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„Extrem schwierige“ Zeiten: Deutsche Hopfenpflanzer mit bitterer Jahresbilanz und düsterer Prognose

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Hopfengarten bei Nandlstadt
Sichtlich magere Reben – wie hier auf einer Anbaufläche bei Nandlstadt – prägen derzeit das Bild in den Hallertauer Hopfengärten. Die anstehende Ernte verspricht keine gute zu werden, wie der Pflanzer-Verband nun prognostiziert. © Richard Lorenz

Die Hopfenernte steht an, doch bei den Pflanzern herrscht wenig Euphorie: Denn das Hopfen-Jahr 2022 ist ein Fiasko. Immerhin die Biertrinker brauchen nicht bangen.

Hallertau – „Extrem schwierig“: So fasst der Deutsche Hopfenpflanzer-Verband das Jahr 2022 zusammen. Neben einer Rückschau auf die zurückliegende Vegetationsperiode haben die Verantwortlichen wie jedes Jahr um diese Zeit nun die offizielle Hopfen-Ernteschätzung für Deutschland veröffentlicht.

Explodierende Kosten, schwierige Preise

Wie in vielen Bereichen des Alltags und Wirtschaftslebens sind seit Jahresbeginn die Preise auch für Produktionsmittel im Hopfenanbau enorm gestiegen. Während man in den Nachrichten aber von Inflationsraten im einstelligen Bereich hört, sind die Kosten der Hopfenpflanzer laut Verband seit 2021 um 25 bis 30 Prozent gestiegen. Vor allem Preiserhöhungen für Energie und Verbrauchsmaterialien wie Aufleitdraht schlagen zu Buche und bereiten den Bauern wirtschaftliche Probleme. Der Großteil des Hopfens ist in langjährigen Vorverträgen bereits zu fixierten Preisen für die nächsten Jahre verkauft. Eine Erhöhung der Preise, um wenigstens einen Teil der Mehrkosten zu kompensieren, gestaltet sich entsprechend schwierig.

Noch hinzu kommt in 2022, dass die extrem heiße und vor allem trockene Witterung von Juni bis August die Hopfenreben sehr gestresst hat. Die Folge ist ein stark vermindertes Wachstum und in letzter Konsequenz eine schlechte Ernte. Die gestiegenen Kosten treffen also mit stark verminderten Einnahmen im Hopfenjahr 2022 zusammen.

Hoffnungen seit Ukraine-Krieg verpufft

Dabei hatte das Jahr gar nicht schlecht begonnen. Die vergangene Ernte 2021 war aus Sicht des Verbands eine gute und der Absatz des Hopfens verlief zufriedenstellend. Es wurden zwar keine Spitzenpreise erzielt, der Hopfen konnte aber überwiegend an die Brauwirtschaft verkauft werden und die befürchteten Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bier- und Hopfenindustrie fielen überschaubar aus. Der Rückgang der globalen Bierproduktion war geringer als erwartet, und in 2021 war bereits wieder um vier Prozent mehr als im Vorjahr produziert worden – mehr Hopfen wurde benötigt.

Im Februar 2022 aber begann der Ukraine-Krieg und in der Folge stiegen die Preise für fast alle Produkte an. Die Produktion der Intensiv-Kultur wurde besonders getroffen: Hopfen ist vermutlich die landwirtschaftliche Kultur, die am meisten unter den Preissteigerungen zu leiden hat, schätzt der Verband.

Erst der Hagel, dann die Hitze

Mitte Mai und Mitte Juni kam es in der Hallertau, dem größten Hopfenanbaugebiet in Deutschland, zu heftigen Hagelstürmen, in deren Folge etwa 2000 Hektar Hopfenfläche geschädigt wurden.

Im Juni dann begann die trockene und heiße Zeit in ganz Deutschland und Europa. Auch hier litt der Hopfen besonders stark, weil der für seine Entwicklung kritische Zeitraum Juni bis August genau die trockene und heiße Phase in Deutschland war. Eine im Vergleich zum Vorjahr erheblich geringere Erntemenge ist die Folge. Ebenso muss mit einem geringeren Alpha-Gehalt im Vergleich zum Vorjahr gerechnet werden.

