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Der älteste politische Ortsverein Eichenaus wird 100

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Von: Hans Kürzl

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Am 12.Mai 1990 beteiligte sich die SPD an einer zeitweiligen Blockade der Hauptstraße. Bewohner des Ortes protestierten gegen den zunehmenden Verkehr in Eichenau.
Am 12.Mai 1990 beteiligte sich die SPD an einer zeitweiligen Blockade der Hauptstraße. Bewohner des Ortes protestierten gegen den zunehmenden Verkehr in Eichenau. © SPD-Chronik Eichenau (hk-Repro)

Vor 100 Jahren, als Eichenau noch eine ärmliche Siedlung war, gründete sich bereits ein sozialdemokratischer Ortsverein. Es war die erste politische Organisation in dieser Form. Und diese kann nun auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken – und einige politische Erfolge vorweisen.

Eichenau – „Der sozialdemokratische Ortsverein ist die älteste politische Organisation in Eichenau“: Den Stolz auf die eigene Geschichte setzt die SPD bewusst an den Beginn der über 160 Seiten starken Chronik zum Jubiläum. Die Sozialdemokraten fühlen sich eng verbunden mit dem Ort, der nur 15 Jahre vor der Gründung des SPD-Ortsvereins 1922 seinen eigenen Namen erhalten hatte.

Ein Sozialdemokrat im Allinger Rat

Die Bevölkerungsstruktur beschreibt Chronik-Autor Andreas Knipping (Gemeinderat von 2014 bis 2020) so: „Früher zog man nach Eichenau, weil man sich München nicht leisten konnte. Heute kommt man nach Eichenau, weil man es sich leisten kann.“ Im Gegensatz zum bäuerlich geprägten Alling hatte die SPD in Eichenau früh ein gewisses Wählerpotenzial. Im Allinger Gemeinderat saß für Eichenau bereits im Juni 1919 ein Sozialdemokrat namens Georg Eichinger.

Wann genau sich der Ortsverein gründete, ist der Chronik nicht zu entnehmen. Als Beleg dient ein handschriftliches Schriftstück, mit dem Max Neumaier als Schriftführer und Georg Berchtold als allererster Vorsitzender die Gründung bestätigten. In der Folge waren die Sozialdemokraten damit beschäftigt, Wahlkämpfe zu gestalten. Gewählt wurde 20-mal zwischen 1924 und 1933: Reichstag, Landtag, Gemeinderat und noch Reichspräsident.

Erster Antrag im Jahr 1925

Der erste SPD-Dringlichkeitsantrag kam im Dezember 1925 von Georg Scheitinger zu einem Beschäftigungsprogramm. Ansonsten wurde im Gemeinderat jener Tage diskutiert über: Etat für den Friedhof, Feuerwehr, Schulhausbau und Weihnachtsunterstützung für Erwerbslose. Ganz klar: So sehr unterschieden sich die Probleme damals nicht von denen heute, wie auch Knipping in der Chronik kommentiert.

Widerstand und Neuanfang

Viel Wert legte der Verfasser darauf, dass in Eichenau die beiden Arbeiterparteien SPD und KPD bei den letzten noch halbwegs freien Reichstagswahlen am 5. März 1933 gleichauf mit der nationalsozialistischen NSDAP lagen. Einen Monat zuvor hatte es die letzte freie Gemeinderatssitzung in Eichenau gegeben. Das SPD-Mitglied Peter Schmölzl hatte seine Teilnahme sogar noch per Unterschrift im Protokoll belegt. Am 22. Juni 1933 wurde die SPD im gesamten Reichsgebiet verboten.

Verfolgung und Unterdrückung folgten, doch ebenso gab es Widerstand in Form eines Jugendzentrums der evangelischen Kirche, das zwischen 1937 und 1940 einigermaßen unbehelligt wirken konnte. Eichenau wurde laut SPD-Chronik ein Zentrum für menschenwürdiges Geistesleben gegen Rassenhass. Eine unbekannte, sozialdemokratisch gesinnte Familie habe außerdem ein Flugblatt der Alliierten trotz Gefahr und drohender Todesstrafe aufbewahrt.

Die Befreiung Eichenaus Anfang Mai 1945 reklamiert die SPD zumindest zu einem Teil für sich. Auf Vorschlag des Bürgerkomitees „Freiheitsaktion Bayern“, dem unter anderem der Sozialdemokrat Max Eisenknöppel angehörte, wurde Hans Wirner zum ersten Nachkriegsbürgermeister berufen. 1980 wurde auf SPD-Antrag eine Straße nach Wirner benannt.

