AD(H)S – Zappelphillips letzte Rettung

Manche nennen sie Zappelphilipp, Hans-Guck-in-die-Luft oder einfach nur Träumer: Kinder, die an Aufmerksamkeits-Defizit-(Hyperaktivitäts)-Störung AD(H)S leiden, stellen Eltern, Lehrer und Erzieher oft vor große Probleme.
Sie können nicht still sitzen, zappeln mit Händen und Füßen, machen Flüchtigkeitsfehler, haben wenig Durchhaltevermögen, antworten ohne Überlegung oder sind ständig abgelenkt und vergesslich. Solche Symptome nennen Pädagogen, wenn sie von betroffenen Kindern berichten. Nach Ansicht von Experten ist AD(H)S kein Problem falscher Erziehung. Es handelt sich vielmehr um eine neurobiologische Funktionsstörung des Gehirns: eine psychische Erkrankung. Kinder mit AD(H)S sind durchschnittlich genauso intelligent, wie ihre Altersgenossen. Durch ihre Erkrankung sind sie jedoch von ihren tatsächlichen Möglichkeiten abgeschnitten.
Bereits Säuglinge fallen durch langes Schreien und Unruhe auf
Im Kleinkindalter sind AD(H)S-Kinder zappelig, neigen zu ausgeprägten Trotzphasen, haben wenig Sinn für konstruktives Spiel und in der Schule sind sie oft in kürzester Zeit überlastet. „Man kann sich das so vorstellen, dass alle Eindrücke, die auf das Kind einstürmen, wie durch einen Trichter ungefiltert in den Kopf gelangen“, sagt Elke Fannasch. Die Pädagogin ist Vorsitzende der Selbsthilfegruppe „ZippelZappel“, eine Gruppe von engagierten Eltern im Landkreis Freising, deren Kinder vom Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom betroffen sind. „Der Leidensdruck für die einzelnen Familienmitglieder ist sehr groß“, sagt Fannasch. Mit der Selbsthilfegruppe, die seit 2006 als eingetragener Verein tätig ist, können sich Eltern austauschen. Sie können Strategien entwickeln, Hilfsangebote besprechen, Erfahrungen austauschen und neueste Informationen weiter geben. „Wir sind keine Fachleute, sondern Eltern von betroffenen Kindern, sagt Fannasch. Da jedoch der Leidensweg häufig lang sei, habe sich der eine oder andere schon viel Wissen angeeignet. „Die Selbsthilfegruppe versteht sich als Forum zum gegenseitigen Austausch“, so die Leiterin. Praktisch sehe das so aus: jeder Abend beginne mit einer sogenannten „Blitzlichtrunde“, in der jeder erzählen könne, wo die Probleme in der Familie bezüglich AD(H)S lägen. Diese Runde werde kurz gehalten, damit für alle die Möglichkeit zum Sprechen bestünde. Anschließend bestünde Zeit, auf bestimmte Dinge näher einzugehen. Häufig kristallisiere sich das schnell heraus, was am jeweiligen Abend genauer besprochen werde, weiß Fannasch. In der Runde werde dann zu diesem Problem diskutiert. Jeder Teilnehmer verpflichte sich, nichts nach außen zu tragen. Denn nur so hätten die Mitglieder die Gewissheit, frei und „folgenlos“ über ihre Probleme sprechen zu können. Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden 2. Mittwoch im Monat in der Gaststätte „Oberwirt“ in Kirchdorf. Darüber hinaus werden in regelmäßigen Abständen Referenten zum Thema AD(H)S eingeladen. Fannasch ist sich sicher, dass sich jede Anstrengung lohnt, betroffene Kinder ohne seelischen Schaden durch die Kindheit zu bringen.
Es gibt nicht nur negative Aspekte der psychischen Störung
Menschen mit AD(H)S haben oft sehr markante Qualitäten und Eigenschaften. Sie fallen durch großen Reichtum an Ideen auf, sind sehr begeisterungsfähig und hilfsbereit. Sie haben verstärkt künstlerische Eigenschaften und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. In der Literatur gibt es eine Reihe von Beispielen von Kindern mit AD(H)S wie etwa der Zappelphillipp aus dem „Struwwelpeter“. Der „Hanns-Guck-in-die-Luft“ ist der Prototyp eines Kindes mit ADS - ohne die Hyperaktivität. Astrid Lindgrens „Michel aus Lönneberga“ ist ebenfalls ein treffendes Beispiel. Viele erwähnen in diesem Zusammenhang auch die schwedische Zeichentrickserie „Petterson und Findus“. Der hyperaktive Kater den absolut stoischen Petterson nicht aus der Ruhe bringen. An dieser Figur können sich Eltern eventuell orientieren. Denn Gelassenheit, Besonnenheit und zugewandte Ruhe seien die besten Hilfen für die Herausforderungen durch AD(H)S, raten Experten.
Das sollten Eltern beherzigen:
- Struktur, klare Abläufe und Regeln: AD(H)S Kinder haben große Probleme, ihren Tagesablauf zu strukturieren. Eltern sollten dabei helfen, Aufgaben in kleine, überschaubare Teilbereiche zu gliedern. Ein regelmäßiger Tagesablauf ohne viele Überraschungen gibt Sicherheit.
- Mut machen: Ein Kind mit AD(H)S hat wenig Durchhaltevermögen. Es muss immer wieder ermutigt werden, ein Vorhaben auch bis zum Ende durchzuführen.
- Unterstützung: Eltern sollten die Begabungen ihres Kindes erkennen, unterstützen und fördern. Mehr als andere Kinder brauchen betroffene Kinder Erfolge, die ihr Selbstbewusstsein stabilisieren.
- Elterliches Gleichgewicht: Ein AD(H)S Kind fordert die Eltern permanent. Deshalb gönnen Sie sich Zeit, die eigene Batterie wieder aufzuladen. Das Problem AD(HS) sollte nicht den größten Teil der elterlichen Zeit beanspruchen. Wissen ist wichtig: je größer das Wissen über die Krankheit, desto besser können die Probleme bewertet und gelöst werden. Selbsthilfegruppen können hilfreich sein.
Gut zu wissen:
Infos und Hilfe gibt es auch bei Lernimpuls Freising:
Kesselschmidstraße 10
85354 Freising
Tel.: 08161/538960
www.lebenshilfe-fs.de
Die Selbsthilfegruppe ZippelZappel e.V. für den Landkreis Freising trifft sich jeden 2. Mittwoch in der Gaststätte „Oberwirt“, Schuhbauer, in der Sternstraße 20 in Kirchdorf. Ansprechpartner: 1.Vorsitzende Elke Fannasch, Schwalbenweg 3, 85238 Petershausen, Tel.: 08137/8091680 2. Vorsitzende Angelika Wagner, Kammergasse 5b, 85354 Freising, Tel.: 08161/50606 Nächstes Treffen ist am 11. November. Beginn: 20 Uhr Die Gruppe freut sich über neue „Gesichter“. Auch Nicht-Vereinsmitglieder sind jederzeit willkommen.
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