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Neue Bühne feiert Premiere nach den Corona-Einschränkungen

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Von: Ulrike Osman

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Den beiden Autorinnen Fanny zu Reventlow und Lena Christ widmen sich die Stadtarchivare in ihrem Vortrag.
Den beiden Autorinnen Fanny zu Reventlow und Lena Christ widmen sich die Stadtarchivare in ihrem Vortrag. © Weber

Die Neue Bühne meldet sich aus der Corona-Zwangspause zurück. Eine szenische Lesung widmet sich zwei Schriftstellerinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Fürstenfeldbruck Auf den ersten Blick haben sie wenig gemeinsam – Fanny zu Reventlow und Lena Christ. Obwohl beide Schriftstellerin waren und zur gleichen Zeit in München lebten, weisen ihre Welten keine Schnittmenge auf. Und doch gibt es Parallelen zwischen der Skandalgräfin der Schwabinger Bohème und der sozialkritischen Beobachterin der kleinen Leute. Beide kämpften gegen Bedingungen, die ihnen Eigenständigkeit und eine Entfaltung ihrer Talente denkbar schwer machten.

Die Neue Bühne Bruck porträtiert die beiden Frauen in der beeindruckenden szenischen Lesung „Die kleinste Fessel drückt mich unerträglich“ aus der Feder von Kerstin Krefft. Als Thema für einen Vortrag über „königlich-bayerische Autoren“ fallen Dr. Lesner (Walter Cordier) zuerst die beiden Ludwigs ein – Thoma und Ganghofer. Klar, der Stadtarchivar ist halt ein typisches Exemplar der Kategorie alter weißer Mann. Das findet zumindest seine junge Kollegin Frau Büchl (Patricia Flür). Sie möchte ihm viel lieber zwei Frauen als Vortragsthema schmackhaft machen – Fanny zu Reventlow und Lena Christ. Nicht nur, dass beide bleibende Literatur geschaffen haben. Ihre Biografien zeigen überdeutlich die dunklen Seiten der Prinzregentenzeit im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Für Lena Christ, unehelich geboren und behütet bei den Großeltern aufgewachsen, beginnt ein Martyrium, als ihre Mutter – ein Monster in Menschengestalt – sie zu sich nach München holt. Das Kind soll mit anpacken in der angeheirateten Gastwirtschaft, soll sich um das neugeborene Halbgeschwisterchen kümmern und wird Opfer sämtlicher grausamer und gewalttätiger Neigungen der Mutter. „Nicht mal der Hund bekam so viele Schläge“, seufzt Judith Gebele in der Rolle der Lena. Alle Fluchtversuche – erst ins Kloster, dann in die Ehe – führen zu immer noch größerem Elend.

Biografische Romane als Vorlage

Auch Fanny zu Reventlow (Katrin Bielski) verlebt keine glückliche Kindheit. Sie will nicht still sitzen, nicht handarbeiten, nicht brav und fügsam sein, nicht in das Korsett eines Lebens als höhere Tochter eingeschnürt werden. „Macht, was ihr wollt. Ich geh’, ihr seid die Besiegten“, schleudert sie ihren Eltern entgegen und sucht mit Anfang 20 die große Freiheit in Schwabinger Künstlerkreisen („endlich die Luft, in der ich atmen kann“). Doch auch hier ist nicht alles Gold, was aus der Ferne geglänzt hat.

Krefft verwendet als Grundlage für ihren Text hauptsächlich die beiden biografischen Romane „Erinnerungen einer Überflüssigen“ (Christ) und „Ellen Olestjerne“ (Reventlow) sowie Briefe und Tagebuchaufzeichnungen. Mit verschiedenen eingestreuten Elementen lockert Regisseur Matthias Friedrich die naturgemäß wortlastige Inszenierung auf. Mal wird eine Szene von Handpuppen gespielt, mal gibt es ein paar Takte Live-Musik am Klavier.

Dass die beiden Hauptdarstellerinnen manche Passagen in ein Standmikrofon sprechen oder auf der Bühne verteilte Treppenelemente hochstöckeln müssen, hätte man sich sparen können. Nicht aber den Kniff, die beiden „Stadtarchivare“ hin und wieder in andere Rollen gleiten zu lassen. Wenn Flür mit Macho-Gehabe und bodenloser Bosheit Lena Christs Mutter darstellt und sich über das Gesicht von „Tochter“ Judith Gebele ein Ausdruck der verzweifelten Schicksalsergebenheit legt, ist das großartiges Theaterspiel. Und wenn Walter Cordier als Klosterschwester einen Nonnenschleier aufzieht, sorgt das für einen kurzen Moment der Heiterkeit in diesen glücklosen Lebensgeschichten.

Aufführungstermine

der szenischen Lesung „Die kleinste Fessel drückt mich unerträglich“ an der Neuen Bühne Bruck sind am 1., 8. und 23. Oktober, jeweils ab 20 Uhr. Karten gibt es unter www.buehne-bruck.de und an der Abendkasse.

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