Ein einzigartiger Winter: Ihr Jahr in der Antarktis geht zu Ende

In Deutschland kündigt sich langsam der Winter an. In der Antarktis bereitet sich Theresa Thoma auf der Neumayer-Forschungsstation auf den Sommer und die Ankunft der Forscher vor. Hinter ihr liegt ein einzigartiger Winter – mit eisigen Temperaturen und vielen Wochen ohne Sonnenlicht.
Fürstenfeldbruck – Der Winter ist vorbei in der Antarktis – auch wenn man bei den herrschenden Temperaturen dort vom ewigen Winter sprechen könnte. Doch inzwischen schafft es die Sonne wieder über den Horizont und es ist nicht mehr so klirrend kalt wie in der Polarnacht. Minus 47 Grad war der Kälterekord des Jahres. „Dann kommt noch der Wind dazu, das sind gefühlt minus 60 Grad“, erzählt Theresa Thoma.

Die 27-Jährige ist seit Mitte Januar als Elektronik- und IT-Ingenieurin auf der Forschungsstation Neumayer III, die das Alfred-Wegener-Institut in der Antarktis betreibt. Dort kümmert sie sich um Funk und IT. Sie prüft, ob die Verbindungen zu den Außenstellen funktionieren, hilft bei Computerproblemen und packt an, wenn sich die Antenne im Sturm verdreht hat und nicht mehr richtig empfängt.
Noch immer ist Thoma mit neun Kollegen auf der Forschungsstation, die wie ein großer Container aussieht und auf Stelzen auf dem ewigen Eis steht. Anfang November kommen 30 Forscher zur Station. Daher laufen die Vorbereitungen. Theresa Thoma aktualisiert die GPS-Punkte, über die sich alle außerhalb der Station orientieren. „Wir sind auf Schelf-Eis, das ist ein schwimmender Gletscher“, erklärt sie. „Der bewegt sich 150 Meter im Jahr.“ Und bei fünf Metern Sicht im Schneesturm seien schon 50 Meter Verschiebung viel, wenn man die Eingangstüre suche.

Bald wird sie auch wieder am Pinguin-Observatorium nach dem Rechten sehen und die akustischen Daten der Unterwassermikrofone auslesen, die Laute von Walen und Robben aufzeichnen. Es werde spannend, ob die Mikrofone noch da sind, sagt Thoma. „Es gab einige Eisbergkollisionen.“ Die Stelle, an der auch die Schiffe anlegen, habe Dellen von einem schwimmenden Eisberg bekommen, ein vier Kilometer großes Stück ist abgebrochen. Und Thoma wird den Forschern bei allen IT-Fragen zur Seite stehen, vom W-Lan bis zur Software. „Eine Art IT-Hausmeister“, sagt sie über ihre Tätigkeit und lacht.

Auch ihr Hobby begleitet die Amateurfunkerin im ewigen Eis. Sie hält Funkkontakt zu Schiffen, Flugzeugen und Forschern auf dem Eis. „Funk ist das Kommunikationsmittel, einer muss immer erreichbar sein.“ Über den Winter beantwortete sie über Funk auch Fragen von Schülern aus Deutschland, Belgien, Portugal und anderen Ländern.
Gerne hätte sie auch mit ihren Freunden von den Fürstenfeldbrucker Amateurfunkern gesprochen. Denn die hatten ihre Antennenanlage erweitert und hätten Theresa Thoma empfangen können. „Aber in der Woche hat ein Sturm unsere Amateurfunk-Satellitenschüssel zerstört“, erzählt Thoma. Ersatz kommt erst mit dem Versorgungsschiff. Das kommt einmal im Jahr. So blieb nur der Austausch per E-Mail.
Den langen Winter hat Theresa Thoma genossen. „Die Lichtstimmung in der Polarnacht war toll.“ In Sommer sei es stechend grell, der Himmel entweder blau oder weiß – wie die Gletscher drumherum.
„Im Winter ist fast durchgehend Dämmerung, da sind Farben von Orange bis Rosa am Himmel.“ Nachts wird es dunkel, doch selbst mittags bleibt das Abendrot da. In dieser Phase blieb Zeit für ungewöhnliche Experimente: „Wir wollten an einem der kältesten Tage ausprobieren, wie lange Spaghetti brauchen, bis sie draußen frieren.“ Und es dauere gar nicht so lange.
Ende Mai ist die Sonne untergegangen, erst Ende Juli schaffte sie es wieder über den Horizont. „Jetzt wird es gar nicht mehr richtig dunkel.“ Bald geht die Sonne für zwei Monate nicht mehr unter. „Da kann man sogar um Mitternacht nur mit der Sonnenbrille raus.“ Mittwinter – die längste Nacht – ist in der Antarktis der höchste Feiertag, erzählt Thoma. „Da gab’s Käsefondue.“ Auch Ostern wurde gefeiert – mit einer Schlittenparty in der Tiefgarageneinfahrt aus Eis und Schnee. Vom Klimawandel spüre man in der Forschungsstation bisher nur wenig. Der Polarwirbel schütze den zentralen Teil der Antarktis. An der antarktischen Halbinsel und den Inseln am Rand sei die Erderwärmung aber spürbar. Auch der CO2-Anstieg sei messbar.

Weihnachten und den Jahreswechsel wird Theresa Thoma noch in der Antarktis verbringen. Danach freut sie sich darauf, ihre Freunde und Bekannten wieder zu sehen – und die Pferde im Stall. Reiten ist ihr großes Hobby. Ihren Nachfolger, der im Januar mit dem Flugzeug anreist, wird sie noch einarbeiten, im Februar geht es auf den langen Heimweg nach Bruck – und in eine Welt mit dem Corona-Virus.
Wenn Theresa Thoma täglich die Zeitung für das Team herunterlädt, liest sie über die Entwicklungen. Doch in der Antarktis ist die Pandemie weit weg. Wer sollte das Virus einschleppen? Geimpft ist die Belegschaft nicht – noch nicht. Doch mit den ersten Sommergästen kommt auch ein Covid-Impfstoff. Und so beschäftigt sich auch Theresa Thoma eher mit der Corona-App und möglichen Wegen, um mit einem digitalen Impfzertifikat vom anderen Ende der Welt nach Bruck zurückzukehren.