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Pumuckls Wiedergeburt: Neubeginn in Walpertskirchen

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Von: Timo Aichele

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So hat sich Pumuckl verändert (v. l.): die Siegerzeichnung von Barbara von Johnson 1963, ihre Fortentwicklung für den Herold-Verlag 1965 bis 1978, Brian Bagnalls Pumuckl ab 1972, der Filmstar mit dem roten Haar ab 1982 und das von Barbara von Johnson gezeichnete Cover des 2018 im Kosmos-Verlag erschienenen Buchs „Sommergeschichten“.
So hat sich Pumuckl verändert (v. l.): die Siegerzeichnung von Barbara von Johnson 1963, ihre Fortentwicklung für den Herold-Verlag 1965 bis 1978, Brian Bagnalls Pumuckl ab 1972, der Filmstar mit dem roten Haar ab 1982 und das von Barbara von Johnson gezeichnete Cover des 2018 im Kosmos-Verlag erschienenen Buchs „Sommergeschichten“. © Ellis Kaut, Barbara von Johnson, Infafilm Manfred Korytowski GmbH, BR & Pumuckl Media GmbH

„Hurra, hurra -  der Pumuckl ist da!“ 2020 ist die Kult-Serie wieder im Bayerischen Fernsehen zu sehen. Neue Filmprojekte sind am Entstehen.  Bei all dem hat die Walpertskirchenerin Steffi Vogel die Finger drin.

Walpertskirchen – Pumuckl steht für lautes Lachen und frechen Freiheitsdrang. Doch seine Schöpferinnen waren über Jahrzehnte gefangen in einem Streit um den Kobold mit dem roten Haar. Seine Erfinderin, die Autorin Ellis Kaut, und seine erste Zeichnerin Barbara von Johnson prozessierten immer wieder – zuletzt 2007 darüber, ob der Klabautermann eine Freundin haben darf. Erst fünf Jahre später, zu Pumuckls 50. Geburtstag, versöhnten sich seine beiden Mütter. Doch auch danach war der Rechts- und Rechtestreit noch nicht ganz beendet. Erst ein neues Mitglied der Pumuckl-Familie brachte die endgültige Einigung auf den Weg: die Walpertskirchener Grafikerin Steffi Vogel. Sie ist seit 2016 treibende Kraft hinter dem „Ellis-Kaut-Pumuckl-Team“.

Genau das steht auch an Vogels Postkasten in Walpertskirchen. Höchstens der Briefträger oder besonders aufmerksame Spaziergänger können bisher geahnt haben, dass hier die Geschicke dieser weltberühmten Figur mitgelenkt werden. Steffi Vogel hielt sich mit diesem Engagement bisher bedeckt. Das liegt auch an der Entstehungsgeschichte. Denn Pumuckl in Walpertskirchen – das hat viel mit einer tiefen Freundschaft der 54-Jährigen mit Uschi Bagnall zu tun, der Tochter der 2015 verstorbenen Pumuckl-Erfinderin.

Kindergeschichten und ein Haufen Arbeit: Steffi Vogel kümmert sich um die Interessen von Uschi Bagnall, der Tochter der 2015 verstorbenen Pumuckl-Erfinderin Ellis Kaut
Kindergeschichten und ein Haufen Arbeit: Steffi Vogel kümmert sich um die Interessen von Uschi Bagnall, der Tochter der 2015 verstorbenen Pumuckl-Erfinderin Ellis Kaut © Timo Aichele

Vogel hatte 33 Jahre lang beim Bayerischen Rundfunk gearbeitet – erst am Schriftgenerator für Texteinblendungen im Fernsehbild, dann in der Grafik und schließlich als „Eierlegende Wollmilchsau“, wie sie selber sagt, mit Aufgaben in der ganzen Produktion „In dieser Zeit habe ich Uschi kennengelernt. Es war sofort eine Seelenverwandtschaft“, erzählt die Walpertskirchenerin.

„Der Pumuckl hat alles aufgefressen“: Autorin Ellis Kaut hat darunter gelitten

Als enge Freundin der Familie bekam Vogel mit, welche Last der rothaarige Kinderliebling war. „Ellis Kaut, Uschi und Brian haben sehr gelitten unter dem Pumuckl“, erzählt sie. „Der Pumuckl hat alles aufgefressen“, hatte die Autorin einmal gesagt. Sie fühlte sich durch ihre Erfolgsfigur in weiteren kreativen Projekten behindert. Doch noch zermürbender wurden die juristischen Probleme. Einige Anwälte und Berater waren gut damit beschäftigt.

