Landrat Petz fordert Fingerspitzengefühl im Umgang mit Flüchtlingen

Über die Asylpolitik seines Vorgängers Josef Hauner (CSU) möchte Landrat Helmut Petz (FW) nichts sagen. Lieber will er über seine eigene Marschroute sprechen. Die geht in eine neue Richtung.
Freising – „Wir müssen einen Modus finden, um die gesetzlichen Spielräume im Sinne der Geflüchteten optimal zu nutzen.“ Das hat Helmut Petz im Wahlkampf gesagt, und es klingt nach einem Politikwechsel im Landratsamt Freising, das bisher bayernweit durch einen besonders harten Kurs auf sich aufmerksam gemacht hat. Als neugewählter Landrat will Petz nun auf jeden Fall Taten folgen lassen. Zum Interview mit dem FT kommt er mit einem Wunsch: „Ich möchte nicht darüber sprechen, was in der Vergangenheit passiert ist, sondern darüber, wie ich es künftig machen will.“
Herr Landrat, wie möchten Sie die Asylpolitik des Landkreises gestalten?
Mich treiben hier zwei Aspekte um: ein ökonomischer und ein menschlicher. Ökonomisch gesehen hat es mir nie eingeleuchtet, warum man Asylbewerber, wenn man kann, nicht arbeiten lässt und ihnen lieber Transfer-Leistungen zahlt. Vor allem auch unter dem Aspekt, dass wir in der Region in vielen Bereichen dringend Arbeitskräfte suchen, habe ich mich schon gefragt, warum man diese Ressource nicht nutzt.
Und der menschliche Aspekt?
Der ist mir noch viel näher. Arbeiten gehört zu den Grundbedürfnissen der menschlichen Existenz.
„Arbeit ist ein Stück weit Selbstverwirklichung“
Seit dem Corona-Lockdown sollten sich da auch Einheimische hineinversetzen können.
Ja. Arbeit ist ein Stück weit Selbstverwirklichung und Identität. Arbeit gibt dem Tag Struktur und dem Leben einen Sinn. Und natürlich ist es auch eine existenzielle Frage.
Welche Gestaltungsmöglichkeiten haben Sie als Landrat, um mehr Geflüchtete in Arbeit zu bringen?
Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass Asylbewerber in den ersten drei Monaten gar nicht arbeiten dürfen. Ab dem zehnten Monat haben sie dann einen Anspruch auf Arbeitserlaubnis – außer sie sind straffällig geworden. Zwischendrin, also vom vierten bis einschließlich neunten Monat, liegt es im Ermessen der Behörde, Arbeitserlaubnisse zu erteilen. Einschränkungen gibt es für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten.
Ihr Gestaltungsspielraum liegt also zwischen viertem und neuntem Monat.
Ja. Und wenn man bedenkt, dass Asylverfahren sich über Jahre hinziehen, macht es keinen Sinn, die Betroffenen bis zum neunten Monat nicht arbeiten zu lassen, wenn sie danach ohnehin einen Rechtsanspruch darauf haben.

Sind Sie da bei den zuständigen Mitarbeitern auf Zustimmung gestoßen?
Ja, das ist mittlerweile Konsens im Haus und so mit der Ausländerbehörde abgestimmt, aber auch mit den Ämtern, die für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständig sind und die Folgen von fehlender Arbeit tragen müssen.
Welche Ermessenskriterien spielen denn zwischen viertem und neuntem Monat eine Rolle?
Ich kann Ihnen drei Faktoren nennen, die eine Behörde in ihrem Ermessen dazu veranlassen können, keine Arbeitserlaubnis auszustellen: wenn der Asylbewerber nicht bereit ist, seine Identität zu klären. Wenn er nicht willens ist, sich zu integrieren. Und wenn er straffällig geworden ist. Wir haben uns nun auf die Linie festgelegt, dass die ersten beiden Faktoren keine Rolle mehr spielen bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis. Das heißt: Wenn ein Asylbewerber nicht straffällig geworden ist, darf er bei uns ab dem vierten Monat arbeiten. Ohne Wenn und Aber.
„Ausländer sind keine Probleme, sondern Menschen“
Damit verabschieden Sie sich von dem harten Kurs des Landratsamts.
Der harte Kurs wird ja eher von der bayerischen Staatsregierung gefahren. Wenn man auf die Ausländer- und Asylpolitik seit der ersten Welle zurückblickt, war es immer ein politisches Ziel in Bayern, die „Rückkehrbereitschaft“ aufrecht zu halten. Dabei geht es auch darum, es angekommenen Asylbewerbern nicht zu angenehm in Deutschland zu machen, um zu verhindern, dass noch mehr kommen. Menschen, die hier sind, müssen das ausbaden, und das ist aus meiner Sicht ein No-Go.
