Sicherheit von Radlern auf dem Prüfstand - Ernüchternde Mess-Ergebnisse

Kommunen wie Puchheim wollen fahrradfreundlich sein – oder werden. Bis dahin ist es aber offenbar noch ein weiter Weg.
Puchheim – Zahlen zu Unfällen sind jedenfalls beunruhigend. Eine Abstandsmessung im Rahmen einer Veranstaltung der Volkshochschule fällt ziemlich ernüchternd aus.
Ist man als Radler in einer angeblich fahrradfreundlichen Kommune sicherer unterwegs? Offenbar nicht, wie jetzt ein Vortrag mit umfangreichem Zahlenmaterial in der Puchheimer Volkshochschule (VHS) zeigte. Der ehemalige Stadtrat und heutige VHS-Vorsitzende Reinhold Koch hatte die Unfallstatistik ausgewertet und war zu einem beunruhigenden Ergebnis gekommen: Die drei offiziell fahrradfreundlichen Kommunen im Landkreis, außer Puchheim auch Bruck und Gröbenzell, liegen nach absoluten Zahlen oder dem Anteil verletzter Radler weit vorne.
Gröbenzell schneidet am schlechtesten ab
Bei den Daten aus dem Jahr 2021 führt die Fürstenfeldbruck bei der Gesamtzahl der Personenschäden (56) vor Germering (54) und Puchheim (40). Setzt man die Zahl der radelnden Unfallbeteiligten ins Verhältnis zur Länge des jeweiligen Straßen- und Wegenetzes ist Gröbenzell vor Puchheim und Eichenau der Spitzenreiter. Pro Kilometer Straße gibt es in der Gartengemeinde die meisten verletzten Radler.
Und besonders bedenklich aus Puchheimer Sicht: 40,8 Prozent aller vor zwei Jahren verletzten Verkehrsteilnehmer waren Radfahrer. In Zahlen heißt das: 40 von 98. Dieser Wert wurde nur noch von Schöngeising und Oberschweinbach übertroffen. Angesichts der relativ geringen Anzahl von Geschädigten in den beiden Landgemeinden (neun und sechs) allerdings eher statistische Zufallsergebnisse.
Dabei muss man betonen: Unfall-Ursachen wurden in dem Referat nicht berührt, auch nicht die Frage, wer Schuld hatte.
Abstand per Ultraschall gemessen
Wohl aber hatte Koch die Ergebnisse eines praktischen Selbstversuchs mitgebracht: Abstandsmessungen mit einem ultraschall-gestützten Open Bike Sensor. Knapp drei Stunden an einem späten Juli-Nachmittag auf der Lagerstraße reichten für 36 Messungen. Resultat: Nur sechs Autofahrer hielten den vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 Metern zu Koch und seinem Radl ein. Drei kamen mit unter einem Meter Distanz vorbei. Die Regelung gilt aber wohl nicht nur vielen Autofahrern eigentlich als lebensfremd. Auf der Adenauerstraße beispielsweise müsste man unter Umständen minutenlang hinter einem gemütlichen Radler herschleichen, weil der Platz zum Überholen nicht reicht.
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Auch Koch selbst hält es für unwahrscheinlich, dass es bei unterschrittenem Mindestabstand tatsächlich zu einer Berührung kommt. Allerdings würden viele Radler erschrecken und vielleicht ins Schlingern kommen. Das Experiment aus Dachau, wo ein Polizeibeamter mit einem solchen Sensor an der Lenkstange unterwegs ist, findet der VHS-Chef jedenfalls nachahmenswert.
Tempolimit scheint Sicherheit zu erhöhen
Beim Vergleich der Puchheimer Zahlen aus den vergangenen Jahren fällt auf, dass es etwa auf der Lochhauser Straße – vielleicht auch wegen der Geschwindigkeitsbeschränkungen – für Radler sicherer geworden zu sein scheint. Auch die Schulwegunfälle Richtung Gymnasium und Realschule haben abgenommen. Dafür hat Puchheim-Ort in der Statistik aufgeholt, das Gewerbegebiet am Ikarus-Park bleibt ein wenig bekannter Schwerpunkt. „Wir kennen die Schwachstellen,“ sagte Koch, „also tun wir was dagegen.“
Radverkehrskonzept noch in Kinderschuhen
Das Radverkehrskonzept der Stadt ist seiner Meinung nach aber über Anfänge nicht herausgekommen. Selbst von der Prioritätenliste sei längst nicht alles umgesetzt. Es gibt ein paar Fahrradstraßen, die aber den Autofahrern nicht wehtäten oder „billige Varianten“ von Radschutzstreifen wie an der Nordendstraße. Aber diese eigenen Spuren für Radler sind bei den Betroffenen selbst umstritten. Das habe die Debatte um die Allinger Straße bewiesen. Und auch die anschließende Diskussion im Bürgertreff zeigte: Denn damit, so die Sorge, werde nur eine vermeintliche Sicherheit vorgegaukelt. (op)
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