Neues Buch folgt den Spuren des Rasso-Räubers nach Amerika

Er war 1868 aus dem Zuchthaus in Bayern geflüchtet und ein Jahr später ausgewandert: Der Schwobn-Girgl, Anführer der Rasso-Räuber, baute sich in Amerika eine bürgerliche Existenz auf. Die spannende Lebensgeschichte des Banditen hat der langjährige Kreisheimatpfleger Toni Drexler in ein Buch gepackt. Nun wurde es vorgestellt.
Adelshofen – Vor Jahren wälzte Toni Drexler alte Familienbücher der Pfarrei Hörbach. Er arbeitete damals an einer Häuserchronik seines Heimatortes. Die Familienbücher waren keine besonders spannende Lektüre – bis auf die von den Pfarrern hinzugefügten Bemerkungen in einer Randspalte. Doch dann stieß Drexler auf eine Seite, da hatte die Randspalte nicht ausgereicht für all das, was der Pfarrer über eine bestimmte Familie zu sagen hatte. Über die ganze Seite erstreckten sich seine Kommentare. „Das muss ein interessanter Fall sein“, dachte sich Drexler.

Der Fall ließ ihn nicht mehr los. Es war die Geschichte des 1830 geborenen Georg Müller alias „Schwobn-Girgl“, einst berüchtigter Anführer einer Räuberbande und heute im allgemeinen Bewusstsein als Sozialbandit und Volksheld verankert. Schon vor zwölf Jahren schrieb Drexler ein Büchlein über den Mann, der bevorzugt Kirchen ausraubte. Es wurde eine trockene Faktensammlung – „unlesbar“, wie der ehemalige Kreisheimatpfleger selbstkritisch sagt.
Nun hat er ein weiteres Buch über den Schwobn-Girgl verfasst. „Vom Finsterbach zum Mississippi“ (Bauer-Verlag) beschreibt das Leben des Georg Müller und seinen abenteuerlichen Weg „ins Amerika“, wie er selbst es nannte.
Gesicherte historische Daten
„Das Buch besteht zu 90 Prozent aus gesicherten historischen Daten“, erklärte Drexler bei der bestens besuchten Buch-Premiere im Pschorrstadl in Adelshofen. Angereichert sind die Fakten mit den Empfindungen und Gedanken des Autors, mit szenischen Beschreibungen, die seiner Fantasie entsprungen sind, sich aber genauso zugetragen haben könnten. Natürlich ist nirgendwo festgehalten, ob der Girgl tatsächlich als Kind im Garten des Klosters Spielberg Obst klaute oder von der Eisenbahnbrücke bei Hattenhofen auf den darunter fahrenden Zug bieselte (besonders auf die offenen Wagen der dritten Klasse). Aber man kann es sich gut vorstellen.
Es gab sonst wenig Spaß im Leben eines „Hüterkindes“. Die Familie des Gemeindehirten stand in der dörflichen Hierarchie ganz unten. Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg gab es nicht, mehr als Tagelöhner und Torfstecher war nicht drin für einen wie den Girgl.
Traum von Amerika
Aber er wollte mehr – genug Geld für eine Schiffspassage nach Amerika. Dort, so hatte er gehört, war das Leben weniger beschwerlich. Und man wurde nicht danach beurteilt, woher man kam und wer man war. Auf legalem Weg hätte er nie das nötige Geld zusammenbekommen. Doch schon seine Eltern und Großeltern hatten „ein lockeres Verhältnis zum Eigentum anderer“, schreibt Drexler. Mit seiner Bande, den Rasso-Räubern, verübte der Schwobn-Girgl eine ganze Serie von Einbrüchen beiderseits des Lechs. „Das dickste Ding“ war 1867 die Plünderung der Wallfahrtskirche Grafrath, wo sich die Täter an den Reliquien des überaus populären Heiligen Rasso vergingen.
In der Folge wurden alle Bandenmitglieder gefasst, auch der Girgl. Ihm jedoch gelang die Flucht aus dem Gefängnis – und die Verwirklichung seines Traums. Von den bayerischen Behörden unbemerkt, setzte er sich nach Hamburg ab und bestieg ein Schiff nach New York. Später ließ er Frau und Kinder nachkommen, änderte seinen Namen und baute sich eine bürgerliche Existenz auf.
Nachfahren leben in den USA
Toni Drexler hat herausgefunden, dass noch heute zahlreiche Nachfahren des Schwobn-Girgls in den USA leben. Kontakt hat er nicht zu ihnen aufgenommen – „noch nicht“, wie er betonte. Warum der Anführer der Rasso-Räuber (die gleichnamige Hörbacher Musikgruppe untermalte die Buchvorstellung und Lesung) noch heute die Menschen fasziniert, erklärte der Augsburger Historiker Wilhelm Liebhart mit dem Aufbegehren gegen die Obrigkeit und die soziale Ungerechtigkeit der damaligen Zeit.
Für Drexler stand weniger die Affinität zu Räubern im Vordergrund als vielmehr das Interesse, etwas über das gemeine Volk zu erfahren, seinen Alltag, seine Sorgen und Nöte. Das Material zu seinem Buch fand er vor allem in historischen Tageszeitungen, die ausführlich über die Gerichtsverhandlung gegen die Rasso-Räuber berichteten. Der Schwobn-Girgl bekam das nicht mehr mit. Als er in Bayern in Abwesenheit zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, war er längst auf der anderen Seite des Atlantiks.