„Das ist nicht fair“: Kreissparkasse verlangt Sonderabgaben bei größerem Vermögen - scharfe Kritik von Kunden

Deutschland gilt als Land der Sparer. Doch die Zeiten, in denen sich Guthaben automatisch vermehrten, sind vorbei. Immer mehr Banken verlangen bei größeren Vermögen ein sogenanntes Verwahrentgelt, also einen Minus- oder Strafzins. Dazu zählt auch die Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen.
Garmisch-Partenkirchen – Tobias Pfaff traute seinen Augen nicht, als er Ende Januar Post von seiner Hausbank, der Kreissparkasse Garmisch-Partenkirchen, erhielt. Gegenstand des Schreibens: eine „Vereinbarung für die Erhebung eines Verwahrentgelts“. Minus 0,5 Prozent soll diese Gebühr ausmachen – ab einem Betrag von 100 000 Euro. Das hieße: Das Vermögen würde schmelzen und nicht, wie früher üblich, kontinuierlich wachsen. Verkehrte Welt – aber aufgrund der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) keine Überraschung.
Garmisch-Partenkirchen: Negativzins-Welle rollt über Sparer hinweg - Auslöser dazu kommt von EZB
Die Kreissparkasse im Werdenfelser Land ist kein Einzelfall. Die Negativzins-Welle rollt derzeit über die Sparer hinweg – und reißt nicht ab. Nahezu täglich kommen neue Kreditanstalten hinzu, die Strafabgaben auf Einlagen berechnen. „Geht es in diesem Tempo weiter, wird Ende 2021 mehr als jedes zweite Geldhaus in Deutschland offiziell ein sogenanntes Verwahrentgelt erheben“, prophezeit das Finanzportal Biallo.
Der Auslöser dieser Entwicklung: Die EZB hat den Leitzins auf das Rekordtief von null Prozent gedrückt, um das Wachstum im Euroraum zu stützen. Geschäftsbanken müssen 0,5 Prozent Zinsen bezahlen, wenn sie selbst Geld bei der Zentralbank parken. Diese Belastung geben sie häufig an ihre Kunden weiter.
Sparkasse Garmisch-Partenkirchen - Bei Privatkunden im ersten Halbjahr 2020 eingeführt
Pfaff, ein freiberuflicher Software-Entwickler aus Partenkirchen, der in München lebt und arbeitet, ist mit den neuen Konditionen nicht einverstanden. „Das ist nicht fair. Ich stimme dem nicht zu“, erklärt der 28-Jährige. Schließlich habe das öffentlich-rechtliche Finanzinstitut die Möglichkeit, mit seinem Kapital Profit zu erzielen. Dann könnte er ja gleich, denkt der Unternehmer laut nach, die Rücklagen in bar aufbewahren.
Pfaff kann grundsätzlich nachvollziehen, dass bei hohen Summen Strafzinsen fällig werden. Allerdings hält er die minus 0,5 Prozent für übertrieben. „Das Ganze ist in dieser Höhe nicht gerechtfertigt“, lautet seine Kritik. Etwa die Hälfte wäre seinen Berechnungen zufolge angemessen. Schließlich kämen die Banken bei der EZB in den Genuss von Freibeträgen. Die Sparkasse bestätigt auf Tagblatt-Nachfrage den Kurs: „Ja, wir haben mit Kunden – mit hohen Guthaben – eine persönliche Vereinbarung getroffen, um Verwahrentgelte auf diese Guthaben zu erheben“, heißt es in einem Antwortschreiben. Diese Abmachungen – aktuell seien es 861, hauptsächlich mit kommunalen und gewerblichen Geschäftspartnern – werden laut der Regionalbank individuell vereinbart.
Details waren nicht zu erfahren. Nur so viel: Man orientiere sich an dem EZB-Einlagenzins von minus 0,5 Prozent. In der Praxis versuche man, eine alternative Anlageform zu finden, erläutert Sprecherin Manuela Petzolt. Ihren Angaben zufolge wurde die Sonderabgabe bei Privatkunden im ersten Halbjahr 2020 eingeführt. Bei den gewerblichen Kunden bestehe sie schon länger.
Sparkasse Garmisch-Partenkirchen - In der momentanen Marktsituation nötig
Die Kreissparkasse, die im südlichen Landkreis sechs besetzte Geschäftsstellen betreibt und rund 40 000 Kundenverbünde (Gruppen verbundener Kunden) zählt, begründet in ihrer Stellungnahme ausführlich den ungewöhnlichen (und unbeliebten) Schritt. Dieser sei aber in der momentanen Marktsituation notwendig.
Schließlich handle es sich bei der Verwahrung von Guthaben um eine Dienstleistung, die Aufwand und Kosten verursache. Diese „konnten die Sparkassen früher durch Zinsüberschüsse decken – aufgrund des Zinsniveaus ist das heute nicht mehr möglich“, berichtet das Geldhaus.
Das einstige Geschäftsmodell war simpel: Kunden bekamen Zinsen für ihre Einlagen – und die Sparkassen arbeiteten mit diesem Geld. Der Überschuss diente ihnen als wichtigste Einnahmequelle. Doch: „In einer Welt ohne Zinsen funktionieren diese früher ganz natürlichen Mechanismen nicht mehr.“ Theoretisch wäre es laut Kreissparkasse inzwischen sogar rentabler, sich über den Kapitalmarkt zu refinanzieren als über die eigenen Kundeneinlagen. An diesem Problem änderten auch die EZB-Freibeträge nichts.
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(Von Andreas Seiler)