Drohnen-Duo lüftet Geheimnis der alten Villa

Schon als Kind hatte Chris Schäfer ständig die Augen auf den Boden geheftet. Immer hoffte er, etwas zu finden, das mit den Menschen früherer Epochen zu tun hatte. Doch seine größte Entdeckung gelang in diesen Sommer, mit 50 Jahren – und ausgerechnet diesmal hatte er die Augen nicht auf den Boden geheftet, sondern eher gen Himmel.
Lindach – „Seit ich sechs Jahre alt war, hat mich Geschichte interessiert. Steinzeitjäger, Römer, Ritter, einfach alles.“ Dass er eigentlich nie etwas fand, hat Schäfer nicht entmutigt. Persönlicher Kontakt zu Mitgliedern des Historischen Vereins Fürstenfeldbruck (HFV) hat ihm dann vor etwa zehn Jahren zu dem nötigen Know-How verholfen, das zu ändern. „Da kam zusammen, was zusammen gehörte“, sagt Chris Schäfer. Bei vielen Ausgrabungen und Feldbegehungen war er seither dabei. Sein Lieblingsstück ist eine so genannte keltische Schichtaugenperle aus Glas. Sie stammt aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Schäfer fand sie nahe Jesenwang.
Aufnahme mit der Drohne

Die neue Faszination des 50-Jährigen dreht sich weniger um kleine Fundstücke, sondern um die großen Zusammenhänge: Es ist die Luftbildarchäologie. Im Juli zog Schäfer mit Stefan Kluthe los. Das Ziel der beiden: Die Villa Rustica bei Lindach. Bereits in den 1980er Jahren waren dort Hinweise auf einen Bau aus Stein nachgewiesen worden. „Wir wollten sehen, ob die Mauerreste in der Erde aus der Luft noch zu erkennen waren, oder durch landwirtschaftliche Bearbeitung sehr gelitten hatten“, so Kluthe. Also startete er seine Drohne, um von oben Aufnahmen zu machen.
Wie immer bei der Luftbildarchäologie diktierten die Pflanzen dem Drohnen-Duo den Termin. Auf den Bildern zeigen deren Farbe, Zustand und Reifegrad historische Bauwerke im Boden an. „Pflanzen reagieren auf Stress etwa bei Nässe, Trockenheit oder Schnee“, erklärt Chris Schäfer. Wo etwa Mauern unter dem Boden verborgen sind, bekommen Pflanzen, die darüber wachsen, weniger Feuchtigkeit ab und die Wurzeln haben schlechtere Bedingungen, als dort, wo zum Beispiel Keller waren. Die Wachstumsphase von Getreide ist an solchen Stellen dann zum Beispiel etwas kürzer, Sprich: Halme und Körner wechseln schneller von grün zu gelb.
Wo das Getreide besser gedieh
Schäfer und Kluthe hatten sich also einen Tag nach einer längeren Hitze- und Trockenperiode ausgesucht. Tatsächlich konnte man die Mauern gut erkennen. Aber als der Informatiker Kluthe die Bilder daheim am Computer auswertete, fiel ihm noch ganz etwas anderes auf: Reihen von Tupfen, auf denen das Getreide viel grüner war, als auf den anderen Flächen.
Dem 50-jährigen Münchner war sofort klar, was das zu bedeuten hatte. Da konnten nur Pfostenlöcher im Spiel sein. Die Pfosten, die vor Jahrhunderten in den Vertiefungen standen, sind längst verwest. Die Löcher haben sich mit der Zeit wieder gefüllt – mit Humus. Kluthe: „Auf der Münchner Schotterebene bedeutet das, dass der Untergrund auf den ehemaligen Löchern viel fruchtbarer ist, als drum herum, deshalb war dort das Getreide noch so grün.“
Römisches Gutshaus
Das war eine wirklich aufregende Entdeckung. „Die Lage der Löcher ist so, dass sie nicht etwa von den Pfosten eines Vordaches des steinernen römischen Gutshauses stammen konnten“, so Kluthe. Es gibt nur eine wahrscheinliche Erklärung: Vor dem Steinbau muss dort eine ältere Villa Rustica aus Holz gestanden haben. Die andere unwahrscheinlichere Variante: Nach dem Untergang des Steinhauses wurde an der Stelle eines aus Holz errichtet.
