Zero Waste: Diese Freisingerin lässt kaum Müll in ihr Leben

Freising - Vor zwei Jahren hat sich Manuela Gaßner selbst ein Versprechen gegeben: nur noch so wenig Müll wie nötig in ihr Leben zu lassen. Seitdem hat sich ihr Leben radikal verändert.
Auf den ersten Blick ist nichts ungewöhnlich bei Manuela Gaßner. Auf dem Tisch der Freisingerin steht ein Glas Wasser, auf der Fensterbank liegen Zeitschriften, in der Küche tropft das gespülte Geschirr ab. Erst, wer genauer hinschaut, sieht, dass hier einiges anders läuft als bei den meisten.
Beispiel Badezimmer: Bei der 35-Jährigen sind die Zahnbürsten aus Holz gefertigt. Statt einer Tube mit Mint-Pasta steht auf dem Waschbecken eine Dose mit Zahncreme – selbst zubereitet aus Kokosöl und Natron. Hier wird der Raum nicht mit Horden von Gels und Crémes zugestellt, hier tut es eine Haarseife. Vor allem aber: Nirgendwo im Bad steht ein Abfalleimer. Auch nicht im Wohnzimmer, nicht im Kinderzimmer, in keinem Raum außer in der Küche. Dort befindet sich ein kleiner silberner Metalleimer. „Der genügt mir. Da passt der Alltagsmüll eines ganzen Monats hinein.“
Manuela Gaßner, Mutter von drei Kindern, Redakteurin und Autorin, Doktor der Agrarwissenschaften und Dozentin an der Hochschule Weihenstephan, hat sich einem Leben verschrieben, in dem so wenig Abfall wie möglich produziert wird. Vor zwei Jahren hat sie diesen Rappel bekommen. „Da bin ich umgezogen und habe überhaupt erst festgestellt, wie viel Graffel ich im Haus habe.“ Stück für Stück sortiert sie aus. „Von da an war meine Aufmerksamkeit für all das ganze Zu-Viel geweckt“, sagt sie. Plötzlich fallen ihr die Berge an gelben Säcken am Straßenrand auf. Die aufgerissenen Plastiktüten, aus denen sich der Müll über die Gehwege ergießt. „Also habe ich angefangen, beim Einkaufen so viel Verpackung wie möglich gleich im Supermarkt zu lassen. Aber dann hatte ich zu Hause immer noch so viel zum Auspacken.“ Und so fällt sie einen radikalen Entschluss: „Ich will ein Leben führen, in dem ich keinen Müll mehr produziere.“
Sie macht die Butter oft selbst - schmeckt sowieso leckerer
Kann man leben, ohne Abfall zu verursachen? „Hundertprozentig geht das nicht“, sagt sie. „Das ist utopisch.“ Sie kenne Menschen, die ihren Jahresmüll in einem einzigen Einmachglas sammeln. Das schaffe sie nicht. „Aber ich will Produkte kaufen, die nicht in der Schublade verschwinden, sondern die langlebig und hochwertig sind. Produkte aus Materialien, die der Umwelt nicht oder möglichst wenig schaden. Ich will einfach so wenig Müll wie möglich in mein Leben lassen.“

Für Manuela Gaßner sind die Leitlinien entscheidend, die die US-Amerikanerin Bea Johnson formuliert hat (siehe Kasten). Ganz oben steht das Vermeiden von Müll. „Ein Hauptproblem ist, dass die Kinder so viel geschenkt bekommen – und das gar nicht mal von Freunden und Verwandten“, sagt sie. So käme etwa der Zahnarzt in den Kindergarten und bringe jedem Kind ein Geschenk mit: eine Plastiktasche mit Plastikzahnbecher, Plastikzahnbürste und Plastik-Zahnpastatube. „Und schon habe ich den Müll im Haus.“ Leichter fällt es ihr da schon, sich selbst von Dingen zu trennen, die bei ihr nur rumstehen. Freude bereitet es ihr, Obst einzuwecken und Butter selbst zuzubereiten. „Schon habe ich Lebensmittel, die keinen Müll produziert haben und auch noch leckerer schmecken als gekauft.“ Selbst das Dach ihrer Garage wird zur Ressource: Dort baut sie Kräuter, Gemüse und Obst an. Und wenn der Abfluss des Küchenbeckens mal verstopft ist, jagt sie keinen chemikalischen Reiniger durchs Rohr, sondern behilft sich mit Backpulver und Essigessenz. „Das funktioniert bestens.“
