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„Das fand ich extrem erschütternd“: Bayerns Corona-Beauftragter über Schlüsselmomente in der Pandemie

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Von: Manuel Eser

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Im Kampf gegen Corona stand Staatsminister Florian Herrmann politisch an der Front.
Im Kampf gegen Corona stand Staatsminister Florian Herrmann politisch an der Front. © staatskanzlei

Vor drei Jahren gab es in Deutschland den ersten Corona-Fall. Staatsminister Florian Herrmann berichtet über schwierige Entscheidungen und Schlüsselerlebnisse.

Freising – Als Corona-Beauftragter war Staatsminister Florian Herrmann massiv in Entscheidungen zur Bekämpfung des Virus eingebunden. Im Interview mit dem FT erklärt der Freisinger, welche Beschlüsse besonders wichtig waren, wie gerüstet die Politik für künftige Pandemien ist, und was er heute vielleicht anders machen würde.

Herr Herrmann, nach drei Jahren Pandemie kehrt wieder so etwas wie gesellschaftliche Normalität ein. Wie viel Corona steckt noch im politischen Alltag des bayerischen Corona-Beauftragten?

Deutlich weniger als noch vor einem halben Jahr. Andere drängende Themen wie der Ukraine-Krieg und die Energieversorgung stehen jetzt im Vordergrund. Aber ich schaue mir noch täglich die Corona-Zahlen an, und wir nehmen alle vier Wochen unsere Verordnungen in den Blick. Aktuell haben wir in Bayern nur noch die Maskenpflicht für Beschäftigte in Arztpraxen und vergleichbaren vulnerablen Einrichtungen. Die läuft aber zum 31. Januar aus. Dann gibt es keine beschränkenden Maßnahmen mehr im Freistaat, die auf Landesrecht beruhen. Es gibt dann nur noch bundesweite Vorgaben, etwa für Patienten oder im Fernverkehr.

Was waren die essenziellen Entscheidungen der Staatsregierung?

In der frühen Phase, in der es noch keine Impfstoffe gab, war es wichtig, die klassische Methodik der Seuchenbekämpfung anzuwenden, also Kontakte massiv zu beschränken und das öffentliche Leben stark zurückzufahren. Dadurch ist es uns auch gelungen, ein unkontrolliertes Ausbreiten des Corona-Virus zu verhindern. Zum Impfstart war es dann wichtig, die Vakzine in der damaligen Mangellage so zügig wie möglich und zielgerichtet zu verimpfen.

Der Katastrophenschutz, der in den Jahren zuvor massiv heruntergefahren wurde, muss wieder ernstgenommen werden. 

Staatsminister Florian Herrmann

Was würden Sie mit dem Wissen von heute anders machen?

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir insgesamt als Staat, aber auch als Gesellschaft resilienter sein müssen gegen Gefährdungen. Der Katastrophenschutz, der in den Jahren zuvor massiv heruntergefahren wurde, muss wieder ernstgenommen werden. Essenziell ist es, dass wir nun ein Pandemie-Zentrallager vorhalten, falls Lieferketten nicht mehr funktionieren.

War es aber zum Beispiel wirklich notwendig, im ersten Lockdown alleinsitzende Menschen von Parkbänken zu vertreiben – Stichwort Verweilverbot?

Es gibt den Begriff „Präventionsparadox“: Maßnahmen, die durchgeführt werden, um das Schlimmste zu vermeiden, werden im Nachhinein infrage gestellt, wenn das Schlimmste nicht eingetreten ist. Wir hatten damals kein Handbuch zur Corona-Prävention. Denn solche Entscheidungen mussten seit der Spanischen Grippe vor über 100 Jahren nicht mehr getroffen werden. Aber ich bin fest überzeugt, auch mit der Erkenntnis von heute, dass uns die Summe aller Maßnahmen gut durch die Pandemie gebracht hat. Ob dann jede einzelne Detailfrage hundertprozentig Bestand hat vor rückblickenden Analysen, wird man sehen.

Welcher Moment der Pandemie hat Sie am meisten betroffen gemacht?

Das waren gleich am Anfang die Bilder aus Bergamo und New York, aber auch eine Studie von Notfallmedizinern bezüglich des Klinikums in Straßburg. Zu lesen, dass im Fall der Überlastung Menschen über 80 Jahre mit Corona-Symptomen nur noch palliativ begleitet werden sollen, fand ich extrem erschütternd. Es war ein absolutes Schlüsselerlebnis für mich: alles dafür zu tun, dass wir niemals in so eine Situation kommen.

In einer so extrem bedrohlichen Situation politische Verantwortung übernehmen zu müssen, ist schon prägend.

Staatsminister Florian Herrmann

Ist die Politik durch die Erfahrung mit Corona für künftige Pandemien besser aufgestellt?

Prinzipiell schon. Wir haben gesehen, dass die klassischen Methoden der Seuchenbekämpfung funktionieren. Unser Instrumentenkasten ist aber auch differenzierter geworden. Wir haben jetzt mit den Abwasseruntersuchungen im Hinblick auf Virus-Konzentrationen ein Pandemie-Frühwarnsystem, das in den letzten drei Jahren neu entstanden ist. Und wir haben etwa ein Pandemie-Zentrallager geschaffen mit Schutzausrüstung und anderem notwendigen Material.

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Wie hat Sie die Pandemie als Politiker verändert?

Ich habe unglaublich viel dazugelernt in diesen drei Jahren – inhaltlich über Pandemien und Viren, aber an der Seite von Ministerpräsident Markus Söder auch, was politische Entscheidungsfindung und mutige Führung in absoluten Ernstfällen angeht. Wenn es um Leben und Tod geht. In einer so extrem bedrohlichen Situation politische Verantwortung übernehmen zu müssen, ist schon prägend. Und es stärkt uns auch, dass wir als liberale offene Gesellschaft diese Aufgaben inklusive Entwicklung von Impfstoffen besser hinbekommen haben als autoritäre Staaten wie China.

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