Waschmaschine für alle gefordert

Manchmal musste sich die SPD um ganz banale Dinge kümmern. Im Gemeinde-Wahlkampf 1948 forderte sie „für die arbeitsüberlasteten Hausfrauen eine öffentliche Waschküche mit Waschmaschinen“. Und „aus hygienischen Gründen eine öffentliche Badeanstalt mit Brause und Wannenbad“.

Kurios ebenso ein Protokolleintrag aus einer Sitzung des Ortsvereins im Jahr 1957: „Leider konnte zu Verschiedenes nichts festgehalten werden, weil alle durcheinander redeten. Hoffentlich kommt das nicht mehr vor.“

In diese Reihe passt, wie 1968 der SPD-Bürgermeisterkandidat Hans Schmuch insbesondere um weibliche Wählerstimmen bat. Die versuchte er mit der Anrede „Sehr verehrte gnädige Frau – liebe Hausfrau“ plus der Einladung zu einer Tasse Kaffee zu überzeugen. Vergeblich.

Bürgermeister aus SPD-Reihen

Manche waren da erfolgreicher. In den 1970er-Jahren war die Riege der Ortsvorsitzenden (siehe Kasten) prominent besetzt, sogar mit späteren Bürgermeistern: Sebastian Niedermeier, der später zu den Freien Wählern wechselte – und Herbert Kränzlein, der von 1988 bis 2012 Puchheims Rathauschef wurde.

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Der Protest gegen die Olchinger Südwestumfahrung wurde auch von der SPD unterstützt. Aktiv beteiligt hatte man sich im Mai 1990 ebenso an einer Blockade der Hauptstraße, um gegen den zunehmenden Pkw- und Lkw-Verkehr zu demonstrieren.

Position beziehen als Ortsverein

Auch zu überregionalen Themen meldeten sich die Sozialdemokraten zu Wort – mit dem seit 1966 erschienenen Informationsblatt „Hallo Nachbar“, Aktionen, Diskussionen. „Es ist wichtig, dass man sich auch als Ortsverein positioniert“, sagt dessen Vorsitzender Erik Hoeschen.

1988 tat das die Eichenauer SPD mit einer Podiumsdiskussion zur Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf. Man holte sich auch Referenten für das Zukunftsforum zum Klimaschutz. Den Krieg in der Ukraine bezeichnet die Chronik der SPD im Übrigen als das „Ende der Illusion der Putin-Versteher“.

Bürgermeister und Landrätin aus Ortsverein

Sebastian Niedermeier und Herbert Kränzlein ergatterten das Amt als Rathauschefs (einer davon allerdings in Puchheim). Weitere Bürgermeister aus den eigenen Reihen waren den Genossen nicht beschieden. Zwei brachten sich noch als Kandidaten in Stellung, scheiterten jedoch. Michael Gumtau 2004 zumindest mit einem achtbaren Ergebnis gegen den Amtsinhaber. Martin Eberl schaffte es in einem Vierkampf 2016 nicht in die Stichwahl.

Eichenaus Sozialdemokratie war trotzdem hochrangig vertreten – in Kreis und Bund: zwischen 1990 und 2002 durch Uta Titze-Stecher im Bundestag, wo sie in ihren letzten vier Jahren dort Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses war.

1990 löste Rosemarie Grützner den CSU-Landrat Gottfried Grimm in der Stichwahl ab. Den größten Stimmenanteil hatte sie in Olching und Eichenau. Sechs Jahre später landete sie im ersten Wahlgang auf Platz eins, in der Stichwahl um 0,6 Prozent hinter Thomas Karmasin.

1996 war jedoch auch das Jahr, in der erstmals eine Frau Vorsitzende des SPD-Ortsvereins wurde: Marianne Bertram, die 14 Jahre später wieder eine Rolle spielen sollte, als der Versuch der SPD, die erste weibliche Bürgermeisterkandidatin zu installieren, schief ging. Bertram hatte sich, wie Karl Handelshauser, beklagt, bei der Entscheidungsfindung zur parteilosen Kandidatin Martina Meusel nicht eingebunden worden zu sein.

Handelshauser gab den Fraktionsvorsitz ab, Bertram trat aus. Kurz vor Meldeschluss trat Meusel aus gesundheitlichen Gründen von der Kandidatur zurück. Den Part der weiblichen Kandidatin hatten dann die Freien Wähler und Angela Heilmeier für sich allein. hk

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