Echinger TSV-Chef liefert berührende Einblicke in den Pflegealltag

Magda Liebscher, fiktionale Hauptfigur in „Auf Distanz und doch so nah“, dem zweiten Buch des Echingers Rudolf Hauke, hat auf den ersten Blick wenig Spektakuläres zu bieten. Aber eben nur auf den ersten Blick.
Eching - Auf knapp 200 Seiten begleitet der Lesende die Enddreißigerin, Mutter zweier halbwüchsiger Kinder, mit Paul und durchaus auch mit ihrem Beruf als Pflegebegutachterin verheiratet, in ihrem bundesrepublikanischen Alltag der Jetztzeit. Auch Corona und ein persönlicher Schicksalsschlag bleiben dabei nicht ausgespart. „Ein Muss für alle, die die Situation in unserem Gesundheitssystem und Pflegebereich besser kennenlernen wollen“, heißt es in einer Online-Rezension zu Haukes Roman, der ebenso wie sein autobiografischer Erstling „Der fremde Tropfen in meinem Blut“ thematisch wieder einen persönlichen Blick in das Gesundheitswesen wirft.
Berufliche Erfahrung als Triebfeder
Eine entscheidende Triebfeder für den Autor, Jahrgang 1954 und gebürtiger Augsburger, sich auch literarisch mit diesem vielschichtigen Feld auseinanderzusetzen, ist darin zu sehen, dass er viele Jahre lang als Vorstand der Kaufmännischen Krankenkassen unter anderem die Einführung der Pflegeversicherung begleitet hat. Hauke kann das deutsche Gesundheitssystem als Insider beurteilen. Dabei ist es ihm im Laufe seines Lebens, stark geprägt durch eine Krebserkrankung, zur Herzensangelegenheit geworden, die Kräfte im Gesundheitswesen in den Fokus zu nehmen.
Aus persönlicher Betroffenheit lässt ihn auch nach seinem Rückzug ins Privatleben das Thema Gesundheit und Krankheit nicht los. Hauke weiß, worüber er schreibt. In seiner sympathischen Hauptfigur personifiziert der Autor den doppelten Anspruch von notwendiger Distanz auf der einen und einem persönlichen Betroffensein auf der anderen Seite. Der Buchtitel „Auf Distanz und doch so nah“ bringt es auf den Punkt.
Um mit diesem Zwiespalt klar zu kommen, ist auch das Gespräch so wichtig, das Magda Liebscher sucht – mit ihrer Familie, vor allem mit ihrem Mann. Auch sie ist auf der Suche nach Nähe. Diese findet sich vor allem beim regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit ihren Kollegen.
Magda Liebscher macht ihr Beruf Freude. Ihre verantwortungsvolle Tätigkeit besteht im Wesentlichen darin, im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) den Grad der Pflegebedürftigkeit der Antragsteller bei einem Hausbesuch festzustellen. Diese Aufgabe erfüllt sie, bedeutet aber zugleich eine psychische Belastung. Der Hauptfokus von Haukes Buch liegt auf den einzelnen Episoden bei diesen täglichen Pflegebegutachtungen – mit all ihren berührenden, aber auch hässlichen Facetten. Authentisch, und aktuell verdichten sich die einzelnen Streiflichter zu einem realistischen, sehr unmittelbaren Eindruck zwischen Erheiterung und Betroffensein. Hier zeichnet Hauke ein fesselndes Bild einer Wirklichkeit, die jeden einzelnen treffen kann – entweder als Pflegebedürftiger oder als Angehöriger.
Beer-Schwestern fürs Cover verantwortlich
Besonders interessant für alle Echinger: Die eine oder andere Anspielung an seine Wahlheimat Eching, wo Hauke, vielen bekannt durch sein Ehrenamt als TSV-Vorsitzender, zusammen mit seiner Frau seit fünf Jahre zu Hause ist. Und auch die Gestaltung des Covers ist „Made in Eching“: Die beiden Schwestern Amelie und Leni Beer, letztere Pressebeauftragte des TSV und Spielerin der Damenmannschaft, haben dabei die Hauptrollen übernommen: Für das nachbearbeitete und verfremdete Titelfoto in plakativer Scherenschnittoptik zeichnet Amelie verantwortlich – mit der Schwester als „Fotomodell“.
Die Idee zu dem vorliegenden Buch, so gibt Rudolf Hauke Auskunft, war das zwanglose Beisammensein bei einem Abendessen an einem Tisch mit Pflegegutachtern, die „derart spannende, berührende, lustige und bewegende Geschichten erzählt haben, dass mir der Gedanke kam, darüber zu schreiben“.
Mit der konkreten Recherche begann der Autor vor rund zwei Jahren. Der Schreibprozess wurde im vergangenen Jahr noch einmal empfindlich durch Haukes schlechten Gesundheitszustand in Folge seiner Krebsbehandlung mehrere Monate unterbrochen – doch er ließ sich nicht entmutigen. Am liebsten und mit konzentrierter Leichtigkeit habe er vormittags geschrieben, da fließen die Gedanken und Formulierungen am besten, so seine Erfahrungen. Fast zwangsläufig baute Hauke bei seinem Roman, die aktuelle Corona-Pandemie mit ein. Zum guten Schluss wagt die Romanhandlung einen optimistischen Blick in die Zukunft, wo Corona glücklicherweise der Vergangenheit angehört.
Infos zum Buch
Rudolf Hauke: „Auf Distanz und doch so nah. Aus dem Leben der Pflegegutachterin Martha Liebscher“; BoD 2021, 197 Seiten, 9,90 Euro.