Wie möchten Sie das dann handhaben?
Ausländer sind keine Probleme, sondern Menschen, und als solche muss man sie behandeln. Deswegen erwarte ich mir im Landratsamt beim Umgang mit Flüchtlingen auch Fingerspitzengefühl.
Gilt Ihre neue Ermessensregelung auch bei der Erteilung von Ausbildungserlaubnissen? Reicht es auch da, nicht straffällig geworden zu sein?
Ja, auch hier gilt diese Regelung.
„Das muss mit Fingerspitzengefühl gehandhabt werden“
Welche Möglichkeiten haben Geflüchtete, die den Status der Duldung haben, unter Ihrer Ägide eine Ausbildungs- oder Arbeitserlaubnis zu bekommen? Wo können Sie da rechtliche Spielräume zu deren Gunsten nutzen?
Bei geduldeten Personen gibt es sehr enge gesetzliche Vorgaben. Sofern zum Beispiel die nicht geklärte Identität der Grund für die Duldung ist, darf eine Arbeits- oder Ausbildungserlaubnis nicht erteilt werden. Sollte die Person jedoch aus anderen Gründen eine Duldung erhalten, werden wir die Ermessensspielräume großzügig zugunsten der Betroffenen auslegen.
Die Krux ist bei der Identitätsfindung allerdings oft, dass jemand die Karten auf den Tisch legen will, aber einen Pass aus Nigeria oder Pakistan gar nicht so ohne Weiteres bekommt. Was macht man mit diesen Menschen?
Auch das muss mit Fingerspitzengefühl gehandhabt werden. Denn das ist tatsächlich ein komplexes und ungutes Themenfeld. Aus bestimmten Ländern kommen Flüchtlinge nicht hier rein, auch wenn sie noch so verfolgt sind. Sie kriegen überhaupt nur den Zugang als Asylantragsteller, wenn sie nicht aus bestimmten Ländern kommen. Insofern verschleiern sie erst mal ihre Identität und schmeißen ihren Pass weg. Dann müssen sie in Deutschland irgendwann ihre Identität nachweisen. Und wenn sie dann zum Beispiel in Syrien bei Herrn Assad einen Pass beantragen müssen und gesuchte Oppositionelle sind, dürfte es schwierig werden. Das Problem ist, dass sich eine Behörde in diesem Massengeschäft nicht jedem Einzelfall widmen kann. Das ist bedauerlich für die, die betroffen sind. Die kommen im Rechtsstaat unter die Räder. Ein Dilemma.
Flüchtlingshelfer: Landrat möchte Modellregion werden
Aber da könnten doch Flüchtlingsbetreuer Abhilfe schaffen. Die kennen die Flüchtlinge viel besser als jeder Beamte. Kann man als Behörde nicht den Worten dieser Ehrenamtlichen mehr Gewicht verleihen und so verhindern, dass integrationswillige und leistungsstarke Flüchtlinge unter die Räder kommen oder durchs Raster fallen?
Der Gedanke, den Sie ansprechen, ist sehr modern. Zum Beispiel im Umweltbereich ist es inzwischen rechtlich vorgegeben, dass ehrenamtliche Kräfte als Verwaltungshelfer fungieren, weil das, was die Behörde zu leisten imstande ist, oft nicht hinlangt. Das verlangt das Unionsrecht.
Dann übertragen Sie dieses Konzept doch einfach auch auf die Asylpolitik! Denn meist sind es ja die Flüchtlingshelfer, die die Asylbewerber so fit machen, dass sie arbeiten können. Und damit leisten die Flüchtlingshelfer ja auch einen großen Beitrag dazu, dass der Sozialstaat entlastet wird.
Sonnenklar. 9,6 Stellen stellt die Regierung dem Landkreis an Betreuern zur Verfügung, die in Unterkünften arbeiten. Da gibt es hundert Mal so viele Flüchtlingshelfer. Der Staat könnte diese Aufgabe ohne dieses ehrenamtliche Engagement nicht im Ansatz stemmen. Daher möchte ich die Helferkreise sehr gerne zur Mitwirkung als sachverständige Ratgeber und Ideenspender einladen, damit die Behörde ihre Aufgaben ohne Vollzugsdefizite erledigen kann. Ich werde jedenfalls persönlich meine Fühler ausstrecken und den Austausch mit den Flüchtlingshelfern suchen. Vielleicht können wir da sogar Modellregion werden.
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