„Ich habe immer gesagt: Ich halte mich aus dem Pumuckl raus, das sollte unsere Freundschaft nicht belasten“, erzählt Vogel. Doch im März 2016 stand in ihrem Leben vieles auf Neuanfang. Gerade hatte sie beim BR gekündigt, zwei Tage später rief die alte Freundin Uschi an und klagte ihr Leid über die ewige Pumuckl-Misere.

Sie brach ihre eigene Regel und bot der Freundin Hilfe an. Auf einmal war sie mittendrin. „Ich habe angefangen, mich überall einzulessen. Plötzlich musste ich mit Anwälten verhandeln.“ Noch drei Jahre danach wundert sich die 54-Jährige selbst über ihre eigene Courage. Schließlich hatte sie zuvor um alles Juristische möglichst einen großen Bogen gemacht.

Jahrzehntelanger Rechts- und Rechtestreit um den Pumuckl

Doch Verträge und Paragrafen waren 2016 das große Problem. „Der Pumuckl war blockiert“, erzählt Vogel. Der Start des letzten Kinofilms war 2003. Eine dritte Staffel der Fernsehserie entstand ohne den mittlerweile verstorbenen Meister-Eder-Darsteller Gustl Bayrhammer in den 1990er Jahren – und versendete sich weitgehend unbeachtet. Da lag die produktive Zeit schon lange zurück.

Erfunden 1961, war Pumuckl zunächst nur durch BR-Hörspiele bekannt. Eine erste Gestalt verlieh ihm Barbara von Johnson, die mit ihrem Entwurf 1963 einen Wettbewerb an der Akademie für das grafische Gewerbe in München gewann. In den 1970er und 80er Jahren tobte der freche Klabautermann in jedem Kinderzimmer – in Büchern, der Fernsehserie, auf Schallplatten.

Bis heute begeistert der kleine Anarchist mit dem roten Schopf. Doch insbesondere neue Filme konnten aufgrund der unklaren Rechtslage zwischen den Rechteinhabern nicht entstehen. Als Vogel sozusagen in das Familienunternehmen ihrer Freundin Uschi Bagnall einstieg, mussten die Interessen von drei Parteien unter einen Hut gebracht werden: von Bagnall mit ihrem Ehemann Brian, von Barbara von Johnson und von Infafilm, der Gesellschaft, die die alte Fernsehserie produziert hatte.

Viele wollen den Pumuckl bei Amazon Prime sehen

Doch ab 2016 kam Bewegung in die Sache. Nach zähen Verhandlungen einigten sich die drei Lizenzinhaber auf eine Drittelung künftiger Einnahmen. Mittendrin immer Steffi Vogel. Die neu gegründete Pumuckl Media GmbH mit Geschäftsführerin Cornelia Liebig-Marciniak kümmert sich nun um neue Film- und Fernsehprojekte. „Es gibt schon Anfragen von ganz großen Studios“, verrät Vogel. Ein erster Meilenstein dieser Bemühungen ist seit März 2019 für die Abonnenten des Streamingdienstes Amazon Prime Video zu sehen: Die 52 Folgen von „Meister Eder und sein Pumuckl“ sind dort abrufbar. „Die Download-Zahlen sind der Hammer“, erzählt Vogel.

2020 strahlt auch das Bayerische Fernsehen die digital restaurierte Kultserie wieder aus. Der Sender, der früher Steffi Vogels Leben war. „Ich hab’ mich totgearbeitet. Durch die Gänge des BR bin ich nur gelaufen“, erzählt sie. Parallel hat sie auch als Künstlerin gearbeitet und von Mitte der 1990er Jahre bis 2011 die eigene Agentur VogelVision mit zeitweise 15 Mitarbeitern betrieben. Dazu kamen musikalische Projekte, unter anderem als Gstanzl-Sängerin, ihre künstlerische Leidenschaft als Malerin und die Familie mit Mann Jochen Maneck und Sohn Benedikt.

Der Wendepunkt kam 2015. Vogel wurde schwer krank. Über Wochen 40 Grad Fieber. Ein Blutbild, bei dem gestandene Ärzte vor der Patientin zu stottern begannen. „Das hat ausgesehen wie bei Leukämie im Endstadium. Die dachten, sie müssten mir sagen, dass ich nur noch Monate zu leben habe“, erinnert sich die 54-Jährige. Nach vielen Untersuchungen war klar: Es ist eine sehr seltene schwere Schilddrüsenerkrankung – und heilbar.

