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Taufkirchen: Großer Regisseur im kleinen Kino

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Von: Birgit Lang

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Zwei, die sich mögen: Marcus H. Rosenmüller und Kinocafé-Betreiber Andreas vom Hofe (vorne, v. l.). Die Kinobesucher freuten sich über den Besuch des bekannten Regisseurs in Taufkirchen.
Zwei, die sich mögen: Marcus H. Rosenmüller und Kinocafé-Betreiber Andreas vom Hofe (vorne, v. l.). Die Kinobesucher freuten sich über den Besuch des bekannten Regisseurs in Taufkirchen. © Birgit Lang

Er kommt gern in kleine Kinos: Star-Regisseur Marcus H. Rosenmüller aus Hausham stellte im Kinocafé Taufkirchen seinen ersten Animationsfilm und sprach über vieles mehr.

Taufkirchen – Er sagt sofort ja, wenn es um ein neues Filmangebot geht, und er liebt das Kinocafé: Welch’ ein Glück für die Taufkirchener Cineasten, denn wer kann schon behaupten, dass ein derart erfolgreicher Regisseur wie Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) regelmäßig zu Besuch kommt. Am Freitag war’s wieder soweit. Der „Rosi“, wie er von Freunden genannt wird, stellte seinen ersten Animationsfilm „Willkommen in Siegheilkirchen – der Deix-Film“ vor.

Kurzfristig hatte er seinen Freund Hermann Schrägle aus Gebensbach darüber informiert, der in einigen seiner Filme als Set-Lehrer für die Kinder mitgewirkt hat. Schrägle sendete sofort eine Rundmail los, auch so war der Kinosaal ratzfatz voll. Aus Dorfen, Erding und sogar Leipzig waren Zuschauer gekommen. Rosenmüller kam kurz vor Filmbeginn, um alle im Saal zu begrüßen, und sprach nach der Vorstellung eine Dreiviertelstunde lang mit dem Publikum.

Dazwischen erwartete die Kinogänger eine 85-minütige Satire über das Heranwachsen eines Buben Ende der 1960er Jahre im ultrakonservativen, österreichischen Provinznest Siegheilkirchen, in dem die Ewiggestrigen noch leben, wo Bigotterie, Prüderie und Fremdenfeindlichkeit herrschen.

Während die Hauptfigur, der Rotzbub, sein Talent für erotische Zeichnungen der dickbusigen Metzgereigehilfin entdeckt und deren Verbreitung für einen Skandal sorgt, wird im Hintergrund ein Anschlag auf eine zugezogene Gruppe von Roma geplant. Bis zum Schluss zitterten viele im Saal, ob dies für den Burschen wohl gut ausgehen mag.

Rosenmüller wurde mit viel Applaus bedacht und erzählte, wie es zu seiner durchaus provokanten Hommage an Manfred Deix gekommen ist. Voller Begeisterung berichtete er von der Entstehungsgeschichte, die 2012 begann und 2020 endete. Er schilderte, wie schwierig es gewesen sei, alles realistisch in 3D zu kreieren, von den Stoffen bis zu den Bewegungen der Figuren.

Voll des Lobes war er für die Synchronsprecher, darunter Schauspielgrößen wie Adele Neuhauser oder Erwin Steinhauer, die den Karikaturen durch ihre Interpretation und Kreativität auch etwas von ihrer Qualität gaben.

Mit einem Glas Wein in der Hand verriet Rosenmüller: „Der Film hat bei mir was bewirkt, ich habe wahnsinnig viel dabei gelernt.“ Schließlich war die Animation für ihn komplettes Neuland und er dankbar, dass ihm mit Co-Regisseur Santiago Lopéz Jover ein spanischer Profi zur Seite stand.

Rosenmüller bedauerte, dass er den Karikaturisten Manfred Deix, der 2016 verstorben ist, nicht mehr persönlich kennengelernt hat. Aber bei den Anfängen des Films sei er noch dabei gewesen, habe seinen Segen zum Drehbuch und für die Verwendung seiner Figuren gegeben. Seine Frau habe den Film schließlich freigegeben.

Deix genießt in seiner Heimat Österreich als Cartoonist Kultstatus. In Deutschland kennt man ihn von seinen Comics im Stern und seinen provozierenden Karikaturen im Nachrichtenmagazin Der Spiegel oder dem Satire-Magazin Titanic.

Der Film sei „eine fiktive Biografie mit all seinen Figuren – bis auf da Rotzbub selber, Mariolina und Natascha, die sind nicht aus dem Oeuvre von Manfred Deix“, erklärte Rosenmüller. Stolz zeigte er sich, dass sein Film erstmals im französischen Annecy, beim weltgrößten Animationsfestival, gelaufen ist und heuer den österreichischen Filmpreis für den publikumsstärksten Kinofilm erhielt.

Für Deix habe es drei große Themen gegeben, so Rosenmüller: Skandale aus der Kirche („Da bin ich noch brav“), die Faschisten in Österreich sowie die Heuchelei der Gesellschaft, Politik und Andersdenkende. Den Deutschen sei der Film „ein bisserl zu derb“, den Österreichern „a bisserl zu sanft“, meinte er. Ob der Streifen ein kommerzieller Erfolg sei, wollte ein Gast wissen. „In Österreich schon, in Deutschland mäßig“, so die ehrliche Antwort.

Warum Deix die Leute so „greislig“ zeige, fragte eine Frau im Publikum. „Er zeigt sie, wie sie sind“, meinte Rosenmüller. Generell böten einem Animationsfilme alle künstlerischen Freiheiten, wie etwa die traumatisch-witzige Geburtsszene am Anfang. Den Titel „Siegheilkirchen“ habe er gewählt, weil er provokanter sei als der Ursprungstitel „Rotzbub“, unter dem der Film in Österreich lief, und man damit nicht Kinder ansprechen wollte.

Auch über neue Projekte sprach der 49-Jährige. So kündigte er neue Geschichten vom Pumuckl an. Florian Brückner werde in den 13 TV-Folgen den Meister Eder spielen. Für Rosenmüller ist es „eine Verneigung vor der alten Serie. Ich hoffe, den Kindern taugt’s.“ Außerdem plant er eine Realverfilmung von „Nils Holgersson“ mit animierten Tieren. Aber der sei noch nicht finanziert. Sein Deix-Film sei mit über fünf Millionen Euro richtig teuer gewesen, das sehe man auch am langen Abspann. „Umschneiden kann man sich da nicht leisten.“

Rosenmüller zeigte sich auch nachdenklich. Die Kinobranche sei sehr am kämpfen. Oft sei es schwer, Filme zu produzieren. Deshalb bat er die Anwesenden: „Geht’s viel ins Kino!“ Dass Rosenmüller dafür brennt, das erlebten die Zuschauer an diesem Abend hautnah.

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