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Ein Stasi-Opfer berichtet

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Schulleiter Otto Kolbe (v.l.), Organisatorin und Geschichtslehrerin Michaela Reiser, Referent Rainer Schneider und Geschichtslehrer Andreas Oertl. foto: steinbeck
Schulleiter Otto Kolbe (v.l.), Organisatorin und Geschichtslehrerin Michaela Reiser, Referent Rainer Schneider und Geschichtslehrer Andreas Oertl. foto: steinbeck

Fürstenfeldbruck - Rainer Schneider (58) weiß, wovon er spricht, wenn er von Missständen in der DDR erzählt: Er bekam die Macht der Staatssicherheit, dem Geheimdienst der DDR, am eigenen Leib zu spüren.

Heute ist er Vorsitzender des Vereins Freiheit, der sich um die Interessensvertretung von ehemaligen Gefangenen der Stasi kümmert. Schneider besucht Schulen, um den Jugendlichen einen Einblick zu gewähren. Der 58-Jährige ist bei seinen Großeltern aufgewachsen. Mit der Stasi hatte er bis zu seinem 17. Lebensjahr keinen Kontakt. Weil er aber in einen Beruf gedrückt wurde, den er nicht ausüben wollte, nämlich Brauer, und anderen persönlichen Erfahrungen, wollte er die DDR verlassen. Diesen Wunsch äußerte er in einem unvorsichtigem Moment gegenüber einem Freund, der diese Geschichte an die Stasi verkaufte.

Schneiders damalige Freundin wohnte in Dresden: „Ich wollte mit gepackten Taschen zu ihr fahren. Wenn etwas Festes daraus geworden wäre, wäre ich in der DDR geblieben, wenn nicht, wäre ich über die grüne Grenze geflohen.“ Doch schon am Erfurter Hauptbahnhof war seine Reise zu Ende. „Mit drei Autos haben sie mich abgeholt und zum Verhör gebracht.“ Eine Tatsache, die er heute noch lachhaft findet: „Ich war 17 Jahre alt und hatte keine Ahnung von Nichts. Trotzdem hat man einen Aufstand gemacht, als ob ich ein Staatsfeind wäre.“

1972 musste er zehn Monate in der Jugendstrafvollzugsanstalt verbringen. „Schon beim ersten Verhör habe ich alles gestanden, was sie hören wollten. Man wird so unter Druck gesetzt, das man nicht anders kann. Man will nur aus dieser Situation heraus.“

Während dieser Zeit bekam seine Freundin seinen Sohn, nach seiner Entlassung heiratete das Paar. Erst 1974 fruchteten die Ausreiseanträge, die Familie wurde in die Bundesrepublik ausgebürgert und wohnt seitdem in München. Nach der Wende hat Schneider Einsicht in seine Stasi-Akte genommen und festgestellt: „Selbst nachdem ich ausgereist war, hatte mich der Geheimdienst immer noch im Visier.“ (sbk)

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