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Warteraum Asyl: Annäherung nach großem Krach

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Von: Hans Moritz

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Völkerwanderung entlang der B 388: Dutzende Asylbewerber machen sich jeden Tag in Richtung Erding auf – viele zur S-Bahn, um zu Verwandten oder ins Ausland zu kommen. © Herkner

Erding - Krach um Camp Shelterschleife: Der Streit zwischen dem Landratsamt und dem Bundesmigrationsamt beziehungsweise Bundesinnenministerium wird erbittert geführt. Er scheint aber produktiv zu sein: Eine Annäherung ist spürbar.

Den Besuch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Samstag im Fliegerhorst hatte Landrat Martin Bayerstorfer für heftige Kritik am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) genutzt (wir berichteten). Die Pressestelle de Maizières brauchte zwei Tage, um den Schaden zu begutachten und die Scherben aufzukehren. Am Mittwoch kam aus Berlin die Botschaft: Die Erdinger Schelte für die Shelterschleife war ungerechtfertigt. Bayerstorfer sieht sich weiter im Recht: „Reihenweise wurde versucht, Verantwortung und Aufgaben abzuwälzen – ohne Kostenübernahme.“

Dass der Streit in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurde, hat offensichtlich auch etwas Gutes. Denn beide Seiten bewegen sich aufeinander zu. Bamf und Ministerium loben gar die gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden.

Tobias Plate, Sprecher des Bundesinnenministeriums, teilt unserer Zeitung mit, dass sich Rotes Kreuz und Bamf mit dem Jugendamt „wiederholt“ wegen der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF) abgesprochen habe. „Eine Inobhutnahme durch das Jugendamt fand bislang nicht statt“, so Plate. Camp-Leiter Heiko Werner ergänzt: „Die große Mehrheit der Kinder und Jugendlichen kommen mit Eltern oder Verwandten an. Sie sind also nicht unbegleitet und können weiterreisen.“

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Bayerstorfer bestätigt, dass bislang kein Minderjähriger übernommen werden musste. Es seien zwar Kinder angekommen, die nur in Begleitung fast volljähriger Geschwister waren. „Aber die will niemand trennen.“ Tatsache bleibe aber, „dass unser Jugendamt wiederholt Anrufe vom DRK bekam, in denen es um Betreuungsübernahme ging“. Dabei sei auch die Zahl 68 UMF gefallen – „trotz anfänglicher Zusage, dass dieser Personenkreis im Warteraum nicht vorgesehen sei. Der Kompromiss: Greift die Polizei außerhalb des Fliegerhorsts UMF auf, werden diese zum DRK ins Camp gebracht, sollten die Kapazitäten des Jugendamts erschöpft sein.

Weiter teilt Plate mit, dass in den täglichen Lagebesprechungen mehrfach über die Beprobung der Trinkwasserleitung und den Brandschutz gesprochen worden sei „und gemeinsam konstruktive Lösungen entwickelt wurden“. Bayerstorfer hingegen erinnert sich nur an ein Ergebnis: „Beprobungen nimmt das Landrats- beziehungsweise Gesundheitsamt grundsätzlich nicht vor. Dafür gibt es private Institute.“

Bayerstorfers Vorwurf, im Camp sei schwarz gebaut worden, entkräftet Werner: „Es fanden Gespräche und Begehungen mit der Stadt Erding statt. Das sollte der Landrat wissen.“ Der gesteht ein, „dass das in der Tat Sache der Großen Kreisstadt ist“. Dem CSU-Politiker missfällt, dass das Baugenehmigungsverfahren mit dem Hinweis umgangen worden sei, es handle sich Vorhaben in einem abgeschotteten Sicherheitsbereich. „Es hat für mich ein faden Beigeschmack, wenn sich der Bund auf diese Sonderregung zurückzieht, um das Camp dann wenig später quasi öffentlich zugänglich zu machen. Nur formalrechtlich mag das korrekt sein.“

Unbeantwortet lässt das Ministerium die Vorwürfe nicht bezahlter Rettungseinsätze sowie Behandlungen in Kliniken. „Das ist nach wie vor ungeklärt“, sagt Bayerstorfer und berichtet von einer Rechnung eines Landshuter Krankenhauses an seine Behörde. „Auf unsere Nachfrage hieß es, das Bamf habe mitgeteilt, die Erdinger Kreisverwaltung übernehme die Kosten.“ Hier will Bayerstorfer standhaft bleiben. Ebenso das Bamf. Das sieht die Zuständigkeit vor Ort, heißt es in einem Schreiben.

Dass der öffentliche Druck etwas bewegt, zeigt die Müllentsorgung. In der Tat war am Mittwoch der Dreck neben der B 388 weitgehend verschwunden. „Das ist nicht im Auftrag des Landratsamtes geschehen. Das muss das Bamf veranlasst haben“, versichert der Landrat. Generell sei hier Bewegung in die Sache gekommen: „Das Bamf hat einen Vertrag mit einem Entsorger geschlossen, der den Müll nach dem Abfallwirtschaftgesetz des Landkreises zur Deponie nach Isen bringt.“

Verhärtet bleiben die Fronten hingegen beim Streit um den freien Auslass. Ministeriumssprecher Plate versichert, dass es keine Rechtsgrundlage gebe, die Flüchtlinge am Verlassen des Warteraums hindern könne. Bayerstorfer hingegen meint: „Es kann nicht sein, dass Hunderte in unserem Land unterwegs sind, und der Staat davon nichts weiß.“ Nicht gefallen wird ihm, dass das THW gestern Schilder anbringen ließ, die den Weg vom Camp zum Bahnhof weisen. In diesem Zusammenhang bestätigte der Landrat Informationen unserer Zeitung, dass nun doch eine Brücke über die B 388 gebaut werden könnte. „Das Straßenbauamt bleibt skeptisch, aber das Bamf würde die Querung bezahlen.“

Bald abrücken wird das THW, der Aufbau ist zu Ende. Alle Shelter – über 1500 beheizte Plätze stehen aktuell zur Verfügung – waren schon einmal belegt. Danach übernimmt den Betrieb allein das DRK.

Hans Moritz

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