Ihre Familie und die meisten Freunde hat Manuela Gaßner von dieser Philosophie überzeugt. Doch nicht alle applaudieren der Freisingerin, die im Internet einen Blog führt. „Eine Reaktion bekomme ich oft zu hören: dass es eh nichts bringt, weil alle anderen weiter Müll produzieren. Aber das stimmt nicht. Jeder Deutsche verursacht pro Jahr durchschnittlich über 600 Kilogramm Müll – das ist alles andere als wenig.“ Und auch die immer wieder vorgebrachte Entschuldigung, man könne sich das finanziell nicht leisten, lässt sie nicht gelten. „Müllvermeidung ist kein Wohlstandshobby.“ Auf der anderen Seite lassen sich insbesondere Menschen im Alter von 25 bis 40 Jahre für die Zero-Waste-Grundsätze begeistern. „Vor allem junge Eltern sind dafür empfänglich, weil die sich besonders viel Gedanken darüber machen, was ist, wenn sie mal nicht mehr sind. Und weil sie Vorbild sein wollen.“
Ihre Philosophie bereitet Manuela Gaßner allerdings ein süßes Problem
Was ist für Manuela Gaßner der schmerzlichste Verzicht? „Es gibt schon Dinge, die ich nicht mehr kaufe, aber das würde ich nicht als Verzicht bezeichnen, sondern eher als Konsumveränderung.“ Und wo hat die Veränderung am meisten wehgetan? „Schokolade“, platzt es aus ihr heraus. „Wenn ich keine zu Hause habe, finde ich das nicht so toll.“ Und da ist es manchmal doch gut, wenn die Kinder viel geschenkt bekommen. Denn oft ist auch Schokolade dabei, die dann der Mama zugute kommt. „Insofern freue ich mich auf Ostern“, sagt Manuela Gaßner und lacht. „Denn ich bin sicher, dass da ganz viele Schoko-Osterhasen ins Haus kommen.“
In wenigen Schritten weg vom Müll
Wo soll man nur anfangen, wenn man seinen Müll reduzieren will? Bea Johnson, Vorreiterin aus den USA hat fünf hilfreiche Orientierungspunkte, formuliert – die fünf R’s:
1) Refuse (ablehnen): Das Meiste an Müll lässt sich vermeiden, indem man Verpacktes und Überflüssiges einfach ablehnt - etwa die in Plastik eingeschweißte Gurke, Werbeprospekte oder den hundertsten Kugelschreiber, den man geschenkt bekommt.
Tipp: Statt Visitenkarten oder Flyer anzunehmen, lieber mit dem Handy abfotografieren.
2) Reduce (reduzieren): Wer kennt sie nicht, die Kühlschrankleichen? Um zu verhindern, dass Lebensmittel ablaufen, ist es sinnvoll, seinen Einkauf zu reduzieren. Andere Fehleinkäufe – etwa die Hose, die doch nicht passt, oder die Bücher, die man eh nicht mehr aus dem Regal nimmt – sollten aussortiert und wieder in den Umlauf gebracht werden. Andere können es gebrauchen.
Tipp: Bei Facebook gibt es viele lokale Gruppen, in denen Sachen verschenkt, getauscht oder verkauft werden können.
3) Reuse (wiederverwenden): Mit Mehrwegverpackungen lässt sich viel Müll vermeiden. Für viele Situationen gibt es Alternativen zur Einweg-Nutzung: Thermoskanne statt To-Go-Becher, Spültücher statt Küchenrolle, Frenchpress-Kanne statt Kaffeefilter.
Tipp: Viele Geschäfte befüllen inzwischen Gefäße, die Kunden mitgebracht haben – egal, ob es sich um Whiskey oder Waschmittel handelt.
4) Recycle (zur Wertstoffsammlung geben): Was trotz der vorangegangenen Maßnahmen noch an Müll anfällt, sollte dem Recycling-Kreislauf zugeführt werden, um Ressourcen zu schonen.
Tipp: Das Recycling sollte beim Müllvermeiden nicht im Vordergrund stehen, weil trotz allem Ressourcen verschlungen werden – Stichwort: Müllverbrennung.
5) Rot (kompostieren): Was dann noch anfällt, kann man häufig kompostieren. Das Schöne daran: Dabei wird aus Küchenabfällen hochwertiger Dünger entstehen, den man wieder seinen Pflanzen zuführen kann.
Tipp: Wer einen Garten hat, kann einen Komposthaufen anlegen. Wer in einer Stadtwohnung ohne Biotonne wohnt, kann sich eine Wurmkiste zulegen.
Manuela Gaßner fügt dem in ihrer Praxis noch ein weiteres R hinzu:
6) Repair (reparieren): Bevor Dinge weggeworfen werden, sollte man sich darum bemühen, sie wieder zu richten.
Tipp: Auch in Freising gibt es Repair-Cafés.