Es läuft auf Bewässerung hinaus

2022 hat gezeigt, dass langfristig auch in Deutschland die Bewässerung der Hopfenproduktion ausgebaut werden muss. In fast allen anderen Ländern mit Hopfenanbau wird bereits bewässert. Der Klimawandel erfordert diesen Schritt nun zunehmend auch für deutsche Flächen. Hier müssen laut Verband in den kommenden Jahren die Hopfenindustrie zusammen mit Politik und Behörden tragbare und zukunftsfähige Systeme entwickeln. In Extremjahren wie 2022 leiden alle Hopfen unter Hitze und Trockenheit, sodass eine halbwegs vernünftige Ertragsstabilisierung nur durch Bewässerung erreicht werden kann.

Umstellung für die Brauereien

Es gibt mittlerweile aber auch Neuzüchtungen bei den Hopfensorten, die mehr Hitze- und Trockenstress tolerieren und deren Erträge deshalb nicht so drastisch einbrechen, wie bei den meisten älteren Sorten. Wie der Hopfenpflanzer-Verband betont, machen diese Sorten auch noch hervorragende Biere und sind zudem resistenter gegen Krankheiten und Schädlinge. Die Hopfenpflanzer würden sehr gerne viel mehr von diesen neuen nachhaltigen Sorten produzieren, allerdings erweist sich die Brauwirtschaft laut Verband hier etwas träge bei der Umstellung der Rezepte auf neue Hopfensorten und nimmt nur wenig dieser Hopfen ab.

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Der Pflanzenschutz im Hopfen war 2022 geprägt von Mehltau-Problemen zu Beginn der Wachstumsphase, was aber ausreichend bekämpft und zusammen mit Peronospora im weiteren Jahresverlauf kontrolliert werden konnte. Die Blattlaus-Entwicklung bereitete zu Saisonbeginn Sorgen, konnte aber ausreichend reguliert werden. Die Gemeine Spinnmilbe profitierte von der heißen Witterung und konnte sich ebenso wie der Erdfloh überdurchschnittlich gut entwickeln. Die Folge sind teilweise stark befallene Hopfenbestände bis hin zu Ernte- und Qualitätseinbußen.

Die Ernteschätzung für das Jahr 2022

Die offizielle Hopfenernteschätzung im Anbaugebiet Hallertau fand am 23. und 24. August statt. Auf einer Gesamtanbaufläche von 17.110 Hektar wurde ein Ertrag von 650.000 Zentnern (32.500 Tonnen) geschätzt. In den übrigen Anbaugebieten wurden ebenfalls Prognosen erstellt: In Tettnang werden 48 430 Zentner, in Elbe-Saale 53.827 sowie in Spalt 9813 Zentner erwartet. Im Anbaugebiet Bitburg beläuft sich die geschätzte Erntemenge für 2022 auf 400 Zentner. Dies ergibt eine Gesamtmenge von 753.128 Zentner (37 656 Tonnen) für das Bundesgebiet, und liegt damit etwa 20,8 Prozent unter dem Vorjahr.

Zögern bei Verträgen, Sicherheit beim Bier

Seit den Sommermonaten werden den Hopfenpflanzern von den Handelsfirmen Vorverträge zu den wichtigsten Sorten angeboten. Angesichts der völlig unklaren Kostenentwicklung herrscht allerdings bei den Hopfenpflanzern eine große Zurückhaltung beim Abschluss neuer Vorverträge. Laut Verband ist ohnehin der Großteil der Ernten 2022 bis 2024 bereits verkauft, sodass die Pflanzer derzeit lieber abwarten, bis sich die Produktionskosten wieder halbwegs planen lassen und dann ein angebotener Vorvertragspreis besser zu beurteilen ist.

Die Schätz-Zahlen zeigen, dass in der Ernte 2022 die bestehenden Verkaufskontrakte erheblich unterliefert werden. Die geringe Erntemenge lässt bei einigen Sorten höhere Preise für Spothopfen erwarten – allerdings wird aus Sicht der Experten davon kaum ein Pflanzer profitieren, weil nur sehr geringe Mengen nicht-vertragsgebundener Hopfen auf den Markt kommen werden.

Die Versorgung der weltweiten Brauwirtschaft scheint aber trotz der geringen Ernte 2022 gesichert, weil noch Vorräte aus der guten Ernte 2021 zur Verfügung stehen. Beim Hopfenpflanzer-Verband besteht daher keine Sorge, dass das Bier nicht gebraut werden kann, weil gar der Hopfen aus Deutschland nicht bezogen werden kann.
ft

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