche Menschen zum Reden, zu leichter Gymnastik oder zu Spielen. Geschätzt wird vor allem das gemeinsame Mittagessen dienstags und freitags. „Es lohnt sich für viele doch gar nicht, allein zu Hause zu kochen und zu essen. Hier gibt’s Gesellschaft“, sagt Brambring. Der Treff ist auch für pflegende Angehörige eine Auszeit, in der sie Kraft schöpfen.
Darüber hinaus organisiert die Einsatzleiterin einmal jährlich einen Ausflug auch für Menschen im Rollstuhl und mit Rollator.
Die Nachbarschaftshilfe zählt heute knapp 460 Mitglieder, davon etwa 55 Helfer. 4000 Stunden waren sie im vergangenen Jahr im Einsatz; auf Brambring entfällt davon etwa die Hälfte. Rund 1000 Kilometer ist sie im Monat auf Achse. Und sie selbst? „Wenn ich weiß, dass niemand dringend meine Hilfe braucht, fahre ich mit meinem Mann spontan zwei oder drei Tage zum Wellnessen“, sagt die inzwischen zweifache Großmutter lachend. Das Handy bleibt dabei aber, wie sonst auch immer, im 24-Stunden-Betrieb.
„Der schönste Lohn für mich ist, wenn ich die Menschen im Pfarrverband durch unsere Hilfe gut versorgt weiß“, sagt Brambring. Neulich habe jemand zu ihr gesagt: „Vor dem Altwerden habe ich keine Angst, ich weiß, dass es die Nachbarschaftshilfe gibt.“ Aber, wie Brambring betont, „klappt das nur mit einem engagierten und motivierten Team von Helfern, auf das ich immer wieder zurückgreifen kann. Dafür bin ich unwahrscheinlich dankbar.“ Dieses Ehrenamt sei zu ihrer Lebensaufgabe geworden, da darin Leidenschaft, Empathie und Achtsamkeit mit stets geöffnetem Ohr und Herz verpackt seien.