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Protest-Radler bremsen bei Critical Mass in Olching Autos aus

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Radeln fürs Klima: Rund 35 Fahrradfahrer fuhren am Samstag im Pulk durch Olching.
Radeln fürs Klima: Rund 35 Fahrradfahrer fuhren am Samstag im Pulk durch Olching. © Privat

Bei der Protestaktion Critical Mass der Grünen in Olching waren Fahrradfahrer im Pulk unterwegs und bremsten Autos aus. Das passte längst nicht allen.

Olching – Es gibt bestimmt schönere Fahrrad-Strecken durch Olching als die Hauptstraße. Doch auf Genussradeln waren die rund 35 Männer, Frauen und Kinder am Samstag nicht aus. Sie wollten ein Zeichen setzen – für die Rechte der Radler, für die Anerkennung des Drahtesels als Verkehrsmittel und für mehr Rücksicht der Motorisierten. Und so setzte sich der Pulk gegen Mittag im Westen der Amperstadt in Bewegung. Über die Fürstenfeldbrucker und die Hauptstraße ging es bis Graßlfing – nebeneinander und mit der üblichen Radler-Geschwindigkeit. Und das ganz ohne gegen Verkehrsregeln zu verstoßen, sagen die Radler. Sie berufen sich auf Paragraf 27 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Demnach dürfen Gruppen ab 15 Radfahrern ganz legal einen geschlossenen Verband bilden.

Die Idee dazu hatte die Ortsgruppe der Grünen, berichtet deren Sprecherin Heide Kuckelkorn. Bei einem Treffen habe man gemeinsam ausgemacht, einmal als Gruppe durch Olching zu radeln, berichtet Kuckelkorn. Eine Demo, sagt sie, sei das nicht gewesen. Man habe nur darauf hinweisen wollen, als gleichwertiger Verkehrsteilnehmer anerkannt zu werden. Bei ihrer Tour hatten die Teilnehmer aber auch jede Menge Spaß. Und an kritischen Stellen wie Kreisverkehren und Kreuzungen machten die Radler durch lautes Klingeln auf sich aufmerksam. „Das hat die gute Stimmung noch einmal beflügelt“, so Kuckelkorn. Das sahen wohl nicht alle so. Kuckelkorn berichtet von mehreren wütenden und hupenden Autofahrern, die teilweise auch riskant überholt hätten.

Critical Mass in Olching: Einige Autofahrer informierten die Polizei

Bei einigen Autofahrern war der Argwohn offenbar so groß, dass sie die örtliche Polizei alarmierten. Deren stellvertretender Leiter Herbert Kanz bestätigt mehrere Anrufe. Die Autofahrer seien am Vorbeifahren gehindert worden. Zudem seien die Radler zu dritt nebeneinander gefahren. Als die Beamten nach dem Rechten sehen wollten, war der Tross aber bereits wieder weg. Für Kanz ist die Sache ein kniffliger Fall. „Es ist ein Graubereich“, sagt er. Die Frage, ob es eine Demonstration war oder nicht, sei nur schwierig zu klären. Denn eine Kundgebung müsste beim Landratsamt angemeldet werden.

Ob Demo oder nicht: Für Bernd Burgmeier vom Fahrradclub ADFC in Olching ist es höchste Zeit, dass etwas passiert. „Ich höre seit Jahrzehnten die Sonntagsreden der Politiker. Aber passiert ist nichts.“ Genau deswegen gebe es jetzt solche Aktionen. Selbst sei er zwar nicht dabei gewesen. Er befürworte die Critical Mass-Veranstaltungen aber generell. Denn noch immer sei es so, dass Pläne für Radler schnell wieder verworfen würden, wenn dadurch Platz für den motorisierten Verkehr verloren gehe. „Es wird zu viel geredet und zu wenig getan.“

Critical Mass in Olching: Landratsamt sieht es als anmeldepflichtige Demo

Ein bisschen mehr Kommunikation hätte man sich auch im Landratsamt gewünscht. Dort sieht man die Fahrt nämlich sehr wohl als anmeldepflichtige Demonstration, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage. Von einem Bußgeld sehe man aber noch ab. Jedoch pocht die Behörde darauf, dass künftige Veranstaltungen beim Landratsamt gemeldet werden.

Und die soll es auf jeden Fall geben. Die nächste ist bereits für Anfang Mai angesetzt. Ob die Radler dann weiter unbehelligt in die Pedale treten können, ist aber fraglich. Denn neben dem Landratsamt sieht auch die Olchinger Polizei die Aktion kritisch. Sollte das Phänomen überhand nehmen, werde man einschreiten, sagt Polizei-Vize Kanz. Er hat noch ein „Ass“ im Ärmel – in Form der „übermäßigen Straßennutzung“ in Paragraf 29 der StVO. Der Kampf um die Straße – er wird wohl noch länger dauern.

tog

PRO-Kommentar: Ohne Lobby bleibt nur die Straße

Jahrzehntelang war der Drahtesel nur für Sport und Freizeit da. In die Arbeit, zum Einkaufen und zu allen anderen Pflichtterminen kam man mit dem Auto. Doch dieses System stößt an seine Grenzen. Die Blechlawine wächst und wächst. Die Politik reagiert darauf, indem sie immer mehr Geld in den motorisierten Verkehr steckt. Das Rad als ernst zu nehmendes Verkehrsmittel? Doch nicht im Autoland. 

Dagegen regt sich jetzt Widerstand. Mit ihren Critical Mass-Veranstaltungen erzeugen die Aktivisten Aufmerksamkeit für ihr Anliegen, mehr Raum im Verkehr zu bekommen. Etwas anderes bleibt ihnen kaum übrig. Eine mächtige Lobby wie die Autofahrer haben die Radler nämlich nicht. Und die Zeiten sind günstig – entdeckt doch die bayerische Staatsregierung gerade ihre grüne Seite.

Tobias Gehre

CONTRA-Kommentar: Nicht geeignet für sozialen Frieden

Natürlich handelt es sich bei der Aktion der Radl-Aktivisten um eine gezielte Provokation. Leider ist sie nicht besonders geeignet, den sozialen Frieden zu befördern. Vielmehr sorgen solche Aktionen im Übrigen zu Recht für Ärger bei vielen Autofahrern. Ein sinnvolles Mit- und Nebeneinander wird so erschwert. Gezielt andere zu behindern mag in den Augen der Aktivisten lustig sein. In Wirklichkeit nervt es.

Im Übrigen steht hinter der Aktion eine Illusion, die es als solche endlich zu erkennen gilt: Funktionales Radfahren als Möglichkeit des Pendelns zum Beruf mag ein Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme sein – es wird aber niemals die durchschlagende Wirkung entfalten, von der manche träumen. Am Samstag war das Wetter gut. Wie viele Aktivisiten wären bei Windböen und Nieselregen gekommen?

Thomas Steinhardt

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