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Sturmtief Burglind reißt die dickste Eiche im Landkreis um
Der Tod eines Riesen
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Mächtig steht er inmitten eines Feldes zwischen Aiterbach und Unterkienberg, seine Äste ragen erhaben in den Himmel. Nichts kann diesen ehrwürdigen Baum erschüttern, so scheint es. 500 Jahre trotzt er Wind und Wetter, wird im Jahr 2011 als „dickste Eiche im Landkreis Freising“ ausgezeichnet. Doch die Aiterbacher Eiche ist nicht mehr. Der Sturm „Burg-lind“ wurde ihr zum Verhängnis – und ein Feuer am Neujahrstag.
Aiterbach
Oktober 2011: Das Amt für Landwirtschaft ruft im internationalen Jahr der Wälder den Wettbewerb „Die dickste Eiche im Landkreis Freising“ aus. Unzählige Bäume werden gemeldet. „Aber keiner so oft wie die Eiche von Aiterbach“, erinnert sich Förster Hans-Helmut Holzner. 6,75 Meter Umfang misst der mächtige Baum damals – und macht damit das Rennen in dem Wettbewerb. Schon 2011 pilgern Interessierte zum imposanten Gewinner des Wettstreits, sie staunen über die mannshohe Höhle im Stamm der knorrigen Eiche. Das 500 Jahre alte Naturdenkmal erfährt damit endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient.: Die Feuerwehr Allershausen rückt um 23.20 Uhr zu einem Einsatz aus. Fünf Meter hohe Flammen schlagen aus dem ausgehöhlten Stamm der alten Eiche. Die Brandursache ist unbekannt. Aber: „Eine natürliche Ursache, wie beispielsweise ein Blitz, scheidet aus“, sagt der Kommandant der FFW Allershausen, Friedrich Moser. Und es ist nicht das erste Mal, dass sich Unbekannte an dem Baum vergreifen. Schon in der Vergangenheit musste der Besitzer Alfons Sixt desöfteren verkokelte Stellen an der Stamminnenseite feststellen. „Dieses Mal haben sie es geschafft“, sagt Kommandant Friedrich Moser voller Bedauern. Der Wind an dem Abend hat sein übriges dazu beigetragen, um das Feuer lichterloh brennen zu lassen.
: Sturmtief Burglind zieht mit orkanartigen Böen über Deutschland. Die Schäden, die es anrichtet, werden deutschlandweit auf 200 Millionen Euro geschätzt. Und auch die angeschlagene Eiche in Aiterbach hält der Wucht des Sturms nicht stand. Denn bereits Ende Oktober 2017 hat ein starker Herbststurm einen vertikalen Riss im Stamm hinterlassen. In Zusammenspiel mit dem Brand am Neujahrstag, der den Stamm des alten Baumes sehr geschwächt hat, und durch die Kraft von Burglind kommt es, wie es kommen muss: Die knorrige alte Eiche bricht in zwei Teile, das 500 Jahre alte Naturdenkmal ist Geschichte.
„Das geht mir persönlich sehr nahe.“ Es ist ein trauriges Bild, wie Förster Hans-Helmut Holzner vor der vom Sturm gefällten Eiche steht. Freilich, auch Bäume leben nicht ewig, sagt er gestern bei einem Treffen mit dem Tagblatt. Dennoch habe es sich hier um einen Ausnahmebaum gehandelt mit seinen (geschätzten) 500 Jahren. „Wenn man sich das mal vorstellt: Als Kolumbus Amerika entdeckte, stand der Baum wohl schon.“ So alt könnten übrigens nicht nur Eichen, sondern auch Linden werden. Doch da das gesamte Land unter Bewirtschaftung stehe, seien 500 Jahre schon eine große Ausnahme – und „vor dem Hintergrund tut es doppelt weh“, sagt Holzner. „An so einem Baum kann man auch ablesen, wie kurz die Lebensspanne eines Menschen ist“, philosophiert er.
Alle, die die altehrwürdige Eiche kannten, sind tief betroffen. Zum einen freilich der Besitzer, Alfons Sixt aus Allershausen. „Der Baum war sicher hinderlich für ihn, hat er doch bei der Feldbestellung immer um den Baum herumfahren müssen – aber das war es ihm wert und diese positive Haltung habe ich immer bewundert“, betont Holzner.
Sixt informiert Holzner sofort über WhatsApp über das Ende der geschichtsträchtigen Eiche. Der Förster setzt sich ins Auto und macht sich auf den Weg nach Aiterbach, um Fotos zu machen. „Drei Stunden war ich da, weil unzählige Menschen zu der alten Eiche gepilgert sind, um Anteil am Tod des Baumes zu nehmen. Das hat mich sehr berührt“, erzählt Holzner.
Imposant ist die Eiche von Aiterbach auch nach ihrem Ableben noch: Auf gut 1000 Quadratmetern haben sich der gespaltene Stamm und die vier mächtigen Äste ausgebreitet. Sobald der nächste Frost einsetzt, wird der Landwirt die Eiche abholen lassen, will sie zu Brennholz verarbeiten. Bis gestern stiegen noch Rauchschwaden, Überreste des Brandes vom Neujahrstag, aus dem Stamm – ein gespenstischer Anblick.
Ob der Titel „Dickste Eiche“ nun an den Zweitplatzierten Baum am Schafhof weitergereicht werde? „Wenn ein Olympiasieger stirbt, bekommt ja auch nicht der Zweite plötzlich die Goldmedaille“, erklärt Holzner. Den Titel nimmt Aiterbachs Eiche also mit ins Grab.
Video: So wütete Burglind in Deutschland
Video: Glomex