„Nicht nur Misswirtschaft“: Nach Austritt von Lilian Edenhofer sprechen die Freien Wähler Klartext

Freie Wähler offenbaren, warum es zum Bruch mit Lilian Edenhofer kam
Garmisch-Partenkirchen – Das Kapitel Lilian Edenhofer und die Freien Wähler ist Geschichte. Nach all dem Zwist mit den Kollegen im Ortsverband Garmisch-Partenkirchen, der Trennung von der Fraktion und nun zuletzt dem Zusammenschluss mit Martin Sielmann (FDP) zog Edenhofer selbst den Schlussstrich. In der vergangenen Woche trat die Gemeinderätin aus der Partei aus. Damit kam sie den Freien Wählern zuvor, die gegen die 55-Jährige ein Ausschlussverfahren angestrengt hatten, das bereits beim Bundesjustiziar in Berlin vorlag. Edenhofers Gebaren, die politischen Fronten auf diese Art zu wechseln, geht den Verantwortlichen im Ortsverband zu weit. Nach Jahren des Schweigens legen sie die Karten auf den Tisch, offenbaren, warum es zum Bruch mit der einstigen Bürgermeisterkandidatin gekommen ist.
Der Ärger in den Reihen des politischen Vereins ist groß. Eigentlich sei er froh, dass Edenhofer nun die Partei verlassen habe, sagt Daniel Schimmer, der Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat. „Eine Erleichterung ist das auf jeden Fall.“ Aber: „Auch dahinter steckt nur wieder eine Taktik.“ Denn die Fraktionsbildung mit Sielmann allein bringt dem Duo derzeit keinen Zugewinn. Darum hält sich beim Ortsobmann des Hotel- und Gaststättenverband die Freude in Grenzen. Vielmehr überwiegt der Groll auf das, was „sie bei uns abgezogen hat“.
Lange Liste an Vorwürfen gegen Lilian Edenhofer
An diesem Punkt schwenkt auch Iris Grassl ein, Edenhofers Nachfolgerin im Amt als Ortsvorsitzende. „Ich durfte die Dinge über zwei Jahre aufarbeiten, mir ist so viel um die Ohren geflogen. Ich kam mir vor wie ein weiblicher Sherlock Holmes“, sagt die Garmisch-Partenkirchnerin. Die Liste an Vorwürfen ist lang: Zum einen sind es administrative Vergehen. So habe Edenhofer noch vor Corona keinerlei Sitzungen mehr einberufen, was sie durch die Satzung hätte tun müssen. Dazu kam das Verweigern der Zusammenarbeit im Gemeinderat. „Lösungsorientiertes Arbeiten war mit ihr nicht möglich“, sagt Grassl. Zudem habe sie gegenüber Nachrücker Chester Fabricius Ende September 2020 bereits schriftlich ihren Abschied aus dem Gemeinderat samt E-Mail an die Bürgermeisterin erklärt, diesen dann mit einer Forderung nach Geld konfrontiert, der dieser folgte, und ihn später abblitzen lassen.

Der entscheidende Punkt aber, den man ihr anlastet: „Finanzielle Unstimmigkeiten“, sagt Grassl noch vorsichtig. „Denn sie ist ja sehr schnell mit Anzeigen.“ Schimmer bleibt in diesem Punkt nicht hinter der Deckung. Er sieht keine Not. „Wir haben Belege für alles“, kündigt er an. Edenhofer „hat der alten Fraktion Gelder entzogen und das Vereinskonto abgeräumt“. Im Mai 2020 waren die Vorstandsmitglieder hellhörig geworden, als E-Mails auftauchten, es gebe offene Rechnungen, die nicht mehr bezahlt werden könnten. Edenhofers Vorschlag: Die Mitglieder sollten die Beiträge des Folgejahres vorzeitig überweisen. Da fiel Schimmer und Co. auf: „Es war kein Geld mehr da!“ Insgesamt sei ein fünfstelliger Betrag verschwunden. „Das ist alles nachweisbar.“ Als sie Edenhofer mit der Situation konfrontierten, habe sie auf eine Barkasse daheim verwiesen. Dort habe sie das Geld verwahrt. „Nur warum konnte sie dann keine Rechnung mehr zahlen?“, fragt Schimmer. Im Herbst folgte der Vorfall mit dem Rechnungsprüfungsamt des Rathauses. Damals wurde bekannt, dass die Fraktionsgelder auf Edenhofers Privatkonto gelangten. Erst, als diese Ungereimtheiten ans Licht kamen, tauchte das Geld nach und nach wieder auf. „Am Ende war alles da, das ist richtig“, versichert Schimmer. Nur – für ihn steht fest: „Das ist nicht nur Misswirtschaft.“