Für die Fürstenfeldbrucker Heimatforscher ist das eine handfeste Sensation. Bisher war man von einer ganz anderen Sachlage ausgegangen. Etwa 750 Meter vom römischen Gutshof entfernt, dessen Reste die Drohne zeigt, stand bekanntermaßen einer aus Holz. „Auch aufgrund von Scherben und ähnlichem war man immer davon ausgegangen, dass das der Vorgängerbau war.“
Das Drohnen-Duo hat also dafür gesorgt, dass dieser Aspekt der Heimatgeschichte wohl umgeschrieben werden muss. Für die beiden ist diese Entdeckung eine Sternstunde ihrer unermüdlichen Forschungen. Schäfer gibt sich trotzdem bescheiden. „Wir konnten das Wissen über die Besiedelung unseres Landkreises mehren, das freut uns sehr.“
Welche Punktlandung sie hingelegt hatten, wurde Kluthe am nächsten Tag klar. „Ich bin nochmal zu der Stelle, um vielleicht noch bessere Bilder zu bekommen. Aber das Pflanzenwachstum war in der kurzen Zeit soweit fortgeschritten, dass schon nichts mehr zu sehen war.“
BodenSchätze
Alle in dieser Serie beschriebenen Fundstücke und noch viele mehr sind bis Freitag, 30. August, dezentral ausgestellt – meistens in der Nähe der Fundorte. Von 2. bis 27. September sind alle Objekte bei der Zentralschau im Landratsamt zu sehen. Dort gibt es auch kostenlose einstündige Führungen für Gruppen von fünf bis 20 Personen. Anmeldung per E-Mail an Fahrten@hvf-ffb.de. Den Flyer mit weiteren Informationen gibt es im Internet unter www.historischer-verein-ffb.de unter dem Menüpunkt Home, Ausstellungen zum herunterladen. Es gibt auch ein Buch zur Ausstellung. Die hier beschriebenen neuen Erkenntnisse enthält es noch nicht.
Die römischen Gutsherren pflegten bei Fürstenfeldbruck einen gehobenen Lebensstil
Als Villa Rustica wird ein Gutshof aus der Römerzeit bezeichnet. In der Region Fürstenfeldbruck begann die Besiedelung durch die Römer wohl gegen 50 nach Christus. Im Landkreis sind rund 30 solcher Anlagen bekannt. Die Villa Rustica bei Lindach ist etwas besonderes. Sie wurde um das Jahr 100 aus Stein gebaut. Die Bewohner leisteten sich sogar verputzte und bemalte Wände, feines Geschirr und Schmuck. Bei der Aktion BodenSchätze werden Schlüssel aus dem Gutshof gezeigt, die zu komplizierten Schlössern gehören. Die Römer lebten auf dem Lande nicht wie die Germanen mit dem Vieh unter einem Dach.
Die steinerne Villa Rustica bei Lindach verfügte über getrennte Wohn- und Wirtschaftsräume. Das Gehöft lag mitten in Feldern und Weiden, wie ein moderner Aussiedlerhof. Das Hauptgebäude verfügte über zwei Ecktürme. Auf den Luftbildern sind auch ein kleines Bad, Ställe und Scheunen zu sehen. Neben der Landwirtschaft gab es eine eigene Ziegelproduktion. Die Bewohner konnten zudem Lesen und Schreiben. Das beweist der Vermerk „Eigentum des Postumus“ auf einem Tellerfragment. Der Gutshof war bis in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts bewohnt. (Sabine Kuhn)
Auch interessant:
Das Knochen-Rätsel der vergessenen Burg