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Landrat geht in die Offensive und beantragt Wolf-Entnahme - „Wir müssen jetzt handeln“

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Von: Christian Fellner

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Nicht mehr nur mitten im Wald oder in der freien Natur kommt es zu Rissen, auch in unmittelbarer Nähe zu Höfen, wie hier in Bad Kohlgrub, werden Kadaver gefunden.
Nicht mehr nur mitten im Wald oder in der freien Natur kommt es zu Rissen, auch in unmittelbarer Nähe zu Höfen, wie hier in Bad Kohlgrub, werden Kadaver gefunden. © Privat

Landrat Anton Speer geht in die Offensive. Der Landrat hat bei der Regierung von Oberbayern einen Antrag zur Entnahme von Wölfen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gestellt. Es muss gehandelt werden, so sein Credo.

Garmisch-Partenkirchen – Anton Speer geht in die Offensive. Der Landrat hat bei der Regierung von Oberbayern einen Antrag zur Entnahme von Wölfen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen gestellt, diesen sogar persönlich Ende vergangener Woche in München abgegeben. „Wir müssen jetzt handeln, nicht erst, wenn etwas passiert“, sagt der Unterammergauer. „Wir haben beinahe täglich Sichtungen, speziell im Ammertal und nördlich bis ins Staffelseegebiet.“ Speer macht deutlich, dass er nicht aus Jux und Tollerei handle. „Ich habe kein Problem mit Wölfen, die hier nur durch- und weiterziehen.“ Nur seien die aktuellen Erkenntnisse anders gelagert: „Es gibt vier registrierte Exemplare, darunter ein weiblicher Wolf, da ist die Gefahr einer Rudelbildung sehr groß. Und das können wir nicht brauchen.“

Zwei Seiten umfasst der Antrag, den Speer persönlich im Namen des Landkreises unterschrieben hat. Dazu kommen neun Seiten Begründung. Der Landrat fordert von der Regierung eine Allgemeinverfügung für den Landkreis, die eine Ausnahme vom Bundesnaturschutzgesetz (§44) ermöglicht. Dort und in der europaweiten FFH-Richtlinie genießt der Wolf einen extremen Schutzstatus. Ein Abschuss ist als allerletzte Möglichkeit und Ausnahme vorgesehen. „Wenn man ein Problem mit einem Tier hat, tritt der sogenannte Aktionsplan Wolf in Kraft“, erklärt Speer. Dieser besagt, dass Schutzmaßnahmen in Form von Zäunen und Herdenschutzhunden für das Nutzvieh erfolgen müssen.

Zwischen Frieder und Kramer im Ammergebirge sind vergangenen Sommer 13 Schafe gerissen worden

Ein viel und emotional diskutierter Punkt gerade nach den Vorkommnissen im vergangenen Sommer im Gebiet zwischen Frieder und Kramer im Ammergebirge, als 13 Schafe gerissen wurden. „Zäune sind auf unseren Almen in der Alpenregion nicht möglich“, erneuert Speer das primäre Argument. Ebenso der Einsatz von Herdenschutzhunden in touristisch beliebten Wandergebieten. „Wer will dort scharfe Hunde herumlaufen haben“, monierte Klaus Solleder, Kreisobmann des Bauernverbands, zuletzt im Tagblatt-Gespräch zu diesem Thema. „Denn Wachhunde bringen nichts, die bellen nur, verteidigen aber nicht.“ Für Speer steht daher fest: „Wir können Schafe und das Jungvieh auf den Almen nicht anders schützen.“

Speers Hauptargument neben der Gefahr für das Vieh ist der Naturschutz selbst. „Der Wolf verträgt sich nicht mit den Zielen, die für FFH- und weitere Schutzgebiete ausgeschrieben sind“, sagt der Freie Wähler. Um diese zu kultivieren und pflegen, müsse eben Almwirtschaft im großen Stil betrieben werden. Die wiederum findet nur statt, wenn die Landwirte – auch die kleinen Viehhalter – ihre Tiere im Sommer beruhigt in die Berge schicken können. „Wenn wir das nicht mehr haben, wachsen die Almen zu, das geht schneller, als man denkt.“ Daraus könnten sich sehr negative Folgen für die so gepriesene Kulturlandschaft im Werdenfelser Land und darüber hinaus ergeben. „Für den Tourismus wie auch für Einheimische, die die Bergwelt genauso schätzen“, sagt der Landrat. Letztlich stehe auch die Artenvielfalt dieser Landschaft auf dem Spiel. Nicht umsonst habe sich der Landkreis zuletzt mit der kleinstrukturierten Landwirtschaft und den Almen für das Prädikat Unesco-Weltkulturerbe beworben.

Ob Antrag durch geht, kann Speer schwer einschätzen

Ob der Antrag durchgeht, kann Speer schwer einschätzen. „Es tut sich aber einiges.“ Regierungspräsident Dr. Konrad Schober hat sich bereits mehrfach gemeldet, selbst Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) hatte Speer zuletzt gleich am Telefon. „Ich habe die Situation in den Gesprächen nochmals sehr klar dargestellt, denn natürlich gab es Nachfragen“, betont Speer.

Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen hat in jedem Fall einen anderen Ansatz gewählt als die Kollegen aus Traunstein im vergangenen Jahr. Dort hatte die Regierung Mitte Januar tatsächlich die Entnahme eines bestimmten Tieres genehmigt, da es siedlungsnah zu Rissen gekommen war und eine Gefährdung für den Menschen nicht mehr auszuschließen gewesen sei. Doch: Nur sieben Tage später kippte das Verwaltungsgericht die Genehmigung. Der Bund Naturschutz hatte geklagt.

Christl Freier, die Sprecherin der Grünen-Fraktion im Kreistag, hat zum Wolf durchaus eine klare Meinung. „Wir müssen einen Mittelweg finden, dazu wird sich die Politik in Land, Bund und EU bewegen müssen“, sagt die Oberammergauerin. Natürlich dürfe der Wolf nicht aussterben. Aber: „Wir können nicht unsere gesamte kleinbäuerliche Landwirtschaft dafür opfern.“ Die Debatte über die Entnahme sieht sich als nicht einfach an. Zu groß dürfe die Population aber nicht werden. „Eine Abschöpfung von Zuwachs könnte ich mir gut vorstellen.“ In Schweden werde derzeit so verfahren. Die Grünen treffen sich dieser Tage mit Bauernverbandschef Klaus Solleder, um sich auszutauschen, am Wochenende gehen sie dann quasi in Wolfsklausur. Freier: „Dann werden wir unseren Standpunkt fixieren.“

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