Geschichten vom Schokoladenhaus

Schokoladenhaus – der Name klingt verführerisch, doch auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, warum das Gebäude auf der Hangkante oberhalb der Bahnlinie so genannt wird. Rein äußerlich hat das aus zwei Wohnungen bestehende Gebäude mit Schokolade nichts zu tun. Aber es wurde dort Süßes verkauft.
Fürstenfeldbruck – Wer wissen möchte, woher der Name kommt, muss einen Blick in die Geschichte werfen – und stellt fest, dass er es hier mit einem der traditionsreichsten Gebäude in Bruck zu tun hat. Blättert man in den zahlreichen historischen Unterlagen, die Besitzer Ludwig Weiß akribisch archiviert hat, dann taucht der Name Schokoladenhaus dort zunächst gar nicht auf. Bekannt war das Gebäude ursprünglich als „neues Weiherhaus“. Geplant wurde es bereits 1904, erbaut aber erst im Jahre 1910 als Ergänzung zum alten Weiherhaus, das den Bruckern lange Zeit als Gaststätte und Ausflugsziel diente.

„Viele Jahre schon war das alte Weiherhaus mit seinen paar recht gemütlichen, aber immer zu kleinen Bierstüberln nicht mehr imstande, seine Gäste zu beherbergen“, heißt es in einem historischen Abriss, den Ludwig Weiß’ Großvater 1936 verfasste. Sogar aus München kamen Gäste – nicht zuletzt, um auf dem Weiher im Sommer Kahn zu fahren und im Winter Schlittschuh zu laufen.
Für den Neubau wählte man ein Grundstück nördlich des Obstgartens, der zum alten Weiherhaus gehörte. Von hier aus, so der begeisterte Bauherr, habe man einen großartigen Blick nach Puch und Maisach, ja sogar bis nach Dachau und Schleißheim. „Wer für Fernsicht schwärmt, der kann jetzt im neuen Haus Platz nehmen. Wer lieblichen Wiesen- und Waldblick vorzieht, soll im alten Weiherhaus bleiben.“
Der Neubau bestand aus einem Saal mit Glasveranda, Küche und Keller. Die Geschäfte gingen glänzend. Besucher schwärmten von vorzüglichem Kaffee, von Faschingskrapfen und Kirchweihnudeln, die hier serviert wurden. Aus dieser Zeit muss der Name „Schokoladenhaus“ stammen. Gäste, darunter viele Vereine und Studentengruppen, kamen aus Bruck, München und Augsburg. Es wurde ausgelassen gefeiert und gesungen. Im Sommer waren die Räumlichkeiten oft die ganze Woche im Voraus ausgebucht.
Wohnungen statt einer Gaststätte
Doch schon vier Jahre später war es aus mit dem frohen Treiben in den beiden Gaststätten. Der Erste Weltkrieg erstickte die vormalige Lebensfreude, und als er vorbei war, hatten die Menschen andere Sorgen als Ausflüge ins Grüne zu unternehmen. Infolge der Wohungsnot wurde das neue Weiherhaus zu Wohnungen umgebaut, während das alte nach einiger Zeit wieder in Betrieb ging.

Das neue Weiherhaus wird nach wie vor von zwei Mietparteien bewohnt. Eine dritte, im Keller gelegene Wohnung ist nicht mehr nutzbar. Das ganze Gebäude gehöre eigentlich generalsaniert, sagt Besitzer Ludwig Weiß, der Urenkel des Erbauers. Er findet es schade, dass das Haus schon lange keine Gaststätte mehr ist. Doch um den Betrieb an moderne Anforderungen anzupassen, „wären riesige Investitionen nötig gewesen“. Statt des alten Eiskellers hätten Kühlanlagen angeschafft, neue Sanitärräume und eine Zentralheizung eingebaut werden müssen.
Immerhin, als ein Stück Stadtgeschichte hat das Schokoladenhaus seinen Schwesterbetrieb um Jahrzehnte überdauert. Denn das alte Weiherhaus brannte im Jahr 1960 ab.
von Ulrike Osman