Brustkrebs: „Es tut gut, Probleme offen anzusprechen“

Christine Deischl aus Pastetten übt ein ganz besonderes Ehrenamt aus. Sie weiß aus eigener schwerer Erfahrung ihrer Brustkrebserkrankung, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu unterstützen.
Pastetten - Es war im Jahr 2014, als Christine Deischl die niederschmetternde Diagnose erhielt: Brustkrebs. Für die damals 53-Jährige war der Schock groß. „Ich stand völlig alleine da, hatte viele Fragen. Über allem schwebte natürlich die Angst, sterben zu müssen.“ Heute, acht Jahre später, gilt die Pastettenerin als genesen. „Ich hatte das unwahrscheinliche Glück, zur Behandlung in einer der Studiengruppen von Professorin Nadia Harbeck zu kommen“, erzählt Deischl.
Die promovierte Ärztin leitet das Brustzentrum der LMU München. Sie gilt als die „Brustgöttin“ Deutschlands, die ihre Forschungsergebnisse nutzt, um personalisierte Therapien weiterzuentwickeln. „Dadurch bekam ich eine Behandlung aus einem Guss, die ich nicht weiter hinterfragen musste“, erklärt Deischl. Auch deshalb kam sie vermutlich um eine Chemotherapie mit schweren Nebenwirkungen herum.
Doch nicht nur die spezialisierte Behandlung in Großhadern hat ihr Lebensmut gegeben, auch Gespräche mit ebenfalls Betroffenen in der Münchner Gruppe der Frauenselbsthilfe Krebs, einem bundesweit agierenden Verein. Unter dessen Dach sind zehn Landesverbände vereint, die wiederum viele Ortsgruppen bündeln. „Die Gruppe München wurde 2010 gegründet und gehört zum Landesverband Baden-Württemberg/Bayern, der ebenfalls ein eingetragener Verein ist“, erklärt Deischl, die Gattin des Pastettener Bürgermeisters Peter Deischl und 2. Vorsitzende des Erdinger Arbeitskreises der Unternehmerfrauen im Handwerk ist.
Seit 2015 ist sie im Selbsthilfezentrum in der Westendstraße in München dabei, dort treffen sich die Betroffenen jeden zweiten Freitag im Monat. „In Erding und in den Nachbarlandkreisen gibt es kein Angebot dieser Art“, begründet Deischl, warum sie den Weg nach München auf sich nimmt. Für die gelernte Erzieherin waren und sind die Aktivitäten in der Gruppe sowie die Gespräche ein Segen. „Es tut gut, nicht um den heißen Brei herumreden zu müssen und Probleme offen anzusprechen. Mit den Leidensgenossinnen kann man Tacheles reden, da weiß jede gleich, worum es geht. Das ist in der Familie oder mit Freunden oft nicht in dieser Offenheit möglich“, so Deischl.
Sie weiß aber auch, dass es dennoch manchen Betroffenen Überwindung kostet, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. „Es könnte ja jemand dabei sein, den man kennt. Krebs ist leider immer noch ein schambehaftetes Thema, das bei einigen Erkrankten Schuldgefühle hervorruft und im eigenen Empfinden ein Zeichen von Schwäche ist: Sie reden nicht gern darüber.“ Obwohl derzeit nur betroffene Frauen dabei sind, ist die Gruppe auch für Angehörige und für Männer offen. „Männer bekommen genauso Brustkrebs“, sagt Deischl, „sie sind aber innerhalb des Verbands ebenfalls selbst vernetzt“.
Die Altersstruktur der zurzeit 39 Frauen ist gemischt, die ältesten Teilnehmerinnen sind 91 und 89 Jahre alt. „Sie sind nicht immer dabei. Aber wenn, dann können sie sich mit guten Erfahrungen einbringen“, sagt Deischl. Derzeit in Planung ist eine Untergruppe für junge Frauen unter 45 Jahren. „Sie wollen sich vielleicht auch zu anderen Zeiten treffen, oder auch mal online.“
2019 stand die heute 61-jährige vor einer wichtigen Entscheidung: „Das Leitungsteam, das aus einer Vorsitzenden, einer Stellvertreterin und einer Kassierin besteht, hatte beschlossen, sich zurückzuziehen, da sie alle schon sehr lange dabei waren“, erzählt die engagierte Frau. „Die Frage war nun: Was tun? Die Gruppe stand vor der Auflösung.“
Für Deischl ein Ding der Unmöglichkeit. „Das wollte ich nicht. Wir als Betroffene werden hier so gut aufgefangen, die Selbsthilfe ist ein so wichtiger Faktor. Es gibt nicht nur Antworten auf medizinische Fragen, sondern auch persönliche Kontakte, es entstehen Freundschaften, die weit über die Treffen hinausreichen.“ Der Entscheidungsprozess habe zwei Monate gedauert, so Deischl, aber danach war sie bereit, die Leitung zu übernehmen. An ihrer Seite stehen Claudia Klein aus Reichersbeuern und Dr. Gerlinde Schwaiger aus Landsberg.
Das Trio kümmert sich um die vielschichtigen Aktivitäten. Am wichtigsten seien die Gespräche untereinander – per Telefon, „aber auch gerne bei einem Spaziergang. In München und in Bad Tölz gibt es zusätzlich das Angebot zum ,Reden und Gehen‘. Da ist man manchmal auch nur zu zweit unterwegs.“ Darüber hinaus unternehmen die Frauen Ausflüge. „Wir nehmen am Leben teil, in der Vergangenheit gab es beispielsweise eine Stadtführung, wir waren im Tierpark, oder wir haben uns im Biergarten getroffen“, erklärt die Leiterin.
Wichtig für die Gruppenchefin sind auch Angebote von Vorträgen zu verschiedenen Themen. Letztens habe eine Gedächtnistrainerin das Thema „Chemobrain“ – eine Art Gedächtnisstörung – näher erläutert und dazu Übungen angeboten. Dass dies finanziell machbar ist, ermöglichen der „Runde Tisch“, das ist die Vereinigung der Krankenkassen, und die Deutsche Krebshilfe, die den Großteil der Kosten dafür übernimmt. Denn die Gruppe an sich ist für die Teilnehmerinnen kostenlos.
Kontakt: Christine Deischl ist unter Tel. (0 81 24) 9 09 95 22 erreichbar. Auf www.frauenselbsthilfe-bw.de/gruppen-vor-ort/gruppe-muenchen gibt es Infos online.
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