Edenhofer spricht selbst von „schlampiger Buchhaltung“
Denn so sieht die Version von Edenhofer aus. Sie habe, als sie 2018 das Ruder übernahm, ein Chaos vorgefunden. „In dieser Zeit gab es keinen funktionierenden Vorstand mehr und insbesondere auch keinen Schatzmeister.“ Allein ihrer kurzen Zeit an der Spitze – ihre Abwahl erfolgte im Februar 2021 – habe sie drei Finanzverantwortliche erlebt. „Ich musste beispielsweise auch die gesamten Wahlkampfkosten völlig allein abwickeln, eine Tätigkeit, die mir überhaupt nicht liegt und mir widerstrebt“, räumt sie ein. „Aber es hat sich keiner darum gekümmert.“ Sie selbst spricht heute von „schlampiger Buchhaltung“, distanziert sich aber davon, dass ein monetärer Schaden entstanden sein soll. „Es ist kein Geld verschwunden. Ich hab’ mir doch nichts genommen und bin damit in den Urlaub gefahren“, sagt sie empört. Alle Unregelmäßigkeiten seien Vergangenheit. „Die Differenz, die sich nach fachkundiger Verbuchung durch einen Steuerberater letzten Endes ergab, ist längst berichtigt und ausgeglichen.“ Dass die früheren Kollegen jetzt damit kommen, empfinde sie als „unanständig und als schädlich für die FWG“.
Schimmer betont, dass man mehrfach versucht habe, der Kollegin zu helfen und Brücken zu bauen. „Aber sie war nicht bereit, etwas zu ändern. Wenn du solche Details erfährst, musst du handeln!“ Dass sich Edenhofer derart darstellt, überrascht die Vereinsvertreter nicht. „Sie sucht immer die Fehler bei anderen, nie bei sich selbst“, kommentiert Grassl. Die jetzige Chefin aber bekam Auswirkungen zu spüren. „Wir hatten sogar eine Außenprüfung des Finanzamts, das kommt ja nicht von ungefähr bei einem kleinen Verein wie wir es sind.“ Noch dazu sei Edenhofer für ihre drei Jahre im Amt als Vorsitzende auch heute noch nicht entlastet.
Bleibt eine zentrale Frage: Warum kam es in der Sache nie zu einer Anzeige? Schimmer sah die Verantwortung dafür beim Finanzamt. „Das hätte Anzeige erstatten können. Das ist letztlich aber nicht erfolgt, weil am Ende wieder alles Geld da war.“
Abgeordneter Florian Streibl kann Ärger des Ortverbands verstehen
Sehr bedauerlich ist der gesamte Vorgang auch aus Sicht von Florian Streibl. „Ich kann den Ärger der Kollegen im Ortsverband verstehen“, sagt der Oberammergauer, Fraktionsvorsitzender der Partei im Landtag. Er gehörte zu jenen, die Edenhofer inthronisierten. „Sie war eine Hoffnungsträgerin“, bestätigt er. „Sie hat in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet, sich eingebracht.“ Sie half mit, den Ortsverband wieder aufzubauen. Im November 2019 wurde die Journalistin gar als Bürgermeister-Kandidatin präsentiert. Der Bruch kam für den Stimmkreis-Abgeordneten, der ein wenig mehr Distanz hat, mit Beginn der Arbeit im Gemeinderat. „Die Meinungen zur Zusammenarbeit mit Elisabeth Koch sind sofort stark auseinander gegangen.“ Das bestätigt Schimmer. „Wir hatten uns auf die Fahnen geschrieben, miteinander Themen voranzutreiben, wir wollten uns mit allen an einen Tisch setzen.“ Mit Edenhofer sei das nicht möglich gewesen. „Im Grunde genommen ist sie nur die Erzfeindin von Elisabeth Koch“, urteilt Grassl, die viele Sitzungen als Zuschauerin verfolgt.
Damit kann sich auch Streibl nicht anfreunden. „Man muss immer miteinander reden können. Die gesamte Kommunalpolitik lebt davon, dass man auch Kompromisse eingeht. Eine Fundamentalopposition geht nicht.“ Im Fall von Edenhofer sieht er „eine Grenze erreicht. Auszutreten aus der Fraktion, ist das eine, aber einen Weg gegen die eigenen Leute einzuschlagen, passt nicht mehr“. Zudem bewertet er auch die Gemeinschaft mit Sielmann ausdrücklich als „schlecht“.
Edenhofer kann mit ihrer neuen Situation gut leben. Für sie war der Austritt zuletzt „eine logische Folge nach dem ganzen unsäglichen Hickhack“. Sie verbindet mit dem jetzigen Ortsverband nichts mehr. „Die Freien Wähler machen sich zu Vasallen, das sah man bei diesem Bürgerentscheid. Und menschlich hat es auch nicht mehr gepasst.“