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Faszinierendes Kunstprojekt: Musikhochschulabsolvent aus Freising komponiert Suite, die um Kunstwerke kreist

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Vier Frauen und Kameramann
Filmarbeiten: In der Werkstatt von Sallie McIlheran wurde für einen Dokumentationsfilm gedreht, der die Entstehung der Suite „Semikola“ beleuchtet. © Lorenz

Das ist ein außergewöhnliches Kunstprojekt: Ein Freisinger Musikhochschulabsolvent hat Gemälde vertont.

Freising - Es ist ohne Zweifel eines jener Kunst-Projekte, die ihren Schatten vorauswerfen und mit Sicherheit ein Echo zurücklassen werden. Denn dem Komponisten und Musiker Lukas Maier ist mit „Semikola“ etwas gelungen, was letztendlich kaum in Worte zu fassen ist, außer faszinierend, wunderschön und tief herzberührend. Mit seiner Arbeit beschreitet er nämlich ganz neue Wege und vertonte drei Gemälde von drei einzigartigen Künstlerinnen.

Die Vorfreude lag deutlich in der Luft, als Maier bei den Dreharbeiten zur „Semikola“-Dokumentation in Freising zum ersten Mal auf „Play“ drückte, und die drei beteiligten Frauen Sallie McIlheran, Laura Mayer und Tanja Riebel zum ersten Mal seine Vertonung ihrer Kunstwerke hören konnten. Denn das ist nämlich das Ungewöhnliche am Vorhaben des Absolventen der Musikhochschule München im Fach Komposition für Film und Medien: Es ist gar kein Film, den er sich für seine Abschlussarbeit ausgesucht hat, um dafür zu komponieren. Für seinen Abschluss wollte er selbst einmal in die Rolle des Regisseurs schlüpfen und eine musikalische Reise antreten, ohne sich an ein Drehbuch halten zu müssen.

Die Stille der Gemälde reizte den Künstler

So war die Stille der Gemälde für ihn äußerst reizvoll und die Interpretation der drei Blickpunkte eine Herausforderung, für die er auch schnell seinen Professor, den bekannten Musiker Gerd Baumann (Dreiviertelblut), gewinnen konnte. Entstanden ist so die Orchester-Suite „Semikola“ in drei Sätzen, und die hat es in sich. Punktgenau erfasst Maier in Dramatik und Dynamik die unterschiedlichen Fokussierungen der Malerinnen und zollt ihnen damit tiefsten und überaus berührenden Respekt.

Frauen mit Bildern
Meister der Bild- und Tonkomposition: (vo.) Sallie McIlheran (l.) und Tanja Riebel, (hi.) Laura Mayer und Lukas Maier. © Lorenz

Um die elf Minuten umreißt die Suite die beeindruckenden Werke von Sallie McIlheran, Laura Mayer und Tanja Riebel, die um ein gemeinsames Thema kreisen, nämlich die Klimakrise. Während McIlherans Bild „Tree of Dreams“ sich fragil der Rückschau widmet, zeichnet Mayer mit „Consumption“ ein Fabelwesen zwischen Größenwahn und Präambel des Untergangs. „Versumpft“ von Riebel kann möglicherweise als eine Mahnung und zugleich eine Zukunftsvision verstanden werden, sozusagen die ruhige Phase nach dem großen Sturm der Veränderungen.

Brillant setzt Maier hier sämtliche musikalische Möglichkeiten ein, um nach den Herzschlägen der Künstlerinnen zu suchen und sie auch zu finden. Denn das ist dem Komponisten wichtig: eine respektvolle Herangehensweise, ohne die eigene Kunstform höher zu stellen. Mit seinem Werk möchte Maier vor allem die Menschen einladen und abholen, sie zum Nachdenken animieren. Hier kommen dann auch Semikola, die Strichpunkte, ins Spiel: für den Komponisten eine reizvolle Chiffre für alles, was eben nicht eindeutig endet, sondern vielmehr in einer Weiterführung begriffen ist. Wie Musik per se, aber eben auch der Bilderzyklus von McIlheran, Mayer und Riebel – und letztendlich auch die Klimakrise.

Musikalisches Plädoyer für Frauen in der Kunst

Maier ist es zudem überaus wichtig, mit diesem Projekt aufzuzeigen, wie unterrepräsentiert normalerweise Frauen im Kunstbetrieb sind, was ihn ziemlich ärgert. Es gebe Strukturen in dieser Branche, die Talent aufgrund der Geschlechterfrage fernhielten. Die Aufgabe von Männern sei für ihn deshalb auch, Möglichkeiten für eine Perspektiven-Vielfalt zu schaffen, wenngleich er betont, dass er nicht deshalb die Künstlerinnen ausgewählt habe, sondern weil er ihre Arbeiten überaus schätze. Sehr glücklich zeigt sich Maier zudem darüber, dass er für seine Komposition die Dirigentin Sonja Lachenmayr und das Münchner Symphonieorchester gewinnen konnte, das seine Suite eingespielt hat.

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Der Dokumentarfilm über die Entstehung des Projekts inklusive Künstlerinnen-Interviews und der Uraufführung der „Semikola“-Suite soll Ende November dieses Jahres auf Youtube gezeigt werden. Die Kickstart Kultur Initiative der Uferlos GmbH zusammen mit der Freisinger Bank hat die filmische Dokumentation gefördert. Auch eine Live-Aufführung der Komposition ist angedacht. So ist dieses Projekt, jene Vermengung von bildender Kunst und Komposition, im Grunde alles andere als ein Semikolon, sondern vielmehr in der Gesamtheit ein Ausrufezeichen. Und zwar ein ganz deutliches!

Richard Lorenz

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