Goldene Zeiten: Autorin Ellis Kaut (M.) mit Tochter Uschi und ihrem Ehemann, dem Künstler, Grafiker und Pumuckl-Zeichner Brian Bagnall.
Goldene Zeiten: Autorin Ellis Kaut (M.) mit Tochter Uschi und ihrem Ehemann, dem Künstler, Grafiker und Pumuckl-Zeichner Brian Bagnall. © privat

Vogel konnte dennoch ein Jahr lang nicht arbeiten. Körperlich ging es langsam aufwärts, doch auch psychisch fiel sie in ein tiefes Loch. „Ich bin nicht einmal mehr Einkaufen gegangen“, erzählt sie. Dazu kamen auch ganz reale Existenzängste. Für die Freiberuflerin war der Verdienstausfall gravierend.

Dennoch: Im März 2016 kündigte sie beim BR. Denn nach der Zwangspause wusste die durchaus arbeitswütige Grafikerin: „Nicht mehr zurück ins Hamsterrad!“ Und das, obwohl sie beruflich noch keinen wirklichen Plan hatte. „Ich bin so dankbar dafür, dass ich zur Ruhe kommen musste.“

Und dann – nur zwei Tage nach der endgültigen Kündigung – kam dieser verzweifelte Anruf der guten Freundin Uschi. Erst zögerte die Walpertskirchenerin noch. „Ich hatte auch Angst vor dem Damokles-Schwert Pumuckl“, erzählt sie, vor Konflikten und vielleicht sogar finanziellen Risiken.

Angst vor „Damokles-Schwert Pumuckl“ - Adoption zur Absicherung

Zur Absicherung des neuen Mitglieds der Pumuckl-Familie geschah etwas, das von außen vielleicht unglaublich wirkt, sich für Steffi Vogel und die Bagnalls aber ganz natürlich anfühlte: Das Ehepaar adoptierte die etwa 20 Jahre jüngere Freundin. Die Freundschaft war ohnehin geprägt von Nähe und Tiefe. Gemeinsame Urlaube und von Anfang an die gleiche Wellenlänge – das Verhältnis war und ist familiär.

Die Idee sei sogar von ihrer eigenen Mutter gekommen, erzählt Vogel. „Lass dich halt adoptieren“, habe Mama Franziska Vogel zu ihr gesagt. „Jetzt habe ich bei Verhandlungen ein ganz anderes Standing, wenn ich mich als Tochter vorstellen kann“, erzählt die Walpertskirchenerin, die nun Steffi Vogel-Bagnall heißt. Das Familienleben auf dem Vogelhof sei davon aber nicht berührt, beteuert die 54-Jährige. Sie kümmert sich gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Vroni Vogel um die im gleichen Haus lebenden Eltern, Franziska (79) und Hans Jörg Vogel (80), wenn sie mal Hilfe brauchen.

Ins Projekt Pumuckl stürzte sich Vogel mit der Absicherung als Adoptivtochter dann mit vollem Elan. Wie es ihre Art ist, machte sie auch da keine halben Sachen. Jahre voller Telefonkonferenzen, Meetings und harter Verhandlungen folgten.

Es brodelt: Viele neue Pumuckl-Projekte entstehen

Heute ist Steffi Vogel stolz. Die Pumuckl-Bilder lernen derzeit mit der neuen Media GmbH wieder das Laufen. Das aktuelle Pumuckl-Musical ist ein Erfolg am Gärtnerplatztheater in München. Mit Andreas Hoffmann, einem Studienfreund der Walpertskirchenerin, wurde ein neuer Pumuckl-Zeichner für Merchandising-Artikel gefunden. Und auch darüber hinaus gibt es noch viel zu tun. Das „Ellis-Kaut-Pumuckl-Team“ kümmert sich um die Interessen von Uschi Bagnall, darunter sogenannte überhängende Rechte: im Theater- und Ausstellungsbereich oder wenn sich Kitas oder Restaurants mit dem berühmten Namen schmücken wollen.

Und bei all dem geht es der Grafikerin und Künstlerin auch um die Kreativität. Miss 100 000 Volt platzt zeitweilig vor Begeisterung und Tatendrang. Derzeit plant sie eine Pumuckl-Ausstellung mit Start in München – wo, wird noch nicht verraten. „Jeder will Pumuckl! Da brodelt’s gerade – so coole Projekte!“

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